Umfrage an der Haustür

Als ich Urlaub hatte, klingelte es an der Haustür. Draußen stand ein junger Mann. Er fragte mich, ob ich Vorurteile gegenüber jugendlichen, entlassenen Strafgefangenen hätte und ob er eine ganz kurze, anonyme Umfrage mit mir machen dürfe.
Anonym, wenige Minuten - ok, mal hören, was er wissen möchte.
Da bräuchte er aber eine kleine Ecke vom Tisch irgendwo, meinte er. Na gut, mein Mann ist im Haus, ich ließ ihn in die Küche (was ich sonst nie mache, wenn ich jemanden nicht kenne!). Er stellte seine Fragen, die ich beantworten konnte, ohne wirklich etwas von mir preisgeben zu müssen. Bei der Frage, wer diesen Jugendlichen, "die mal eine Dummheit gemacht haben", helfen könnte, habe ich die Kirche genannt. Diesen Punkt hatte er - obwohl eine lange Liste vorausging - noch nicht auf dem Zettel. So, alle Fragen beantwortet, outete er sich selbst als Ehemaliger, der mal eine Dummheit gemacht habe - darauf
war ich aber schon längst gekommen. Er holte einen Zettel aus seiner Geldbörse und breitete ihn umständlich und viel-redend vor uns aus (mein Mann war inzwischen hinzu gekommen). Ich sah auf den ersten Blick die Namen von bekannten Illustrierten und winkte ab - brauchen wir nicht! Er meinte, es ginge nicht um Abos oder Zeitschriften, sondern darum, dass er noch soundsoviel Punkte bräuchte, damit er eine Ausbildung zum Altenpflege-Helfer machen dürfe etc. Ich erklärte ihm, dass wir auf gar keinen Fall eine Zeitschrift abonnieren werden. Er erläuterte wieder und wieder, es ginge doch nicht um die Zeitschriften, sondern darum, ihm zu helfen... und er bräuchte doch die Punkte, im Dorf hätten viele Leute schlechte Laune und würden ihm die Tür vor der Nase zumachen, aber manche helfen auch, selbst wenn sie die Zeitschrift gar nicht bräuchten usw. usw.
Es war ja nicht so, dass wir ihm nicht helfen wollten. Mein Mann bot ihm also an, wenn er seinen Namen und seine Telefonnummer aufschreiben würde, dass er sich für ihn erkundigen würde, ob eine Ausbildung oder Umschulung nicht auf legalem Wege möglich wäre. Der junge Mann packte seinen "Punkte-Zettel" wieder ein, erklärte, er habe kein Telefon und kenne auch niemanden bei dem wir ihn erreichen könnten, redete noch eine Menge Zeug und verabschiedete sich dann bald (was mich wiederum nicht erstaunte).
Jetzt interessiert uns, wie andere Menschen darauf reagiert haben, bei denen er auch war und welchen Eindruck sie von der Geschichte haben. Vielleicht ist es auch eine
Warnung für die, bei denen er noch nicht war und die evtl. nicht mehr "Nein" sagen mögen, wenn er ihnen erst einmal sein Schicksal geschildert hat ...

Bürgerreporter:in:

Kirsten Steuer aus Pattensen

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