Charly unser Mauerhund - 20 Jahre nach dem Mauerfall - Teil 2

6. April 2009
TREFF HOTEL Panorama, 98559 Oberhof

Liebe Leserinnen und Leser. Es folgt der 2. Teil

Das lange Warten auf Charly

In den nächsten Wochen verging kein Tag an dem wir nicht über Charly gesprochen haben. Pia kaufte von ihrem Taschengeld ein Körbchen. Ria nähte mit Lisa Decke und Kissen. Ich schrieb an das Ministerium für Veterinärwesen der DDR und schilderte unser Anliegen und bat um Ausreise für Charly. Das lange Warten auf Antwort stellte uns alle auf eine harte Geduldsprobe.
Nach mehr als 3 Wochen kam endlich der lang ersehnte Brief vom Ministerium. Darin stand, dass der Kreistierarzt ein Veterinärzeugnis ausstellen wird. Charly musste dort von Lothar zum Tierarzt gebracht werden, damit dieser ihn untersuchen und gegen Tollwut impfen konnte. Außerdem wurde uns in dem Brief mitgeteilt, dass das Ministerium für die Ausreise 200 DM verlange, die wir dem Tierarzt zu zahlen hätten. Am 25.11.1985 müssten wir mit Charly die DDR wieder verlassen haben. Also fuhren wir alle sehr aufgeregt am 24.11.1985 wieder in die DDR um Charly zu holen. Die Fahrt war sehr beschwerlich, denn es hatte in der Nacht kräftig geschneit, sodass die Strassen sehr glatt waren. Kurz vor Charlys Elternhaus passierte es. Das Auto fing an zu schlingern, ich versuchte immer gegenzulenken. Da ich aber den Wagen auf der glatten Straße nicht mehr unter Kontrolle bekam, schrie noch alle festhalten, bevor das Auto in den Graben rutschte.
Als der Wagen im Graben gelandet war, war es einen Augenblick ganz still. Auf einmal sagte Pia: „ Gut das Charly noch nicht mit im Auto war, sonst wäre ihm vielleicht etwas passiert “. Wir stiegen alle ohne Blessuren aus dem Auto. Als wir alle auf der Straße standen, hatten wir das Glück, dass gerade in diesem Moment ein Trecker auf uns zukam. Ich hielt ihn an und bat den Fahrer uns mit dem Trecker raus zu ziehen. Nachdem das geschafft war, bedankten wir uns bei dem Treckerfahrer. Ich gab ihm für seine Hilfe 20 DM. An unserem Auto waren keine Beulen, weil der tiefe Schnee wie ein dickes Polster wirkte. Somit konnten wir die Fahrt zu Charly fortsetzen.
Als wir auf den Hof fuhren, kam uns Charly mit Kitti schon entgegen. Wir haben ihn fast nicht erkannt, denn er war in den 4 Wochen mindestens doppelt so groß geworden. Charlys Zwillingsbruder hatte Lothar am gleichen Morgen zum Jäger gebracht. Er berichtete uns, dass der Tierarzt am nächsten Morgen sehr wenig Zeit hat und wir bevor wir hinkommen bei seiner Frau anrufen sollen.

Am nächsten Morgen drängelte Pia schon ab 7:00 Uhr, dass wir nun endlich den Tierarzt anrufen sollen. Um 9:00 Uhr riefen wir an und waren alle sehr aufgeregt. Die Frau erklärte uns, ihr Mann sei nicht da und wir sollten es gegen Mittag wieder versuchen. Die Zeit des Wartens verging nicht, bis wir endlich wieder anrufen konnten. Beim nächsten Anruf vertröstete uns die Frau auf Nachmittag. Kurz vor 15 Uhr schlug ich vor, mit Charly zum Kreistierarzt zu fahren. Dies taten wir dann auch. Als wir ankamen, war der Tierarzt nicht bereit das Veterinärzeugnis zu unterschreiben und den Grenzkontrollschein auszustellen. Pia und Lisa fingen bitterlich an zu weinen und flehten den Tierarzt an, ihnen ihren Herzenswunsch, Charly mit nach Hause zu nehmen zu können, zu erfüllen.
Nachdem auch die Frau des Tierarztes hinzukam, steckte ich ihr einen Hundertmarkschein in die Kitteltasche. Die Frau hat danach ganz energisch auf ihren Mann eingeredet, dass er nun endlich die Unterlagen unterschreiben und herausgeben sollte. Zähneknirschend gab er uns alle Unterlagen und kassierte von mir die 200 DM fürs Ministerium. Für seine Arbeit verlangte er ebenfalls 200 DM. Trotz der gezahlten 500 DM fuhren wir alle glücklich zurück, denn für Charly hätten wir alles Geld der Welt ausgegeben.
Gegen Abend fuhren wir, nachdem sich Charly von seiner Mutter und wir von Lothars Familie verabschiedet hatten, in Richtung Grenze. Glücklicherweise hatte es tagsüber den ganzen Schnee weggetaut und wir konnten auf wieder abgetrockneten Strassen fahren. Charly saß in dem mitgebrachten Körbchen zwischen Lisa und Pia.
An der Grenze angekommen, musste ich wegen Charlys Ausreise alle Formalitäten erledigen. Die uniformierten Grenzbeamten kontrollierten unseren Innenraum im Auto. Bei der Veterinärhygienischen Grenzkontrolluntersuchung war er wohl so aufgeregt, dass er bei dem Grenztierarzt auf den Tisch pieselte. Ich nahm schnell mein Taschentuch und wischte den kleinen See weg. Der Tierarzt gab uns schnell die Papiere und wünschte uns gute Fahrt. Wir gingen ganz schnell zum Auto und fuhren davon. Als wir die Grenzanlagen im Dunkel der Nacht nicht mehr hinter uns erkennen konnten, fiel uns allen ein Stein vom Herzen.
Aber wir waren alle erleichtert und glücklich es geschafft zu haben. Die restlichen 100 Kilometer gingen rasend schnell und wir kamen um 22:00 Uhr mit Charly glücklich und zufrieden zu Hause an.

Bürgerreporter:in:

Udo Pohl aus Barsinghausen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

4 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.