Erinnerungen an mein ehemaliges Zuhause in Linz am Rhein, Buttermarkt 4 - Hallo, ich bin ein altes Fachwerkhaus in Linz am Rhein.........

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......und stehe mitten in der Altstadt. Meine Bewohnerin denkt wohl, ich wäre unwichtig, da sie nichts über mich schreibt.

Deshalb stelle ich mich hier selbst vor: Als ich erbaut wurde, hatte Linz ca. 1400 Einwohner und war schon mit einer Stadtmauer befestigt. Man hat mich an die Hauptachse, die durch die Stadt führt, hingestellt. Wann genau das war, weiß man nicht. Man nimmt an im 17. Jh. Da ich aber eine weite Auskragung (Vorspringen des ersten Obergeschosses) und keine Mannfigur (eine Form des Strebenkreuzes ab dem 17. Jh.) am Haus habe trotz meiner exponierten Lage, müsste ich eigentlich viel älter sein. Meine Kopfstreben wurden erneuert. Man kann allerdings an der Verzapfung heute noch sehen, dass ursprünglich breite Konsolen angebracht waren. Ich habe zwei vollausgebildete Giebel, wohlgemerkt zwei! Und dann bin ich auch noch zweigeschossig!

Auch habe ich noch einen Schuppen, ebenfalls in Fachwerk, einen Hof und einen Garten.

Nach dem Buttermarkt hin bin ich überhängend, aber keine Angst, ich falle nicht um. Schließlich stehe ich schon über 400 Jahre so da. Nachdem im 19. Jh. Die Feuerversicherung gegründet wurde hat diese verlangt, dass man mich verputzt. Eine ganz furchtbare Zeit begann für mich. Ich bekam kaum noch Luft. Dieser Zustand hatte doch ca. 100 Jahre angehalten. Aber endlich, im Jahr 1959, wurde ich wieder befreit von dem Panzer. Jetzt bin ich wieder wunderschön.

Ab 1614 wohnten in mir die Familie Braun, Wappenschmied und Schlosser von Beruf. Einer davon war Mattheis Braun, über den es eine interessante Geschichte gibt, die ich Euch heute erzählen werde: „ Nach seinem Tod hat sich in der Stadt das Gerücht verbreitet, dass der Verstorbenen zur Absicherung seiner noch nicht mündigen Kinder auf dem Grundstück seines Anwesens Geld vergraben und seinen Vater Johannes davon in Kenntnis gesetzt hätte. Als der Vater Johannes Braun 1676 verstarb, lebte das Gerücht wieder auf; ebenfalls wurde verbreitet, dass der Nachbar über das Versteck Bescheid wüsste. Auf Betreiben des Vormundes der Kinder wurde der Nachbar vor das Stadtgericht zitiert und durch den Schultheißen in Anwesenheit von zwei Schöffen verhört. Er erklärte, dass Matthias Braun ihn zu seinem Totenbett bestellte und ihm mitgeteilt hätte, dass er etwas Geld in seinem Hof unter dem dort stehenden Schleifstein, der auf zwei hölzernen Pfosten liegt, begraben hätte, unter einem Pfosten einen Fuß tief einen eisernen Topf und unter dem anderen Pfosten eine zinnerne Kanne mit einem Deckel insgesamt 700 Reichstaler. Wiederholt habe er den Vater des Verstorbenen, der ebenfalls davon Kenntnis hatte, darauf hingewiesen und ihn gebeten, das Geld doch auszugraben. Der Nachbar erklärte, dass es im lieb wäre, wenn an der angegebenen Stelle endlich gegraben würde. In Gegenwart des Gerichts wurde dort gegraben. Dabei fand man in einem eisernen Topf 104 RT, 100 silberne Kronen machen 125 RT, 23 Königtaler machen 25 RT, 2 ½ Kopfstücke und ein vier Kupferstück Taler, ferner eine Kanne mit 270 RT, zusammen 521 RT species und 2 Kopfstück. Die Summe wurde dem Kurator Post für die Minorennen zur Aufbewahrung übergeben“. Die Eheleute Anita und Anton Rings haben diese Geschichte auch in ihrem Buch „Häuser und Menschen in Linz“ erzählt.

Bis 1780 wohnten in mir Schmiede und Schlosser. 1878 kam dann der jüdische Metzger und Schächter Wolfgang David und erwarb mich. Die Ehe war kinderlos und als seine Frau 1904 verstarb, zog er zu seinem Bruder und verkaufte mich 1905 an den Kaufmann Peter Pfahl, dessen Enkelin heute Eigentümerin von mir ist.

In mir zu wohnen, hat seinen ganz besonderen Charme. Zwar, muss man auf seine Figur achten, denn die knarrenden Treppen sind sehr schmal. Wenn meine Bewohnerin noch etwas zunimmt, bleibt sie ganz einfach stecken und nichts geht mehr.

Mein Speicher wurde auch ausgebaut und innen das Fachwerk freigelegt, sowie die Balken, aus denen ich ja eigentlich bestehe. Ich bin nur verzapft und mit Holznägel gesichert. Meine Gefache bestehen immer noch aus einem Holzgeflecht mit Lehm. Meine Wände und die Decken sind allesamt schief, wie bei einem Hundertwasserhaus. Die Böden ebenso. Bis man sich daran gewöhnt hat, wird man seekrank, aber dann merkt man es nicht mehr.

Meine Bewohnerin nennt mich „meine kleine Burg“. Dann bin ich immer ganz gerührt und sehr, sehr stolz. Aber sie musste trotzdem in mir ein Bild von anderen Fachwerkhäusern aufhängen, als wenn diese schöner wären als ich. In jedem Fall bin ich an dem Platz an dem ich stehe das historisch wertvollste Haus.

So, jetzt habt Ihr mich auch mal kennen gelernt nicht nur immer die Geschichten, die meine Bewohnerin über andere Häuser schreibt.

Quelle: Häuser und Menschen in Linz von Anton und Anita Rings

Schaut mal, hier ist eine Geschichte von meinem Ausbau: http://www.myheimat.de/linz-am-rhein/beitrag/67019...
und noch eine Geschichte: http://www.myheimat.de/linz-am-rhein/beitrag/12007...

Bürgerreporter:in:

Gisela Görgens aus Quedlinburg

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