Wo einst Münchhausen mit seinen Golddukaten prahlte

Drei Bolzen an der Scheunenwand erinnern an die Edlen von Bolzum
Bauernsohn aus Schlesien neuer Gutsherr in Münchhausens ehemaligem Rittersaal und Herrenhaus

Von Lothar Rolf Luhm

Am Rande der Landstraße zwischen Sehnde und Lühnde versteckt sich hinter knorrigen Eichen und uralten Kastanien ein ehemals bedeutendes Rittergut, dessen Wurzeln - wie alte Pergamente und Wappenschilde beweisen - bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Mittelpunkt auf dem 17.5oo Quadratmeter umfassenden Areal ist ein schmuckes Herrenhaus, das Statius von Münchhausen, ein Sohn des als Lügenbaron bekannten Kriegsherrn Hilmar von Münchhausen, Anno 1608 erbauen ließ. Heute gehören Haus und Hof der Familie Edmund und Margaretha Böhm mit ihren Töchtern Christina und Friederike, die aus dem einst heruntergewirtschafteten Anwesen inzwischen ein Schmuckstück gemacht haben, das sie gelegentlich auch für kulturelle und repräsentative Zwecke uneigennützig zur Verfügung stellen. Kaum jemand ahnt, dass sich heute hinter einer mannshohen Feldsteinmauer an der Marktstraße in Bolzum ein solches Kleinod befindet, dem einst die Edlen von Bolzum ihren Namen gaben.

