Fakten gegen Volksverdummung

Griffe in die Rentenkasse – Fadenscheinige Begründungen

Mit freundlicher Genehmigung von K. Albrecht

Das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung wird seit Jahren untergraben; der Staat selbst verfälscht und belastet die Finanzsituation der Rentenkasse. Über
600 Milliarden Euro wurden seit 1957 von den Beiträgen der Rentenversicherten für staatliche Aufgaben, den “versicherungsfremden (nicht beitragsgedeckten) Leistungen
verwendet. Die “Bundeszuschüsse” für die Rentenkasse waren von 1957 bis heute entsprechend niedriger als die aus der Rentenkasse gezahlten “versicherungsfremden Leistungen”.
Die offiziellen Begründungen auch der Regierung Merkel sind mehr als fadenscheinig:

Begründung der Bundesregierung warum sie versicherungsfremde (nicht beitragsgedeckte) Leistungen der Gesetzlichen Rentenversicherung nicht vollständig erstattet!
Quelle: Drucksache 17/10696 – 36 – Deutscher Bundestag
Seite 36). Antwort der Bundesregierung auf die Frage 42. Abgeordneter Matthias W. Birkwald:

“Wie bewertet die Bundesregierung das Ergebnis der Neuberechnung des Verhältnisses nicht beitragsgedeckter Leistungen und der Bundeszuschüsse zur allgemeinen Rentenversicherung Reineke 2012: Nicht beitragsgedeckte Leistungen und Bundeszuschüsse in der allgemeinen Rentenversicherung in: Deutsche Rentenversicherung 1/2012, S. 1 bis 4), nach dem für das Jahr 2009 eine Unterdeckung von 13,4 Mrd. Euro bestand, und welchen finanzpolitischen Handlungsbedarf zur Behebung dieser Unterdeckung sieht sie?

Zitate aus der Antwort der Bundesregierung:

1.
“Zum Begriff der nicht beitragsgedeckten Leistungen existiert keine einheitliche Abgrenzung.” “Die Ergebnisse wurden auf der Grundlage einer engen und einer weiter gefassten Abgrenzung des Begriffs der nicht beitragsgedeckten Leistungen ermittelt. Diese Modellrechnungen sind nach wie vor aussagekräftig. Dies bestätigt auch die im Jahr 2011 aktualisierte Berechnung der Deutschen Rentenversicherung Bund für das Jahr 2009.” “Gegenüber der weiter gefassten Abgrenzung fallen die Bundeszuschüsse laut den Modellrechnungen im Jahr 2009 rechnerisch rund 13,4 Mrd. Euro geringer, gegenüber der engen Abgrenzung rechnerisch rund 10 Mrd. Euro höher aus.”

2.
“Die Höhe der Bundeszuschüsse zur allgemeinen Rentenversicherung ist gesetzlich eindeutig geregelt. Die Bundesregierung sieht hier keinen Handlungsbedarf.”

3.
“Über die mit der nicht einheitlichen Begriffsdefinition verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten hinaus haben die Leistungen des Bundes nicht ausschließlich das Ziel, nicht beitragsgedeckte Leistungen zu finanzieren.” “Sie sind multifunktional. Der Bund beteiligt sich in erheblichem Umfang an der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung und gewährleistet insbesondere mit der allgemeinen Sicherungsfunktion der Bundeszuschüsse die dauerhafte Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung.”

In meinen Ohren klingt diese offizielle Begründung wie eine Verhöhnung der rund 52 Millionen Rentenversicherten der Gesetzlichen Rentenversicherung. Ich halte das für unsoziale und vorsätzliche Missachtung – andere sprechen von Betrug und Plünderung der Rentenkasse – der Eigentumsrechte der GRV-Versicherten. Zudem untergraben diese hohen Milliarden-Fehlbeträge der Rentenkasse das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung entscheidend.

Kritik an der Begründung der Bundesregierung

Zu 1.
Abgrenzungsschwierigkeiten seit Jahrzehnten? Klärung (Definition mit Kompromissen durch Expertengremien) wäre die selbstverständliche Vorgehensweise und ist in jedem anderen Fall übliche Praxis! Modellrechnungen mit Unterschieden zwischen -13,4 Mrd und +10 Mrd der Bundeszuschüsse sind keinesfalls aussagekräftig sondern höchst unseriös!

