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Rutha – Ein Leben im Paradies

Als ich sie das erste Mal traf, war ich geschockt.
Da lag ein Kind mit einem Hungerbauch irgendwie zum sterben.

Ich hatte mir vorgenommen möglichst jeden Tag einen Spaziergang von mindestens einer Stunde zu machen. Das ist in dem Teil in Afrika in dem ich war nicht so einfach. Es musste immer ein „Journey Management“ gemacht werden, das heißt man geht nur auf gesicherten und bekannten Wegen, man gibt die Wegführung an und hat immer mindestens einen Begleiter (Bodyguard, Assistent, Vorarbeiter) mit sich. Die Zeit, wann man wieder zurück sein will muss man auch angeben. Mobiltelefon funktioniert in diesen Gegenden nicht. Nur die Buschtrommel. Ist man nicht rechtzeitig zurück, wird eine Suchaktion gestartet. Auch das ist schon vorgekommen. Unser Camp war im Gebiet der Nuer im Südsudan. Für Notfälle hatte ich mir einen Zettel mit 200 Worten Nuer – Englisch übersetzen lassen. Einige Nuer können aber auch etwas englisch oder arabisch sprechen, die offizielle Landessprache des Sudan. Da aber im „christlichen“ Südsudan in den Sümpfen des Sudd kaum Schulen vorhanden sind, weder Geburten oder Todesfälle registriert werden fühlt man sich wie in eine Zeitmaschine gesetzt, in der man im Garten Eden vor 2000 Jahren gelandet ist.

Weil Kinder zuvor noch nie einen „Weissen“ gesehen hatten, liefen sie zum Teil schreiend in ihren Kral. Zum Teil kamen die Mütter mit den Kindern auf dem Arm zurück, weil sie dachten ich wäre ein Arzt. Sie zeigten mir Hautausschläge und andere Krankheiten ihrer Kinder. Männer waren sehr selten zugegen. Zum Teil hatte ich die Kinder fotografiert und die Bilder unserem Arzt im Lager gezeigt. Der erklärte mir dann, das es sich um „Masern“ oder andere Kinderkrankheiten handelt, wir da aber nichts unternehmen würden. Wir hatten einmal ein Kind das gestürzt war mit dem Hubschrauber in eine Klinik fliegen lassen. Es wurde geröntgt und weil nichts Ernsthaftes vorlag, flog es wieder mit zurück und wurde vom Vater in Empfang genommen und nach Hause gebracht. Soviel Aufwand wegen einer Person macht misstrauisch. Der Vater ging mit seinem Kind zu einem Medizinmann, der dem Kind die Schädeldecke aufschnitt um das Böse herauszulassen. Als alter Kampfgefährte ging er zusätzlich zum Kommissar der zugleich auch Richter vor Ort war. Dieser forderte gleich 1 Million US Dollar als Entschädigung, weil wir den Schädel des Kindes gebrochen hätten. Unsere Fotos und Röntgenbilder als Gegenbeweis haben ihn nicht interessiert. Nach langen Verhandlungen bekam der Vater meines Wissens 25 Kühe und der Kommissar 50 Tausend US Dollar. So läuft das manchmal und deshalb musste man sehr sehr vorsichtig vorgehen wenn man helfen wollte. Alles Offizielle muss eben über den Kommissar (Warlord) gehen, der immer seinen Anteil an allem haben will. Natürlich nur zum Wohle seiner Leute und seines Bankkontos in Nairobi (Kenia).
Offiziell hatten wir drei große Hilfsleistungen durchgeführt.

Dieses Kind (Mary) hatte mir keine Ruhe gelassen. Ich beauftragte meinen Vorarbeiter bei größter Verschwiegenheit im nächsten Dorf für 5 $ alles zu kaufen, was man für eine Woche braucht und es mir auszuhändigen. Ich packte alles in einen Rucksack und am übernächsten Tag ging ich mit meinem Vorarbeiter James Kuol heimlich zu dem Kral.

Um Entführungen vorzubeugen, durften wir nie zwei Tage hintereinander dieselbe Strecke gehen wenn wir kein Militär mit uns hatten. Das Militär war unser Schutz aber auch eine Art Überwachung des Kommissars und Gouverneurs. Gute Informationen über die Sicherheit in Afrika gibt es bei der BBC. Diese sind auch wichtig für Südafrikareisende während der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft. Das Entführungen und Morde immer noch passieren siehe auch: http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/8611970.stm
Man sollte natürlich auch das Auswärtige Amt anklicken und sich durchhangeln.
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinf...
Die BBC ist da aber wesentlich aktueller.

