Heiligabend 1967 / Tagebuch einer 21jährigen

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Ich stehe auf dem Balkon, schaue in die Dunkelheit und wende mich ab.
Gefühlsduselei - denke ich - nichts als Gefühlsduselei!

Christabend - Heilige Nacht - das ist ein Abend, eine Nacht wie der 24. November und der 24. Januar auch nur Daten im Kalender sind. Soll das anders sein weil einige Geschichtsschreiber dahergekommen sind und aufgeschrieben haben: in der Nacht des 24. Dezembers sei der Heiland geboren?

Ach - ich bin ärgerlich über mich! Ich kann nichts Besonderes, nichts Heiliges an diesen Datum finden. Im Gegenteil!
Wochenlang vorher waren die Straßen erfüllt von hektischem Treiben. Die Menschen liefen einander an auch um und fanden nicht einmal die Zeit für eine Entschuldigung. Die Einen stöhnten über die viele Arbeit vor dem Fest - die Anderen über das viele Geld das sie ausgeben mußten.
Wohin man sah, überall waren Kringel und Kugeln, Lametta und Rauschgold, Glitzerketten und Engelshaar über Puppen und Eisenbahnen, über Kaffeetassen und Kochtöpfen ebenso wie über über Mettwürsten und Schinken, desgleichen über Unterhosen und Küchenschürzen. Und all das samt der Bemerkung, die fast spöttisch wirkte,: "FROHE WEIHNACHTEN!" - beleuchtet von kalten bunten Neonröhren -

Christabend! -
Es ist Nacht geworden.
Ich gehe aus dem Haus.
Draußen auf den Straßen ist es ganz still geworden.
Die bunten Leuchtreklamen sind erloschen.
Schwarz stehen die Fassaden gegen den nachtblauen Himmel aber hier und da schimmert es, leuchten:

Lichter in der Nacht!

Am Straßenrand, dort wo die Taxen parken, steht ein schmächtiges Bäumchen mit elektrischen Kerzen, die an Zweigen auf und nieder tanzen. Wie ein Kind das sich freut - habe ich das eben tatsächlich gedacht?

Ein Omnibus ist an mir vorübergefahren - fünf, sechs Lichter, die schon wieder in der Dunkelheit verschwunden sind. Aber der Fahrer hat mir zugewinkt - tröstlich, versöhnlich: `sieh mich an, ich muß noch unterwegs sein`. Ich hebe ebenfalls meinen Arm und höre meine Stimme die sagt: "Frohe Weihnachten - du"!

Durch unverschlossene Gardienen eines Wohnzimmers sehe ich einen beleuchteten Christbaum. Da sind Stimmen von Kindern, Erwachsenen und alten Menschen - von einer Familie. Stille Nacht - heilige Nacht . . . singen sie. Wie beneide diese Menschen um diese fröhliche und zugleich feierliche Andacht.

In meinen Gefühlen, Gedanken bin ich mit einem Mal ein kleines Mädchen.
Ich bin zu Hause und stehe vor dem leuchtenden Christbaum, so wie er mir vertraut war. Auch die, auf Sternschnuppen reitenden, Engel hängen daran.
Da ist das erste und einzige, von meiner Mutti genähte, Puppenkleid. Ich ging damals noch lang nicht zur Schule doch weiß ich noch genau wie es aussah, denn ich hatte das gleiche Kleid aus einem mittelblauen Dirndelstoff mit feinen darauf gedruckten weißen Blättchen -

Verwundert frage ich mich: woher kommen denn diese verborgenen Erinnerungen? Es ist wohl so; nur als Kind kann man reine Freude empfinden doch sie nicht bewerten und nicht in ihre Fülle erinnern.
Ich ertappe mich bei dem Gedanken: Die Zeit müßte sich - nur für einige Augenblicke - zurückdrehen lassen.
Es geht nicht! - oder - habe ich das gerade eben getan?

Einmal hat mir jemand erzählt; wer in der Christnacht einen Stern fallen sieht und sich schnell etwas wünscht, dessen Wunsch geht in Erfüllung. Ich habe einmal einen Stern fallen sehen - oder - hat es nur so geschienen? Das Pferd das ich mir schnell wünschte bekam ich nie.

In absoluter Dunkelkeit bleibe ich lange stehen -

Mir wird bewust welch langen, sehnsüchtigen Dialog ich mit meinen unterschiedlichsten Gefühlen hatte - oder so denke ich - hatte ich ihn mit Gott?

Spannungen sind von mir abgefallen und ich habe das Gefühl in einem 'ganz hellen Licht' zu stehen.

Ich muß lächeln - Christnacht - es ist doch keine Nacht wie dutzende Nächte vorher oder nachher.
Ich gehe nach Hause und weiß: für mich ist jetzt auch Weihnachten geworden

(von Bärbel Stephan, geb. Lamarche)

Ich wünsche Euch allen, daß Ihr immer wieder aufs Neue, auch in diesem Jahr, das weihnachtliche Licht als Lebensgeschenk empfangt und damit das kommende Jahr beleben könnt.

In diesem Sinne wünscht ich Euch ***** FROHE WEIHNACHTEN *****
Bärbel Stephan

Bürgerreporter:in:

bärbel stephan aus Peine

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