Zu 2.
Die Höhe der Bundeszuschüsse zur allgemeinen Rentenversicherung sind eben nicht gesetzlich eindeutig geregelt, weil sie in einem großen Umfang versicherungsfremde (nicht beitragsgedeckte) Leistungen der GRV in Milliarden Höhe enthalten, die trotz detaillierter Regelungen des umfangreichen Sozialgesetzbuch VI nicht eindeutig abgegrenzt werden und deren Kosten nicht korrekt erfasst und ausgewiesen werden. Es besteht seit 1957 hoher Handlungsbedarf.

Zu 3.
Der Bund hat auch die nicht beitragsgedeckten Leistungen der GRV aus *Steuern zu finanzieren und der GRV vollständig zurück zu erstatten. Und darüberhinaus im Rahmen der allgemeinen Sicherungsfunktion des Bundes die dauerhafte Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern, d.h. erforderlich werdende zusätzliche Finanzmittel bereit zu stellen.

Wie abstrus auch diese aktuelle Argumentation der Bundesregierung Merkel ist, wird deutlich, würde beabsichtigt diese Argumentation gegenüber dem Staat geltend zu machen:
Privatunternehmen und Steuerzahler, oder die abhängig Beschäftigten (mit ihren steuerrechtlich völlig kontrollierten und bis ins kleinste Detail bestimmten Erwerbseinkommen), würden niedrig angesetzte Steuerschuld-Modellrechnungen wegen “Abgrenzungsschwierigkeiten” ihrer Leistungsschuld gegenüber dem Bund (Staat) geltend machen.

*Siehe auch
GUTACHTEN DES SOZIALBEIRATS ZUM RENTENVERSICHERUNGSBERICHT 2012 UND ZUM ALTERSSICHERUNGSBERICHT 2012
Seite 16
3. Die Finanzierung nicht beitragsgedeckter Leistungen durch Steuern “Werden nicht beitragsgedeckte Leistungen durch Beiträge finanziert, werden die zur Gewährleistung einer Absicherung bei versicherungstypischen Risiken gezahlten Mittel zu anderen Zwecken verwendet. Dies wäre ordnungspolitisch falsch. Es würde die Lastengleichheit aller Bürger verletzen, weil Beamte, Selbständige und Personen, soweit sie Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze oder z. B. aus Vermögen beziehen, von diesen Lasten freigestellt sind. Außerdem werden Beiträge nicht wie Steuern mit insgesamt progressiver Wirkung, sondern nach einem für alle gleichen Prozentsatz erhoben. Schließlich wäre eine Beitragsfinanzierung allgemein staatlicher Aufgaben arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv, da einseitig die Arbeitskosten stärker belastet würden.”
Hier wäre noch anzumerken, dass über “Beamte, Selbständige und Personen” hinaus vor allem Wirtschaftsunternehmen von diesen Lasten freigestellt sind.

Anhang
1. Rentenausgaben: DRV (VDR) - Rentenversicherung in Zeitreihen 2007, S. 197 u.a.
2. Bundesmittel für versicherungsfremde Leistungen: DRV (VDR) – Rentenversicherung in Zeitreihen 2007, S. 195, und Bundesministerium für Finanzen, Monatsbericht März 2008, S. 47 u.a.
3. Versicherungsfremde Leistungen:
Die Deutsche Rentenversicherung vormals Verband Deutscher Rentenversi-cherungsträger (VDR) hat leider nur für wenige Jahre Berechnungen über den Umfang
der versicherungsfremden Leistungen in den Rentenausgaben der Arbeiter- und
Angestelltenrentenversicherung durchgeführt und veröffentlicht:
1985: 35,4 %
6)
1995: 34,3 %
10)
2003: 29,1 %
18)
4. Transferleistungen: VDR – Jahresbericht 2000
11), BfA - Die Angestelltenversicherung, Heft 4/2003 u.a., VDR - Deutsche Rentenversicherung Heft 10/2004
18), BMAS – Rentenversicherungsbericht 2008
19) Anmerkungen:
Nach der Erhebung von 1989 enthalten im Januar 1986 noch mehr als 70 Prozent der
Renten (Männer) Ersatzzeiten (Krieg, Kriegsgefangenschaft u.a.) und fast 84 Prozent
aller Renten noch pauschale Ausfallzeiten (beitragslose Zeiten vor 1957 ohne entspre-
chende Nachweise).
Um auf einen Gesamtwert der nicht durch Bundesmittel gedeckten versicherungsfrem-
den Leistungen seit 1957 zu kommen, wurde für die Jahre, für die kein Wert vom VDR
vorliegt, der Umfang der versicherungsfremden Leistungen auf den jeweils für ein
späteres Jahr vorliegenden Wert des VDR festgelegt.

