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Öffnung der "Südharzstrecke" am 12. November 1989

- Strecke:

Nordhausen - Niedersachswerfen -
W o f f l e b e n - Ellrich - Bad Sachsa -
Bad Lauterberg - Scharzfeld - Herzberg a.H. -
Wulften - Katlenburg - Northeim

Aufstehen!
Wie ein Wecker dröhnt es in meinen Ohren. Die Stimme kenne ich doch! Was ist passiert? Ich sitze noch völlig verschlafen im Bett - es ist 07:00 Uhr und jetzt sind mein Mann und ich wach!

Meine Mutter steht im Schlafzimmer und ist völlig aufgeregt: "Zieht Euch schnell an, wenn Ihr wollt könnt Ihr mit dem Zug nach 'd r ü b e n' fahren." Vor drei Tagen war erst die Mauer gefallen und jetzt bot sich uns eine einmalige Gelegenheit über die Grenze zu fahren. Sie erinnert sich: "Ich hatte Frühdienst bei der Deutschen Reichsbahn. Gegen 05:30 Uhr bekam ich von einer Kollegin aus Nordhausen einen Anruf, dass ab sofort Blanko-Fahrkarten von Woffleben in Richtung Northeim verkauft werden dürfen."

Die Südharzstrecke
ist eine Eisenbahnstrecke, die ab dem 01.08.1869 zweigleisig von Northeim nach Nordhausen führte. Nach dem II. Weltkrieg wurde wegen Reparationsleistungen eine Gleisspur demontiert und seit dem wird die Strecke nur noch eingleisig befahren. Durch die Teilung Deutschlands war der an Ellrich angrenzende Walkenrieder Tunnel gesperrt und es kam hier zu dramatischen Fluchtversuchen. In Woffleben mussten zu DDR-Zeiten alle Personen aussteigen, die keinen gültigen Passierschein nach Ellrich hatten. Einen Bahnhof gibt es hier seit 1906. Das Fahrkartengebäude steht inzwischen leer, nachdem es nochmal saniert wurde blättert nun die letzte Farbe ab. Züge halten zur Zeit im Stundentakt und sind ein wichtiges Verkehrsmittel für die Woffleber. Mein Tipp: unter S ü d h a r z s t r e c k e steht bei wikipedia ein schöner Artikel dazu.

Erinnerungen
Meine Mutter war damals Angestellte bei der Deutschen Reichsbahn und arbeitete am Fahrkartenschalter vom Bahnhof Woffleben. Sie erinnert sich: "Zum nächsten Zug kamen schon die ersten Fahrgäste. Die meisten wollten bis nach Bad Sachsa fahren. Ich war zwischen zwei Zügen zu Hause, um Euch zu sagen, dass Fahrten nach Drüben möglich sind."

Also packten wir unseren fast drei-jährigen Sohn ein und wagten zusammen mit meiner Schwester eine Westreise nach Bad Sachsa - nur mit Personalausweis. Ich erinnere mich noch genau an die Anspannung, als wir im Zug standen - der war völlig überbelegt - und zusammen mit den anderen Fahrgästen aus den Waggonfenstern starrten. Als es dann in den Walkenrieder Tunnel ging und somit die innerdeutsche Grenze überfahren wurde, weinten viele vor überwältigter Freude.

"Als ihr abends bei meinem Dienstschluss nicht zu Hause wart, war mir schon sehr mulmig zu Mute. Ich hatte Angst die Grenze könnte wieder geschlossen werden." erinnert sich meine Mutter an den Tag. Da die Züge völlig überfüllt waren, war es gar nicht so einfach wieder in Richtung Heimat einsteigen zu können. - Tausende Menschen und wir mit Kleinkind mitten drin. Heute würde ich solche Leute als Spinner bezeichnen! -
Selbst Wochen und Monate später waren Züge und auch Straßen gen Westen total überfüllt. Und auch wir sind ab und zu zum Shoppen gefahren - doch es zog uns immer wieder nach Hause, denn: "Daheeme is Daheeme un is des Stückechen Brote noch so kleene!"

Was geblieben ist?
Die Neugier auf das Unbekannte zog uns magisch an, aber die Ernüchterung kehrte schnell ein und die folgenden Ereignisse brachte ab da eine Wende in die deutsch-deutsche Geschichte. Aber das ist eine andere Erinnerung!

Annett De., Woffleben

  • Original-Fahrkarte - damit sind wir gereist - DR-Deutsche Reichsbahn / DB-Deutsche Bundesbahn
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  • DDR-Personalausweis - ungültig gemacht
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  • Blick auf Woffleben - Strichel-Linie markiert die Bahnstrecke
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2 Kommentare

Sehr schöner Erinnerungsbericht! Danke Annett!

Ich denke jeder hat seine Erinnerungen an diese Tagen der Grenzöffnung. Ganz egal ob Ost oder West - es gibt positive und negative Erinnerungen.

Ich habe im nahen Grenzgebiet gewohnt und als ich mit meinem damaligen Freund (heute mein Mann) zu Fuß nach Hause lief - da kein Auto - wurden wir von Grenzern kontrolliert. Man musste sich ständig ausweisen können. Als Kinder durften wir nicht im Wald spielen, da dort Wachhunde an langen Laufketten lagen. Doch man konnte auf den Straßen Federball spielen, denn unsere Straße war für den Durchgangsverkehr der wenigen Autos gesperrt. Sie führte direkt nach drüben.

Es sind nur Erinnerungen und ich finde man sollte sie aufschreiben.

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