Bauer Thiele kaufte einst sein altes Lehnsland samt Pfarrhaus zurück

Das alte Pfarrhaus am Lindenberg : Landwirt Wilhelm Thiele erhielt sein altes Lehnsland wieder / Für rund 100.000 Mark von der Matthäusgemeinde zurückgekauft

Von Lothar Rolf Luhm

“Vermutlich hat das Land am Lindenberg Nr.5, auf dem das heutige Pfarrhaus steht, schon vor Jahrhunderten meinen Vorfahren gehört”, meinte der inzwischen verstorbene Landwirt Wilhelm Thiele, denn sein heutiger Bauernhof Am Lindenberg Nr.6 hatte im Erbenregister von 1667 die gleiche Registriernummer 24 wie einst das Pfarrhaus. Daraus ist zu schließen, dass seine Ahnen damals Lehnsland an die Kirche abtreten mussten. Immerhin sind die Thieles schon seit 1430 nachweislich in Lehrte ansässig und mit der Kirche eng verbunden. Darum hat Wilhelm Thiele auch weder Geld noch Mühe gescheut, Pfarrhaus nebst Grund und Boden wieder seinem Hof einzuverleiben, als dieses von der Matthäusgemeinde Lehrte zum Verkauf angeboten wurde.

Rund 100.000 Mark hat Wilhelm Thiele vor 30 Jahren für das etwa 160 Jahre alte Pfarrhaus bezahlt, das Mitte des 19. Jahrhunderts auf der Asche des an gleicher Stelle abgebrannten wieder aufgebaut wurde. Noch heute kann man auf einer Tafel an einer Nachbarscheune des Pastorenhauses folgenden Spruch lesen, den Küster Wiekenberg seinerzeit verfasst hat:
“Um 3 Uhr morgens am 8. Mai erschreckte uns plötzlich Feuergeschrei, drei Scheunen und zwei Häuser zusammen verzehrten schnell des Feuers Flammen. Unser Haus ist wunderbar erhalten. Dank sei dem Herrn für sein gnädiges Walten. Wir bitten ihn, dass er habe ferner auf uns Acht. – Meister Heinrich Frie - Christoph Müller – Dorothea Lüderitz 1848.

Ein Raub der Flammen wurden damals das Pfarrhaus, das Haus des Bauern German, die Pfarrscheune und auch die des Hofes Richelmann (Stille Gasse) sowie Germans Scheune an der Osterstraße. Der Torbalken des abgebrannten Pfarrhauses mit dem Namen des Pastoren Christopherus Klinkerfuß und der Jahreszahl 1621 konnte gerettet werden. Er soll später in eine Scheune im Lehrter Dorf eingebaut worden sein, doch niemand weiß, wo genau dieses geschehen ist.

Es ist also ziemlich sicher, dass das abgebrannte Pfarrhaus 227 Jahre alt geworden ist. In einem corpus bonorum ist nachzulesen, dass es bereits 1641 ein Pfarrhaus gab, das 1690 erneuert werden musste, weil es recht baufällig geworden war. Während des 30jährigen Krieges hatte niemand so recht gewagt, dass Haus zu pflegen , da die marodieren Truppen stets die Pfarrer und ihre Familien auf den Kieker hatten. Dieses 1621 erbaute Pfarrhaus wurde Anno 1848 ein Raub der Flammen.

Wilhelm Thiele sen. erinnerte sich noch an einige Pastoren, die in “seinem” Haus residierten. Das war einmal Pastor Alexander Schaumburg, der auch seinen Vater konfirmiert hat. Dann folgte Pastor Ernst Stöckmann, ein Bauernsohn aus Bilm, der im Jahre 1901 auf eigene Kosten die zum Pfarrhaus gehörende Scheune zum Konfirmandensaal umbauen ließ, in dem es sich später die Marine- Kameradschaft Lehrte als Untermieter gemütlich gemacht hat.

Im Jahr 1930 zog Pastor Georg Wilhelm Ungewitter mit Familie in das alte Fachwerkgebäude ein, dem seine in England lebende Tochter Renate Greenshilds ein Buch in englischer Sprache gewidmet hat. Unter dem Titel “Lucky Girl Goodbye” beschreibt sie ihre Kindheitserlebnisse im Lehrter Pfarrhaus.

Ab 1957 bewohnte Pastor Friedrich Bohl das alte Pfarrhaus, der aber 1965 nach Rethmar “auswanderte”, weil er hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Lehrter Bauern eine andere Auffassung vertrat und sich im Dorf nicht mehr wohl fühlte. Doch sollte man es ihm hoch anrechnen, dass er mit Hilfe der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung dazu beitrug, dass der Name der alten Dorfkirche, der seit rund 300 Jahren in Vergessenheit geraten war, wieder entdeckt wurde.

In einer alten Pfarrbesoldungsakte im Niedersächsischen Staatsarchiv Hannover hatte Margarete Werner aus Egestorf/Deister ein e alte Urkunde entdeckt und den Inhalt der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung mitgeteilt. Aus dem Schriftstück ist ersichtlich, dass Pastor Christopherus Klinkerfuß, der von 1623 bis 1673 Pastor in Lehrte war, auf eine Anfrage des Iltener Amtsvogts unter anderem antwortete:...dass unser Kirchenpatron soll heißen S. Nicolaus.” In einem weiteren Dokument des Burgdorfer Superintendenten an das Consistorium in Celle über die Aufbesserung der Einkünfte des Pastor Klinkerfuß vom 16.9.1667 heißt es : “Henning Stullen, der eine Kirchenmeyer, hat bißhero dem Pastorii von Claußlande jherlich entrichtet...” All das gilt als Beweis, dass Nicolaus als der Kirchenheilige dieses alten Kirche anzusehen ist.

Letzter kirchlicher Bewohner des Pfarrhauses war Pastor Jobst Eckell, der 1969 das damals etwas lädierte Pfarrhaus verließ, für das die Matthäusgemeinde fortan keine Verwendung mehr hatte.

Seit 1970 ist nunmehr wieder Wilhelm Thiele Besitzer des Pfarrhauses, in das er inzwischen nochmals rund 150.000 Mark investiert hat. Er hat eine neue Heizung einbauen lassen, das Fachwerk stabilisiert und auch die Fenster erneuert.
Das war allerdings nur zum Teil möglich, da die Denkmalschutzbehörde darauf bestanden hat, dass die Fenster in ihrer ursprünglichen Bauweise aus Holz erhalten bleiben müssen. Bereits eingesetzte Kunststofffenster musste er wieder entfernen.

Die Mieter der vier modern eingerichteten Wohnungen nehmen es gelassen. Und gelassen nimmt es auch Wilhelm Thiele junior, der inzwischen das Erbe seiner Väter angetreten hat. Und trotz der von Jahr zu Jahr steigenden Kosten ist auch er weiterhin bemüht, das alte Pfarrhaus als Schmuckstück für Stadt und Land zu erhalten,

Bürgerreporter:in:

Lothar Rolf Luhm aus Lehrte

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