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In meinem Bücherregal spukt es manchmal

Von Lothar Rolf Luhm
Nachtgespenster in meinem Bücherschrank

Es ist Nacht geworden. Gespenstig flackert das verlöschende Feuer im Kamin und zaubert für Augenblicke seltsame Figuren an die Zimmerwände. Das Buch, in dem ich bisher gelesen hatte, ist von meinen Knien gerutscht. Gerade, als ich es aufheben will, schlägt die Uhr zwölf.
Für einen Moment denke ich daran, dass ja nun die klassische Geisterstunde beginnt. Wenn man ein wenig zu träumen versucht, könnte man vielleicht eine Manifestation aus einem luftigen Reich erleben. Über solchen Gedanken kann man schnell einnicken, nicht wahr...?
Aber da – der letzte Mitternachtsschlag ist verklungen – da höre ich in meinem Bücherschrank ein Knacken, ein Räuspern und Rascheln. Tatsächlich, es wird lebendig, es rührt sich etwas. Die toten Dingen, wie wir sie oft unüberlegt nennen, gewinnen seltsames Leben. Was da in den Büchern steht, nimmt Gestalt an, tritt hiervon. Sie sprechen mich an, die Helden, Autoren und Schicksalsträger. In buntem Durcheinander, ohne Rangeinhaltung, kommen sie daher...
Etwas steif die Herren Klassiker – Goethe, Schiller, Hölderlin und Hegel. Der Große aus Weimar lächelt – „...zwar weiß ich viel, doch möcht‘ ich alles wissen“ – „...gib es auf, nie erfährst du alles !“
Da tönt es fein durch die Nacht:“ Der Mond ist aufgegangen“ – Matthias Claudius reicht mir freundlich die Hand. Sein Gesicht strömt Ruhe aus. Hinter ihm erscheint Adalbert Stifter und möchte von seinem „Hochwald“ erzählen. Und da, wer könnte besser hierbei gehören: Eichendorff!
Der Zeiger der Uhr bewegt sich auf die erste Morgenstunde zu. Die da drinnen wissen, dass ihre Zeit dann abgelaufen ist. Sie drängen sich, jeder möchte noch zu Worte kommen. Ach, es sind doch viele Geister, die sich im Laufe der Jahre zusammengefunden haben und notgedrungen miteinander auskommen müssen. Immer wieder würfelt ungeduldige Menschenhand sie wüst durcheinander.
Einer grüßt mich besonders. Schmalgesichtig, ernsten Auges, ewiges Suchen und Fragen im Blick, er, den ich am liebsten mag: Ernst Wichert. Bunte Gesellen lösen ihn ab. Viele sind nicht klar zu erkennen, verworren ihre Gestalt wie ihre moderne Philosophie. Aus einer entlegenen Ecke, in der ein paar Kriegsbücher stehen, steigt es klirrend auf. Schreie, Detonationen und Säbelgerassel. Die da kommen sind mir zu grausig. Ich wende den Kopf ab.
Ja – wer ist denn da ? Ein Lasso schwingt durch die Luft, ich höre den Knall des nie fehlenden Henrystutzens. Da kommen sie – Old Shatterhand Arm in Arm mit Karl May ! Ich werde verlegen – „meine Herren, das geht doch nicht. Ihr Besuch ehrt mich, aber ich bin doch kein Knabe mehr“. Old Shatterhand lacht spitzbübisch : „Gut, wie sagen’s nicht weiter, dass du immer noch, wenn es keiner sieht, nach dem ‚Schatz im Silbersee‘ suchst, Howgh !“
Mit einem letzten Knistern verlöschen die Holzscheite im Kamin, fallen zu Asche zusammen. Da – es schlägt eins! Verschwunden ist alles, was ich gesehen habe. Still wird es im Bücherschrank. Ich reibe mir die Augen. Ich war wohl doch etwas eingenickt...

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Anno dazumal

5 Kommentare

Hallo, verehrte Gertraude König, genau so ist es. Und mir passiert es immer wieder !

Wenn ich ein spannendes Buch lese, werde auch ich abergläubisch: ich klappe es immer zu und lege es mit der Titelseite nach unten- damit ja nichts aus dem Buch "herauskriecht". Eine Angewohnheit aus meiner Kindheit, die sich bis heute gehalten hat.

Seit meiner Kindheit, als ich noch mit der Taschenlampe heimlich unter der Bettdecke las, kann ich nicht einschlafen, ohne im Bett in ein Buch geschaut zu haben. Vor etlichen Jahren waren das manchmal bis zu 2 Stunden (wenn der Buchinhalt es hergab). Heute schaffe ich bestenfalls 3 bis 4 Seiten bevor ich einschlafe und dabei das Buch immer noch krampfhaft festhalte. Wenn meine Frau dann im Laufe der Nacht einmal aufwacht, löscht sie mein Nachttischlicht und befreit mich mit sanfter Gewalt von dem Schmöker, ohne sich am nächsten Morgen darüber zu mokieren. Ich nehme das zum Anlass, ihr an dieser Stelle einmal öffentlich zu danken.

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