Froh ein Atheist zu sein... Teil 1: Wertigkeiten

In einem Leserbrief an die Braunschweiger Zeitung hatte ich mich zur Einseitigkeit einer CDU- Bundestagsabgeordneten geäussert die sich in schöner christlicher Tradition gegen religiöse Gewalt gewandt hatte – zur Gewalt gegen Christen in Pakistan, natürlich. Die Charta der Menschenrechte proklamiert die Freiheit der Religion für jeden – egal um welche Religion es sich handelt. Doch Gewalt von Christen gegen andere wie z.B. Homosexuelle oder Gewalt anderer Religionen gegeneinander – das war nicht ihr Thema. Geht der Dame ihre Religion vor den universellen Menschenrechten?

Ich bekam daraufhin einen Brief eines älteren, strenggläubigen Christen, Anhänger einer Freikirche, und seitdem stehen wir in einem kontinuierlichen Briefwechsel.
In seinen letzten beiden Briefen schrieb er über das Verhältnis von Atheisten zu Christen daß sich „auf geistiger Ebene ein australischer Ureinwohner mit einem Atomphysiker“ nicht unterhalten können; daß ein Humanist(!) nicht mit einem von Gott beschenkten geistlichen Menschen übereinkommen könne und fügt gleich noch einen Hinweis auf Erasmus v. Rotterdam´s „Lob der Torheit“ an.
Im darauffolgenden Brief bittet er um Entschuldigung dafür – und legt gleichzeitig nach mit der Behauptung daß ich als Atheist wohl die Tatsache(!) als störend empfände daß Christen (wobei er natürlich seine Ausgabe des Christentums meint) eben besser dran seien.

Sind Christen – oder besser, religiös Gläubige wirklich besser dran?
Ein guter Ansatz einmal die Standpunkte, Einstellungen und deren Auswirkungen zu überprüfen.

Gläubige und vor allem Priester und missionarisch Tätige (dazu ist jeder Christ ja aufgerufen – was sich auch hier auf mh mehr oder weniger offen darstellt) sehen Religion im allgemeinen als Stütze, als Korsett für das Leben des Menschen an, etwas auf dem er sich abstützen kann (und muß, wenn es nach ihnen geht). Gerade die abrahamistischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – teilen die Menschheit erst einmal auf in Gläubige, Anders- und Nichtgläubige und bilden selbstverständlich hieraus eine Rangordnung – erst einmal der eigene Glauben.
Der Nächste ist tatsächlich nur derjenige der derselben Glaubensgemeinschaft angehört, und dahinter hört die Nächstenliebe auch schon meist auf – und das trifft natürlich auch auf die vielen Verästelungen des Christentums und anderer Religionen zu.
Wenn wir uns einmal die gesellschaftliche Schichtung von Fremdenfeindlichkeit und der zunehmenden Islamophobie in Deutschland ansehen so stellen wir fest daß gerade ältere, materiell abgesicherte Menschen – Männer mehr als Frauen – diese Standpunkte vertreten – also diejenige Schicht die sich überproportional als gläubige Christen bezeichnen....
Bei einem Atheisten fällt diese Hierarchie meist (aber nicht immer) weg – wenn man bedenkt daß Atheismus nicht zwingend einen religiösen Glauben ausschließt und kulturelle Abneigungen sowieso nicht.

Ich habe mit zunehmender Entfernung vom Christentum bemerkt daß ich nicht mehr Gläubige und Ungläubige sondern nurmehr Menschen sehe, und mich mit ihnen, auch über ihren Glauben unterhalten, was sehr eindrucksvolle Impulse geben kann – sei es beim Besuch einer Moschee in Afghanistan, dem Gespräch mit Juden in Tel Aviv, dem Vortrag eines afrikanischen Prinzen über Voodoo, der Beschäftigung mit den Naturglauben der nordamerikanischen Stämme bis sie von Christentum „bekehrt“ wurden.
Welch ein immenser Verlust an Kultur...

Als Atheist kann ich mich anderen Menschen respektvoll nähern und mir ohne religiöse Scheuklappen und imaginäre Ohrenstopfen deren Lebenseinstellung anhören ohne den Drang zu verspüren ihnen irgendeine „frohe Botschaft“ überstülpen zu müssen.
Welch ein Gewinn für den eigenen Horizont...

Allerdings wird dies Gespräch immer schwieriger je orthodoxer der Glauben meiner Gesprächspartner ist, oftmals ist es schlicht ausgeschlossen sich als Atheist zu outen, für Strenggläubige, insbesondere aber bei Muslimen wird man meist zum Paria.
Besonders gereizt reagieren religiöse Menschen wenn man es wagt ihre Glaubensinhalte infrage zu stellen. Merkwürdigerweise reagieren viele Juden, aber auch Muslime hier liberaler als die meisten Christen – die brechen das Gespräch oft ab; auch das ist hier bei mh gern zu beobachten. Ein Pfarrer ist wohl auch Narziss, liebt offensichtlich den Beifall und haßt das Streitgespräch.
Für mich ein Zeichen von Schwäche...

Mir ist es immer ein Bedürfnis meinen Standpunkt zu überprüfen und zu hinterfragen; das geht jedoch nur im offenen Dialog auf Augenhöhe in dem jeder seine Inhalte offenlegt und an denen des Gesprächspartners mißt.
Als Atheist kann ich das, solange das Gespräch auf der sachlichen Ebene bleibt, aber auch gegenüber ins Persönliche gehendes habe ich inzwischen eine merklich höhere Toleranzschwelle gegenüber gerade Christen – die machen für sich leider, wie auch viele Muslime ein Recht auf Sonder-Beleidigtsein geltend.
Überlegenheit sieht für mich anders aus.

Teil 2: Religiöse Werte
http://www.myheimat.de/peine/gedanken/froh-ein-ath...

Bürgerreporter:in:

Edgard Fuß aus Tessin

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