Einschränkungen in der Sozialgerichtsbarkeit

Informationen zum Recht vom DGB Bundesvorstand
22. Juni 2012
Info Recht

Sozialrecht
Erneut Einschränkungen in der Sozialgerichtsbarkeit!

Vorschläge der Justizministerkonferenz realitätsfern

Die Frühjahrskonferenz der Justizminister vom 13. bis 14. Juni hat „Änderungsvorschläge auf dem Gebiet des Sozialprozessrechts“ (TOP I.4.) beschlossen und die Bundesjustizministerin aufgefordert, diese umzusetzen.
Die Vorschläge beabsichtigen neben weiteren Zugangsbeschränkungen die Entscheidungsmitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter einzuschränken, für Versicherte Gerichtsgebühren einzuführen und mit der Abschaffung von § 109 SGG Klägerinnen und Kläger die Möglichkeit zu nehmen, einen eigenen Gutachter zu benennen.

Die vorgeschlagenen Einschränkungen im Prozessrecht gehen zu Lasten der Rechtsuchenden und werden vom DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften wie schon in der Vergangenheit abgelehnt!
Die Justizministerkonferenz unterbreitet nicht nur Vorschläge, die den Zugang zur Sozialgerichtsbarkeit weiter beschränken sollen. Der Vorschlag zur Änderung einer der Grundnormen des SGG (§ 12) zur Einführung des „konsentierten Richters“ ist der Versuch, die Beteiligung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter erheblich einzuschränken. Der Vorsitzende Richter soll anstelle der Kammer – also ohne ehrenamtliche Richterinnen und Richter – entscheiden können, wenn es ihm gelungen ist, die Beteiligten davon zu überzeugen, dazu ihre Zustimmung zu erteilen. Der Vorschlag ist völlig verfehlt!
Die gesellschaftlichen Veränderungen, hin zu einem zunehmend direkten Beteiligungswillen der Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen, auch die der Judikative, werden verkannt.
Die Sozialgerichtsbarkeit soll offensichtlich zugunsten von Entscheidungen am „grünen Tisch“, deren Wirkung für und auf die Praxis einerlei ist, von der Mitentscheidung der Bürger ausgeschlossen werden. Eine so eingeschränkte Sozialgerichtsbarkeit würde das Vertrauen in die sachliche und faire
Richtigkeit ihrer Entscheidungen verlieren und damit nicht zur Befriedung der Beteiligten führen. Der damit verbundene Akzeptanzverlust sozialgerichtlicher Entscheidungen gefährdet den sozialen Frieden.
Der Vorschlag einer Einführung von Gerichtsgebühren stellt für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften einen Verstoß gegen die Garantie der Gewährleistung des rechtsstaatlichen Anspruchs auf Rechtsschutz und Justizgewährung gerade für Personen mit geringem Einkommen dar. Rechtsschutz kann und darf nicht von den finanziellen Mitteln abhängig sein. Die Kostenfreiheit der sozialgerichtlichen Verfahren ist eine der tragenden Säulen zur Verwirklichung der sozialen Rechte.
Der Vorschlag verkennt das Prinzip von Ursache und Wirkung für die hohe Belastung der Sozialgerichtsbarkeit vor allem seit Einführung des Grundsicherungsrechts. Die seit Jahren gleichbleibende Erfolgsquote
für die Klägerinnen und Kläger von ca. 60 % spricht für sich und belegt, dass die Ursachen der Belastung nicht bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu suchen sind. Gelänge es, die mangelhafte Verwaltungspraxis und Personalpolitik der Verwaltung gekoppelt mit unklaren gesetzlichen
Vorgaben als die wesentlichen Ursachen zu beseitigen, wäre damit eine massive Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit verbunden, die den Effekt aller bisherigen zu diesem Zweck erfolgten Beschränkungen des Zugangs zur Sozialgerichtsbarkeit übertreffen würde. Nur so können die eigentlichen Zielvorstellungen, die den Änderungsvorschlägen zugrunde liegen, erfüllt werden.
Die Abschaffung der Gutachten nach § 109 SGG ist angesichts der geringen Quote in Auftrag gegebener Gutachten nicht nur unverhältnismäßig, sondern stellt den Grundsatz des fairen Verfahrens in Frage.
Die Möglichkeit der Klägerinnen und Kläger, den für viele Verfahren so komplexen und entscheidungserheblichen medizinischen Sachverhalt von einem selbst benannten Gutachter bei zunächst eigener Kostentragung überprüfen zu lassen, ist ein Gebot der „Waffengleichheit“. Nur so stehen sich die Beteiligten des Verfahrens auf Augenhöhe gegenüber. Zudem würde die Streichung dieser Vorschrift wegen des geringen Anteils weder zu spürbaren finanziellen Entlastungen noch zu einer grundsätzlichen Verfahrensbeschleunigung führen.
Der Vorschlag greift damit längst verworfene Ideen der Vergangenheit mit den alten Begründungen erneut auf. Allein erkennbares Ziel ist, den Bürgerinnen und Bürgern die Verwirklichung garantierter sozialer Rechte, die eine restriktionsfreie Möglichkeit der Überprüfung der Entscheidungen der Verwaltung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit erfordern, zu erschweren oder gar zu verwehren. Die zurückliegenden Verschärfungen des Prozessrechts der Sozialgerichtsbarkeit haben ihre behaupteten Ziele nicht erreicht. Sie wurden zu keinem Zeitpunkt einer Evaluation unterzogen, die einen entgegenstehenden Nachweis erbringen konnten.
Wie bereits in der Vergangenheit, bitten wir Sie um Ihre Unterstützung.
Bitte senden Sie diesen Newsletter an möglichst viele Personen aus Ihren Kreisen.
Die Stellungnahme des DGB können Sie hier herunterladen:
http://www.dgb.de/-/ftq

Infos unter: www.dgb.de/recht

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Bürgerreporter:in:

Ingeborg Steen aus Moormerland

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