Als erster bekannter Ritter von Bolzum gilt Dietrich von Boltessen, wie im Urkundenbuch des Hochstiftes Hildesheim nachzulesen ist. Da heißt es, dass zur Schlichtung eines Streits über ein Grundstück in Bledeln im Jahr 1240 auch die Ritter Dietrich und sein Sohn Ulrich anwesend waren. Später ist noch von einem Ritter Ludolfus von Bolthesem die Rede, der Anno 1263 einen Grundstückstausch mit dem Kloster St. Godehard beurkundete. Etwa im Jahr 1510 verschwinden die Edlen von Bolzum, nach dem der letzte des Geschlechts, Hans von Bolzum, eine Erbverbrüderung mit Hermann von Hauss eingegangen war. Ein in Stein gehauenes Wappen mit drei Bolzen, das jetzt eine Stallwand es Gutshofes ziert, erinnert heute noch an die edlen Ritter.
Der neue Besitzer, der Calenberger Edelmann Hermann von Hauss, war ein streitbarer Krieger, der mit Gott und der Welt immer wieder in Fehde lag. Im Verlauf der Hildesheimer Stiftsfehde musste er zwangsweise das Rittergut an einen reichen Hannoveraner namens Gebhard Steg abtreten. Erst nach jahrelangen Prozessen und Kriegshandlungen wurde sein Sohn Christoffer von Hauss Anno 1555 wieder Herr auf Bolzum. Anschließend wechselte der Gutshof mehrfach seinen Besitzer, so dass die Eheleute Böhm nunmehr als 23. Generation dort zuhause sind.
Auf ein solches Schnäppchen hatte Statius von Münchhausen, der vom Vater her bereits einen Edelhof in Hildesheim besaß, schon lange spekuliert. Mit List und Tücke sicherte er sich um 1590 das Bolzumer Rittergut, zumal die Erbfolge derer von Hauss’s inzwischen erloschen und das Lehen wieder frei geworden war. In seiner großspurigen Art ließ Münchhausen sofort viele hundert Golddukaten springen, um das Gut standesgemäß herzurichten. Er ließ das marode Herrenhaus abreißen und aus festen Sandbruchsteinen neu gestalten, nicht ahnend, dass er dort bereits nach zwei Jahrzehnten arm wie eine Kirchenmaus wieder ausziehen musste. Die späteren „Nachmieter“ hat das 1608 fertiggestellte Haus rein äußerlich fast unbeschadet überlebt. Das lassen die stilvoll gestaltete Fassade, ein prächtiges Renaissancenportal, kunstvolle Ornamente und verschlungene Rosetten sowie Wappen aus längst vergangener adliger Zeit eindrucksvoll erkennen. Wieder muss man sagen, denn Edmund Böhm ist es zu danken, das der inzwischen unter Denkmalschutz stehenden Gutshof wieder wie neu aussieht. Viel Geduld und noch mehr Geld waren notwendig, um das verwahrloste Herrenhaus und die ebenfalls baufälligen Wirtschaftsgebäude zu restaurieren. Böhm hatte das einstige Rittergut 1973 dem Bolzumer Landwirt Johann Schütte abgekauft und sofort damit begonnen, in Haus und Hof aufzuräumen, eine Arbeit, die ihn auch heute noch alle Tage aufs neue in Anspruch nimmt.
Die 36 m lange zweigeschossige Fassade des Herrenhauses , die zur Hälfte aus mit Kalk verputzten Bruchsteinen und im oberen Teil aus Fachwerk besteht, hat Wind und Wetter in den vergangenen Jahrhunderten erfolgreich getrotzt. Trotzdem muss immer wieder einiges ausgebessert werden. Das betrifft nicht nur die schönen Sprossenfenster, Türen und Treppen, sondern auch das Innenleben des Hauses, das die Familie Böhm inzwischen mit Stilmöbeln, geschnitzten Truhen und handgearbeiteten Stühlen sowie großflächigen Gemälden ausgestattet hat, fast wie zu Münchhausens Zeiten. Sehenswert ist vor allem die „gute Stube“, die sich als kleiner Rittersaal präsentiert, in dem nicht nur bei Kaminfeuer Kammerkonzerte und Dichterlesungen stattfinden, sondern gelegentlich auch Herrenessen bei Kerzenlicht.
Und auf den Brandmauern der ehemaligen Gurtsscheune hat Edmund Böhm eine Reithalle erbaut, in der er seinem Hobby nachgeht. Mehrere Reit- und Kutschpferde nennt er sein Eigen, mit denen er auch Landwirtschaft für den Eigenbedarf betreibt. Inzwischen gehören zum Gut auch wieder das ehemalige Schäferhaus, das die Böhms zurück kaufen konnte, und das bisherige katholische Pfarrhaus, das zu Apartments umgebaut wurde.
Die Eheleute Böhm sind keine Millionäre – sie haben auch nicht im Lotto gewonnen, sondern ein Lebenslang hart gearbeitet, wie Edmund Böhm bekräftigt. Mit dem Kauf des ehemaligen Ritterguts haben sie eine Verpflichtung übernommen und sich einen Herzenswunsch erfüllt, versicherte der neue Gutsherr, der als Bauernsohn in Welkersdorf im niederschlesischen Landkreis Löwenberg das Licht der Welt erblickt hatte. Als Flüchtling war der 67jährige nach Niedersachsen gekommen und hatte zuerst als Maurer und später als erfolgreicher Möbelkaufmann eine Menge Geld verdient, das er alle Jahre aufs neue bis auf den letztes Pfennig in den abgewirtschafteten Gutshof investierte. Das gleiche tat seine aus Pattensen stammende Ehefrau Margaretha, die in Hannover als Textilfachfrau ein Modegeschäft betrieb und sich auch als Konsulin für die Republik Kirgistan einen Namen gemacht hat.. Verständlich, dass auch die Töchter inzwischen in die Fußstapfen der Eltern treten, zumal es beschlossene Sache ist, dass das Gut für alle Zeiten Familiensitz bleiben soll. Derzeit bewohnt Tochter Friederike mit ihren Eltern das rund 30 Zimmer umfassende Haupthaus.,.
Man könnte meinen, dort sei die Zeit seit Münchhausen stehen geblieben. Und immer wieder aus Neue gleicht der Herrensitz einer Baustelle. Neben dem ehemaligen hundertjährigen katholischen Pfarrhaus haben die Böhms das rund 200 Jahre alte Schäferhaus des Rittergutes zurück gekauft. Es soll ebenso wie bereits die Scheunen und Ställe zu Appartements ausgebaut werden.

Bürgerreporter:in:

Lothar Rolf Luhm aus Lehrte

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