In Fortsetzung meines ersten Berichts: Freispruch für Heinz Hartmann

25. Februar 2010
Heinz Hartmann, Lehrte

Freispruch für Heinz Hartmann
Mit Hilfe von Bundeskanzler Schröder nach 53 Jahren rehabilitiert/Urteil des sowjetischen Militärtribunals aufgehoben/Erlebnisse jetzt als Buch erschienen

Von Lothar Rolf Luhm

Was deutsche Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenschaft erlebt und erlitten haben, ist oft unbeschreiblich. Stellvertretend für Tausende und Abertausende, die darüber hinaus wegen irgendeiner Nichtigkeit von Militärgerichten der Sowjetunion zur Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen in Straflagern in Sibirien verurteilt wurden, ist das Schicksal des ehemaligen Oberleutnants Heinz Hartmann aus Lehrte, der - wie seinerzeit im Anzeiger für Burgdorf und Lehrte berichtet – freiwillig und aus reiner Neugierde noch einmal das Gefängnis in Dolinka in der kasachischen Steppe in Mittelasien besuchte, in dem er unfreiwillig als Sträfling einige Jahre seines Lebens verbrachte. Zu Unrecht, wie er immer wieder betont hatte, auch nach sowjetischem Recht. Und er hat schließlich nach 53 Jahren Recht bekommen, dank der Mithilfe von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft in Moskau eingeschaltet hatte.

Heinz Hartmann, bei Kriegsende Oberleutnant und Kompaniechef im Panzer-Regiment 2 der 16. Panzer-Division , war am 10. Mai 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten. Anfangs wurde das Straflager Lysswa vorübergehend seine Heimat, wo er zwangsweise zum Brigadier “befördert” und mit zehn Kameraden zur Arbeit im dortigen Walzwerk abkommandiert wurde. Schwerstarbeit am Hochofen , stundenlang ohne Pause, oft von den russischen Wachsoldaten bedauert, die aber auch nicht helfen konnten, bestimmte fortan seinen Tagesablauf. Dem Kommando waren zusätzlich 300 Gramm Brot pro Tag und Mann versprochen worden. Doch was sie bekamen, waren faule Ausreden und täglich neue Schikanen. .Die Sonderrationen wurden von der Fabriksleitung verschoben. So kam es, wie es kommen mußte. Brigadier Hartmann klappte am Hochofen vor Erschöpfung zusammen; er verweigerte die Arbeit. Seine Kameraden, ebenso total erschöpft, ruhten sich gleichfalls aus, ohne dazu von Hartmann aufgefordert zu sein. Das war am 13. November 1946.

Noch am gleichen Tag wurde Hartmann verhaftet und nach monatelanger in Einzelhaft am 13. März 1947 in einem Schauprozeß von einem Militärgericht in Perm wegen Sabotage und Schädigung der Volkswirtschaft sowie Anstiftung zur Meuterei zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt, obwohl er immer wieder seine Unschuld beteuert hatte. Darüber hinaus stellte das Tribunal fest, daß durch die gemeinsame Arbeitsverweigerung ein Produktionsausfall in Höhe von 4947 Rubel zu Lasten der Fabrik entstanden war.

Von nun an galt Heinz Hartmann nicht als Kriegsgefangener, sondern als Sträfling. Sein neues Domizil wurde etwa 2000 Kilometer jenseits des Urals das Straflager Nr. 99 in Dolinka nahe Karaganda in Kasachstan, aus dem er nach seiner Begnadigung am 18. Juni 1950 in die Heimat entlassen wurde. Väterchen Stalin hatte ihm “in seiner großen Güte” zwei Jahre seiner Strafzeit erlassen.

Im Juni 1999 hatte Hartmann von einer Worpsweder Delegation erfahren, die nach Karaganda reisen wollte, um an der Enthüllung eines Gedenksteins zu Ehren des im Exil verstorbenen Worpswerder Künstlers Heinrich Vogeler teilzunehmen. Hartmann durfte mitreisen. Bei dieser Gelegenheit klopfte er auch an die Tür des Straflagers in Dolinka, um einen Blick auf seinen alten Arbeitsplatz zu werfen. Allerdings wurde er erst eingelassen – ausnahmsweise – als das Zentralarchiv Karaganda ihm bescheinigt hatte, in Dolinka einst Häftling gewesen zu sein. Amüsiert und erstaunt war Hartmann darüber, noch nach rund 50 Jahren dort seine “Strafakten” vorzufinden. Derzeit werden in dem Gefängnis Schwerverbrecher.verwahrt. Staunend ließ ihn der wachhabende Offizier eintreten, der es nicht glauben konnte, einen ehmaligen Sträfling vor sich zu haben.
In Karaganda hatte Heinz Hartmann auch an einem Kulturfest von deuschstämmigen Bewohnern teilgenommen, die ihn baten, Bundeskanzler Schröder recht herzlich zu grüßen und ihm erneut Dank für seine Spende zu sagen. Noch als niedersächsischer Ministerpräsident hatte Schröder 5000 DMark für das Vogeler-Denkmal gestiftet und sich dadurch einen Platz in den Herzen der Deutschen im fernen Land gesichert.

Pflichtbewußt hatte Hartmann nach seiner Rückkehr die Grüße an Bundeskanzler Schröder weitergeleitet und auch den Zeitungsbericht mitgesandt, in dem über seine Odyssee berichtet wurde. Natürlich hatte er nicht vergessen, auch jetzt seine Unschuld zu beteuern und den Bundeskanzler gebeten, ihm bei seiner Rehabilitierung behilflich zu sein. Seine Bitte hatte Erfolg.
Erfreut registrierte Heinz Hartmann im vergangenen Jahr die Nachricht, daß der Generalstaatsanwalt der Russischen Förderation in Moskau am 19. Juli 2000 angeordnet hatte, seinen Revisionsantrag zu überprüfen. Am 4. Oktober 2000 kam das Militärgericht des Bezirks Ural zu der Überzeugung, daß auch nach den Paragraphen der russischen Gesetzgebung Hartmann sich nichts hatte zu Schulden kommen lassen. Die ihm kürzlich zugestellte Urkunde in deutscher und russischer Sprache besagt : “ Das Urteil des Militärtribunals der Truppen des Innenministeriums des Verwaltungsbezirks Molotow vom 13. März 1947 und der Beschluß des Militärtribunals des Innenministeriums des Bezirks Ural vom 4. April 1947 in Bezug auf Heinz Friedrich Hartmann ist abzuändern und die Strafsache wegen fehlenden Strafbestandes in seinen Handlungen einzustellen. Heinz Hartmann ist als rehabilitiert anzusehen”. Kein Grund zum Jubeln, kommentiert der heute 82jährige das jetzige Urteil, aber ein wenig Genugtuung empfindet er doch.

Unter der Überschrift “Der Friede in Rußland – als Kriegsgefangener und Sträfling in den Lagern der Sowjetunion” erzählt Heinz Hartmann auf 140 Seiten, wie es ihm in all den Jahren hinter Stacheldraht und Schwedischen Gardinen ergangen ist. Erlebnisse, die gewiß Tausende von ehemaligen deutschen Soldaten bestätigen können. Das Buch – Preis 29,80 DM – ist in den Buchhandlungen Wegener an der Burgdorfer Straße in Lehrte und in Burgdorf in der Hannoverschen Neustadt erhältlich.
Lothar Rolf Luhm

Bürgerreporter:in:

Lothar Rolf Luhm aus Lehrte

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