Wer die mit Riester und Hartz-IV geöffneten Schleusen . .

. . . nicht schließen will, soll von der Bekämpfung der Altersarmut schweigen!

. . . . Der Kongress lacht … und sollte wütend sein! . . . .

– Ein Erlebnisbericht mit Stellungnahme –

Am 27. Und 28.10.2016 veranstaltete die IG Metall einen Kongress zum „Sozialstaat 4.0“.

Rund 400 Teilnehmer waren zu der zum größten Teil auf Vorträgen und zu einem sehr kleinen Teil auf Diskussion ausgerichteten Veranstaltung eingeladen worden. Ein Schwerpunkt war dabei die Rentenpolitik und da insbesondere die betriebliche Altersversorgung (bAV). Sozialministerin Andrea Nahles erschien am 28.10. und gab auch Statements zu beiden Themen ab. Dabei passierte merkwürdiges. Auf ihre Worte:

„Ich stimme jedenfalls der IG Metall und dem DGB mit der Rentenkampagne zu. Es ist aller Ehre wert, die Stabilisierung der 1. Säule zu betreiben und das Absinken des Rentenniveaus auf die Rutschbahn zu verhindern. Wir brauchen eine anständige Haltelinie und ein vernünftiges Rentenniveau….“

bekam sie starken Beifall! Beifall dafür, dass sie den gesamten Kongress durch den Kakao gezogen hat, der in seiner großen Mehrheit nicht mitbekam, dass Andrea Nahles das genaue Gegenkonzept zu dem rentenpolitischen Beschluss des IG Metall-Vorstands verfolgt.

IG Metall: die gesetzliche Rentenversicherung muss wieder für lebensstanrdsichernde Renten sorgen. Betriebrenten sind lediglich als zusätzliche Versorgung sinnvoll. Siehe „Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung“.

Nahles: „die 2. Säule, die betriebliche Säule, hat einen keineswegs weniger wichtigen Charakter. Sie ist wichtig zur Erkämpfung, um Lebensstandardsicherung auch wirklich auszubauen und wirklich gewährlisten zu können.“ Zur Position Nahles siehe hier: Antwortschreiben an rentenpolitikwatch.de

Auf die Moderatorenfrage, welches denn die Haltelinie sein solle, antwortete Nahles: „das ist die 100.000 Dollar-Frage“, die sie noch nicht beantworten könne. Aber sie würde im Rahmen ihres im November vorgestellten Gesamtrentenkonzepts veröffentlicht werden.

Auf die Moderatorenfrage: „und (bei der betrieblichen Altersversorgung) hat die Ministerin die Rückendeckung der Gewerkschaften“

Antwortete Nahles: „Die haben mich ja getreten, sozusagen…“

(Gelächter im Plenum, Heiterkeit auf dem Podium)

„…sagen wir mal geschubst“

(noch mehr Gelächter im Plenum, ausgelassene Heiterkeit auf dem Podium – IGM Vorsitzender Jörg Hofmann findet es auch sehr lustig)

Ein Widerspruch zu der Theatervorstellung war nicht möglich. In den kurzen Diskussionsphasen zuvor, konnte ich 3 kleine Debattenbeiträge setzen, die als ganzes folgendes beinhalteten (den Zettel dazu konnte ich noch an ca. einem Viertel der Teilnehmer verteilen):

—–

„Kongress „Sozialstaat 4.0“ und die IGM Position zur Rente:

Guter Beschluss vom IGM-Vorstand: gRV reformieren und stärken; Lebensstandardsicherung durch Umlagefinanzierung; betriebliche Altersversorgung nur als add on.

Aber wird er auch konsequent umgesetzt?

Riester ist gescheitert – mit den geforderten 4% Sparleistung lässt sich die Versorgungslücke nicht schließen. Dazu wären nach heutiger Lage 8% bis 10% notwendig. Nicht einmal 25% derjenigen, die riestern sollen, tun das auch. Viele können nicht und viele wollen nicht, weil sie rechnen können oder misstrauisch sind.

Die jetzige Reform der bAV, soweit sie bekannt ist, ist Betrug: sie ist Riester 4.0.

Das Wort Betriebsrente ist Etikettenschwindel, eine glatte Lüge.

Die Entgeltumwandlung passiert aus meinem Lohn. Selbst wenn der Betrieb die eingesparten Sozialversicherungsbeiträge einzahlt, ist es immer noch ein Teil meines Lohnes. Der Betrieb tut gar nichts dazu. Er überweist nur mein Geld und bestimmt darüber hinaus, an wen er es überweist.

Die 4%, die noch bei Riester als notwendig erachtet wurden, werden jetzt auf 7% erhöht.

Sieben Prozent!