Es stellte sich heraus, dass James der Vorarbeiter irgendwie mit Rutha verwandt war. So wurde ich dann mit ihm in den Kral eingeladen. Rutha bot an für uns als Gegenleistung eines der Hühner zu schlachten, was ich aber diplomatisch ablehnte.
Rutha stammt aus der Nähe von Bentiu, ist katholische Christin und hatte für 25 Kühe, die ihr Vater als Brautpreis bekam, nach Koch geheiratet. Sie hatte in der Schule (oder Kirche?) lesen und schreiben gelernt und war ihrem Mann 80 km bis in die Nähe von Koch in einen Kral gefolgt. Ihr Mann hatte aber in Koch keine Arbeit, sie einfach verlassen um Arbeit zu suchen und dem Familienclan in ihrem Kral überlassen.

Nach vier weiteren Wochen war es mir dann möglich auch in die Hütte mitgenommen zu werden und Fotos zu machen. Rutha hatte mittlerweile meine kleinen Essensrationen im Clan weitergegeben und hatte eine Frau als Amme für Mary gefunden.

Nachdem unser Auftraggeber und meine Firma insgesamt über zwei Monate erpresst wurden (nicht nur die Piraten vor Somalia tun sowas), hatte man sich entschieden, das Projekt abzubrechen und das Gebiet zu verlassen.
Für mich war das das Ende meiner Tätigkeit in Afrika.

Die Deutsche Welthungerhilfe ist weiter in Afrika tätig. Darüber habe ich schon berichtet.

  • Das Wasserloch, im Hintergrund Ruthas Kral.
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  • Hier wäscht man sich auch und die Bekleidung.
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  • Nachts und bei Regen lebt man in der Hütte
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  • Die Kleider werden an Schnüren aufgehängt.
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  • Das ist die Küche, hier wird das Getreide gemahlen
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  • Für mich wurden extra Kleider angezogen
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  • Sorghum, eine mannshohe Hirseart wird hier gemahlen.
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  • Rutha stampft große Bohnen oder Erdnüsse
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  • Rutha liest aus der Bibel (In Nuer) vor.
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  • Die Amme versorgt auch Mary zwischendurch.
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  • So hilft man sich gegenseitig die Kinder zu sättigen.
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  • Zur Kirche sind es nur wenige Kilometer.
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9 Kommentare

Da ist der Begriff Paradies schon recht zweideutig gewählt. Bei Adam und Eva dürfte deine Beschreibung allerdings auch zutreffen. Wie "romantisch" auch die Vorstellung sein mag, für ein paar Tage allem Luxus zu entsagen, ich denke, mit der Selbstverständlichkeit der uns hier zur Verfügung stehenden Alltagsausrüstung würden wir uns dort nicht lange gut fühlen.

Ich habe es ähnlich erlebt, wie es K.H. beschreibt. Doch überall da, wo Armut herrscht, grassiert auch Korruption. Und leider ist es so: Von Nord nach Süd und West nach Ost nimmt das Leiden der Bevölkerung zu. Was bleibt dem reichen Norden anderes übrig, um nicht überflutet zu werden: massiv dazu beitragen, dass es den Menschen vor Ort sukzessive besser geht. Dann bleibt man auch vor Ort und nimmt nicht die so oft tödlichen Fluchtwege auf sich. Aber noch etwas gehört dazu, das Leiden zu beseitigen, nämlich die Bevölkerungsexplosion zu stoppen. Und da trägt der Glaube eine große Mitverantwortung. Wir müssen zurückgeben, was wir als Kolonialmächte genommen haben. Nicht Bilder und Kunstgegenstände, sondern Werte, welche das Überleben und mehr sichern. Doch dazu gehört auch , dass nicht qualifizierte Fachkräfte aus den Entwicklungsländern abgezogen werden. Die werden in ihren Heimatländern gebraucht und nicht bei uns. Wir könnten uns Fachkräfte selbst heranziehen, denn wir haben, eigentlich, ein funktionierendes Schulsystem.

Da kann ich dir voll zustimmen.
Korruption habe ich aber auch in Russland, Kasachstan, Aserbaidschan, Georgien, Tunesien, Libyen, Algerien, den Emiraten etc. erlebt.

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