Weihnachten 1945, nach dem Krieg, ausgebombt auf einen Bauernhof in Elze/Leine.

24. Dezember 1945
17:30 Uhr
Engestraße, Elze/Leine
Erinnerungen eines Zeitzeugen.

Weihnachten 1945.
In der Tonne.
Wir die wir Anfang des Jahres 45 in Hannover Ausgebombt waren,
(Vom Wohnzimmer stand nur noch der Schrank rechts neben der Tür
auf einem schmalem Mauersims). Anfang 1945 kamen wir in Elze/Leine
30 Kilometer südlich von Hannover, bei einem Bauer Jacke unter.
In diesem alten Fachwerkhaus mit Toilette (plums) über den Hof
neben dem Kuhstall, erlebten wir vier Kinder, Ich damals 9, meine
Schwester Margret 7, mein Vetter Gerd 5 und meine Cousine Helga
3 Jahre alt, gemeinsam unser erstes Friedens-Weihnachtsfest in dieser
schlechten Zeit. Dazu hatten wir in diesem Jahr unsere Väter in Russland
verloren. Die Bauernsöhne waren noch in Gefangenschaft und nur die
Frauen im Haus. schon Tage vor dem Fest roch es nach Backen und am
Heiligen Abend war die Küche schon Mittags geschlossen. Ich hatte
damals schon große Zweifel am Weihnachtsmann, die anderen lernten
noch schnell ein Gedicht, denn der Weihnachtsmann wurde uns in dieser Zeit
oft angedroht um Ruhe und Ordnung oder Hilfe zu erlangen. Die Stimmung
war gut, aber durch Gerüche und Geräusche angespannt. aus Erfahrung wußte
ich auch, das ich außer einem bunten Teller mit Keksen und Äpfeln,
wieder nur selbstgestrickte Socken bekam. (Diese sind nach 60. Jahren
noch für Wanderungen und kalte Tage vorhanden) Schlimm war außer dem
Schal nur die gestrickte Unterhose von Tante Lisa. Das kratzte und juckte
erbärmlich. Im Jahr 1944 hatte ich noch Feldpost von meinem Vater erhalten.
Er schrieb mir aus Russland, er habe Angeln gehen wollen, dann aber einen
Hasen geschossen. er hätte diesen gerne mit nach Hause zu uns genommen,
aber leider keinen Urlaub bekommen. Dies war sein letzter Brief und den habe
ich mir aufgehoben. So nun zurück in das alte Bauernhaus und Weihnachten.
Um 17.30 Uhr läutete eine Glocke und wir stürmten in die Küche. die erahnten
Geschenke lagen da unter dem Weihnachtsbaum, die Kerzen verströmten ihr
mildes Licht. Da rumpelte es fürchterlich, draußen war der Weihnachtsmann
im Anmarsch und den Jüngeren schoss schon das erste Wasser in die Augen.
Ich Schlaumeier überlegte schon, wer dieser Weihnachtsmann wohl wäre.
da war er schon in der Küche und sah wild aus. Ich kannte ihn nicht und
manch` Landstreicher sah besser aus als diese kräftige Gestalt. Eins aber erkannte
ich doch, meinen Fransenschal als Bart und eine große Ruhe überkam mich.
Die Kleineren sagten artig ihr Gedicht auf, aber ich weigerte mich. Da packte
mich die Magd Lina , die hier den Weihnachtsmann machte und steckte mich roh
in einen alten Kartoffelsack. Die Kinder heulten ( mein Vetter vor Freude) als
der Sack durch eine Kette veschlossen, ich rausgetragen und kopfüber in die Mülltonne
gesteckt wurde. Eine gelungene Vorstellung für alle außer mir. Ich saß, lag kopfüber
unbeweglich in der dreckigen Tonne. Durch Wackeln erreichte ich ein Umkippen und
robbte rückwärts wie eine Raupe aus dem Gefängnis. Bald war ich wieder in der Küche
und tröstete die Jüngeren. Dieser ganze Vorgang war hart an der Grenze, wir erinnern
uns alle immer an dieses einprägsame Weihnachtsfest 1945.

Bürgerreporter:in:

Jürgen Bruns aus Lehrte

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