Quellen
1)
Bundestagsdrucksache 1659 vom 08.09.1955, S. 67
2)
BfA – Die Angestelltenversicherung, Heft 1/1956: Drohende Enteignung der RM-
Rücklagen statt ihrer Aufwertung
3)
BfA – Die Angestelltenversicherung, Heft 11/1956: Die Vermögensanlagen der
Angestelltenversicherung
4)
BfA – Die Angestelltenversicherung, Heft 4/1965: Die Rentenversicherung und die
Milliarden
5)
VDR – Gutachten Juni 1987: Zur langfristigen Entwicklung der gesetzlichen
Rentenversicherung
6)
U. Rehfeld (VDR) und H. Luckert (VDR) in Deutsche Rentenversicherung, Heft 1-
2/1989, S. 42: Die versicherungsfremden Leistungender Rentenversicherung
7)
BfA – Sozialversicherungsabkommen, Ausgabe 2/1994 (Broschüre)
8)
VDR – Professor Dr. Franz Ruland am 21.11.1994 in Würzburg: Die versicherungs-
fremden Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung
9)
SPD – Fraktion vom 28.02.1996: Versicherungsfremde Leistungen in der
Sozialversicherung: Gerechter finanzieren – Arbeits kosten senken – Beschäftigung
schaffen Ebenso: Anlage zur sozialpolitischen Korrespondenz der SPD Nr. 14 vom 12.04.1996
10)
VDR – Fakten und Argumente, Heft 5, 01/1997: Versicherungsfremde Leistungen –
sachgerecht finanzieren
11)
VDR – Jahresbericht 2000: Die deutsche Rentenversicherung
12)
FAZ vom 11.06.2001: Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier: Die Rentenversicherung vor dem
Grundgesetz
13)
BMGS – Statistisches Taschenbuch 2003 (Juni 2003)
14)
VDR – Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2007
15)
BMF – Monatsbericht März 2008, S. 47
16)
Der Spiegel Nr. 46 vom 14.11.2005, S. 68: Mit der Axt im Walde.
17)
Financial Times Deutschland vom 10.11.2005: Milliar denschwere Fremdleistungen belasten Sozialsysteme
18)
VDR Deutsche Rentenversicherung Heft 10/2004 - Bericht der Bundesregierung zur
Entwicklung der nicht beitragsgedeckten Leistungenund der Bundesleistungen an die
Rentenversicherung vom 13.08.2004.
19)
Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Rentenversicherungsbericht 2008, S.32
20)
Wissenschaftliche Dienste des Deutschen BundestagsNr. 03/03 – Der aktuelle Begriff:
Versicherungsfremde Leistungen (24.01.2003)

Versicherungsfremde Leistungen in der Angestellten- und Arbeiterversicherung

Nach der Definition des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR)
„sind alle Leistungen der Rentenversicherung als versicherungsfremd anzusehen,
die nicht oder nicht in vollem Umfange durch Beiträge der Versicherten gedeckt sind.“

Fremdleistungen nach der Gründung der Angestelltenversicherung im Jahr 1911:

1. Zwangsweise Enteignung des Versicherten-Vermögens und der Rücklagen der Rentenversicherungsträger im 1. und 2. Weltkrieg zugunsten der Kriegskassen.
2. Endgültige Enteignung der Rentenversicherungsträger zugunsten der Staatskasse 1955 (Kriegsfolgenschlussgesetz). Begründung: „Den Rentenversicherungen ist in Artikel 120 GG die Garantie gewährt worden, dass ihre Leistungsfähigkeit notfalls durch den Einsatz von Bundesmitteln sichergestellt wird. Damit besteht keine finanzielle Notwendigkeit, die verbrieften Forderungen dieser Träger der Sozialversicherung, die sich auf rund 14,5 Milliarden Mark belaufen, in die Ablösungsberechtigung einzubeziehen.“ Das entsprach dem halben Bundeshaushalt!
3. Kriegsfolgelasten (Renten für Millionen Kriegsteilnehmer, Millionen Kriegerwitwen, Heimatvertriebene, Aussiedler). Dazu kommen seit 1992 zusätzlich die Transferleistungen in die neuen Bundesländer.
4. Ab 1960 Abschöpfung der Überschüsse in den Versicherungskassen durch den Staat. (Von 1957 bis 2002 wurden umgerechnet rund 700 Milliarden Euro! incl. Verzinsung den Rentenversicherungskassen nicht wieder erstattet).
5. Ab 1974 haftet die Angestelltenversicherung für die Defizite der Arbeiterrentenversicherung. Bis einschließlich 2002 hat die Angestelltenversicherung insgesamt rund 195 Milliarden DM in die Arbeiterrentenversicherung überwiesen.
6. 1990: Überführung der Rentenversicherung der DDR, einschl. Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in die gesetzliche Rentenversicherung. Die gesetzliche Rentenversicherung muss damit auch für die Renten aller Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes der DDR (Regierung, Ministerien, aller Behörden, Volkspolizei, nationale Volksarmee, Staatssicherheit, Schulen, Hochschulen, wissenschaftliche Institute usw.) aufkommen, deren Nachfolger als Beamte selbstverständlich keine Beiträge mehr zahlen, die aber auf Grund der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme hohe Rentenansprüche haben bzw. Renten beziehen.
7. Deutsch-Polnisches Sonderabkommen zur Sozialversicherung vom 9.10.75 galt bis 1990: Jeder Pole, der in der Bundesrepublik einen Wohnsitz nimmt, wird rentenrechtlich so behandelt wie ein vergleichbarer deutscher Kollege, dh. entsprechend dem Fremdrentengesetz. Dazu reichte es, einen Wohnsitz in der BRD anzumelden.
8. Entschädigung für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet v. 22.4.1992.
9. 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz v. 1994 zum Ausgleich beruflicher Benachteiligung politisch Verfolgter, u.a. in der gesetzlichen Rentenversicherung.
10. Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligung für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet vom 1.7.1997.
11. Neuregelung für Rentenzahlungen aus einer Beschäftigung in einem Ghetto während des Krieges v. 20.6.2002.
1994 hat das Institut der Deutschen Wirtschaft bereits darauf hingewiesen, dass Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung für die versicherungsfremden Leistungen pro Jahr mehr als 170 Milliarden DM aufwenden müssen. Der Bund als Verursacher beteilige sich daran nur mit 70 Milliarden DM; auf den restlichen 100 Milliarden blieben die Beitragszahler sitzen.
Die SPD-Fraktion ist in einem internen Arbeitspapier vom 28.2.1996 sogar auf jährlich
etwa 110 Milliarden DM an versicherungsfremden Leistungen gekommen, die nicht durch Bundeszuschuss gedeckt sind.
Da diese Zusammenhänge also den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft bekannt sind, stellt sich die Frage nach deren wahren Intentionen, wenn sie den weiteren Abbau sozialer Leistungen fordern, ohne zuerst diese Ungerechtigkeiten zu bereinigen.
Auszug aus der „Informationsschrift für Arbeitnehmer zur Rentenpolitik – versicherungsfremde Leistungen in der Angestelltenversicherung“ (Mai 2004)
Verfasser: Otto W. Teufel, Aktion Demokratische Gemeinschaft (ADG) e.V.
82223 Eichenau, Starenweg 4
Quellen: Bundestagsdrucksache 1659 vom 8.9.1955; Unterlagen der BfA, VDR u.a.

.

Bürgerreporter:in:

Ingeborg Steen aus Moormerland

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