Abgesehen davon, dass die 7% nach gegenwärtigem Stand zum Schließen der Versorgungslücke nicht ausreichen werden:

Das sind 7 %, die zur Finanzierung der gRV fehlen. Wo sind die Sozialpolitiker in der IG Metall, die die Alarmglocken läuten? Denn das sollten sie. Statt die gRV zu stärken – siehe Vorstandsbeschluss – wird sie eklatant geschwächt.

Das sind auch 7 %, die ab sofort nicht in den Konsum gesteckt werden können. Wo sind die Volkswirtschaftler in der IG Metall, die die Alarmglocken läuten? Denn das sollten sie. Statt die soziale Lage der Menschen in diesem Land zu verbessern, in dem die Nachfrageseite gestärkt und darüber die Wirtschaft belebt wird, geschieht genau das Gegenteil.

Wenn ich als abhängig Beschäftigter, der 7% von seinem brutto zahlt, dann noch für die erforderliche Anhebung der Beiträge zur gRV Verständnis aufbringen soll, werde ich wohl kaum begeistert sein.

Ich werde auch nicht über meine Gewerkschaft begeistert sein, wenn sie mich in den ganzen Schlamassel „konstruktiv“ hineinbegleitet hat.

Die „neue“ betriebliche Altersversorgung ist Lichtjahre von den alten Direktzusagen der Betriebe entfernt.

Sie ist dafür umso dichter an den Interessen der Versicherungskonzerne und der Arbeitgeberverbände gekoppelt worden. Die haben die „Reform“ auch sehr intensiv begleitet und äußern sich auch außerordentlich zustimmend.

Endlich hat man einen Weg gefunden, die Privatvorsorge obligatorisch zu machen. Der Freiwilligkeits-Mangel der Riester-Vorsorge wurde geheilt.

Die Betriebe werden aus der Versorgungszusage, also aus der Haftung, entbunden.

Die Betriebe gehen immer stärker aus der paritätischen Finanzierung der Altersversorgung heraus.

Die Versicherungskonzerne generieren endlich die zusätzlichen 15 bis 25 Milliarden € Einnahmen pro Jahr. Das heißt der Kapitalstock, mit dem sie Jahr für Jahr ihre Profite steigern können, wird über einen sehr langen Zeitraum rasant anwachsen.

Die Riestersche Ölquelle der Finanzindustrie bekommt einen zusätzlichen Treibsatz injiziert.

Und was machen wir?

Wir reden noch nicht einmal darüber!

Und komme mir keiner mit Tarifverträgen, mit denen wir ja einiges milder und erfolgreicher gestalten könnten.

Sozialstaat heißt nicht, dass einige wenige Beschäftigtengruppen, das Beste für sich herausholen und bei dem Elend der anderen wegschauen. Oder mit der wohlfeilen Empfehlung daher kommen, die Schwachen sollten sich doch besser organisieren.

Ihr wisst hoffentlich noch, dass die IG Metall über viele Jahre entschiedener Gegner des gesetzlichen Mindestlohns war? Obwohl ich heftig gegen diese unsägliche Position in der IG Metall gekämpft habe, schäme ich mich immer noch für meine Gewerkschaft.

Und: glaubt hier einer in dieser Runde, dass wir mit dem Schmusekurs mit den sozialdemokratisch geführten Sozialministerien irgendeinen Menschen aus dem Dunstkreis der rechtssozialen Demagogie von AfD oder NPD gerissen bekommen?

30% der Arbeiter sollen dieses Jahr in Mecklenburg Vorpommern die AfD gewählt haben. Die haben mittlerweile schon eine Gruppe AidA: „Arbeitnehmer in der AfD“.

Die Frage, wie stark wir uns für einen solidarischen Sozialstaat machen, hat eine sehr weitreichende Bedeutung. Eine erfolgreiche Rentenpolitik hat dabei eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.

Dazu gehört aus meiner Sicht:

– Ablehnung der gegenwärtigen „Reform“ der bAV.

– Ausstieg aus der Entgeltumwandlung.

– Ausstieg aus der MetallRente.

(Reiner Heyse, Kiel)“

Zu den anderen üblichen Begleitargumenten von Andra Nahles möchte ich mich an dieser Stelle nicht weiter auslassen, obwohl es empörend ist, wenn sie z.B. den „interessengeleiteten Fatalismus zur gesetzlichen Rente“ kritisiert, oder als „Hauptarmutsopfer die Erwerbsminderungsrentner“ beklagt. All das ist einfach so da. Die Agenda 2010, die Renten“reformen“ haben mit dem ganzen nichts zu tun…

.

Bürgerreporter:in:

Ingeborg Steen aus Moormerland

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