Kindheit, Jugend, früher und damals

und der Versuch, diese Worte zu erklären

früher, ein Begriff für eine vergangene Zeit, angefüllt mit persönlichen Erinnerungen, nicht immer weltbewegende, aber doch solche, die irgendwie in unserem Leben eine Rolle spielten,
heute können wir, wenn wir an früher denken, darüber lächeln, weil es z.B. keine Computer gab, aber auch die Schultern zucken,

weil wir früher nicht überlegen mussten, wenn wir uns bückten, um uns die Schuhe zuzubinden, was wir sonst noch erledigen können, wo wir schon mal unten sind

(Kneipenwitz, irgendwo gehört)

die Erinnerung an früher kann die gesamte Bandbreite an Gefühlen auslösen, die denkbar  ist, 
Kindheit und Jugend lösen ähnliches aus, wobei der Übergang von der Kindheit zur Jugendzeit fließend ist, doch irgendwann tritt die Kinderzeit in den Hintergrund, die Jugendzeit löst sie ab, mit anderen Interessen, und anderen Erinnerungen

mit früher, mit Kindheit und Jugend kann es Erinnerungen geben, die wir mit anderen teilen, weil diese die gleichen oder ähnliche Situationen auch erlebt haben

unserer Generation stand früher, in unserer Jugend, die Welt nach dem Krieg wieder offen, im Radio hörte man Schlager von Italiens blau, gemeint waren Himmel und Meer, und in Lugano war es deshalb so schön, weil dort meistens die Sonne lacht, die Ressentiments gegen Deutschland nach dem Krieg schwächten sich langsam ab, und Auslandsreisen waren wieder möglich, und absolut in,

in den immer gut gefüllten Kinos zu Hause, von denen es allein in Hannover mindestens 12 gab, liefen Heimatfilme, Western mit John Wayne, Italowestern, Edgar Wallace- und Karl Mayfilme, und alle waren sie Kassenschlager,

vor jedem Film präsentierte uns die "Fox tönende Wochenschau" die Weltereignisse der letzten Woche

die Regenbogenpresse berichtete genüsslich von Brigitte Bardot und dem Playboy Gunter Sachs, und von den Szenen ihrer Ehe, die 1966 geschlossen tatsächlich bis 1969 hielt,

Alternativen hatte man kaum,

denn Skandale in der High Society waren noch Mangelware,

Fassungslosigkeit gab es dennoch,

als der beliebte Schauspieler O.W. Fischer von einer Reise in die USA zurückkehrte, und Kaugummi kauend das Flugzeug verließ, wurde das von zig Kameras für die Ewigkeit festgehalten,

und wer als Profifußballer nach Italien oder Spanien wechselte, hatte was auszuhalten
irgendwann in dieser Zeit entstand wohl auch der makabre Witz

ein Deutscher Fußballer wird gefragt, zu welchem Verein er denn gern wechseln möchte
der überlegt, und sagt dann
"entweder Madrid oder Barcelona, Hauptsache Italien"

auch Erotikfilme gab es schon, zunächst in zwei Varianten, eine angeblich deftige, die Südamerikaversion und eine abgeschwächte für die Nachmittagsvorführung, bis Oswald Kolle auch hier klare Verhältnisse schaffte, indem er Sex in Deutschland auch tagsüber gesellschaftsfähig machte, und dafür von der älteren Generation mehrheitlich kritisiert, und von einigen als Schweinehund beschimpft wurde,

"nach außen hin nahm er es gelassen hin"

irgendwie war alles überschaubar, und passte zusammen trotz der revolutionierenden 68er, die wir zumindest ein bisschen alle waren, obwohl die Hippizeit ihren Höhepunkt bereits 1967 hatte, und viel mehr bewirkte als das turbulente Jahr 1968

wie dem auch sei, wir liebten das Leben, und das Leben liebte uns,

wenn unsere Generation zurückdenkt, dann eher daran, dass wir erst mit 21 volljährig wurden, zu den Fahnen geeilt werden konnte man vorher trotzdem schon, doch den Führerschein oder einen Lehrvertrag abschließen durfte man vorher nicht, es sei denn mit der Erlaubnis unserer "Erziehungsberechtigten"

doch wir konnten ohne Angst nachts durch Hannovers Stadtwald, der Eilenriede gehen und wir waren Lehrlinge, keine "Auszubildende", welcher Begriff schöner ist, mag jeder für sich entscheiden,

und es gab, wie Loriot treffend bemerkte,
früher tatsächlich mehr Lametta

egal, erst 1970 aufgrund der Protestbewegungen der 60iger Jahre und animiert durch den damaligen Bundeskanzler Willi Brandt änderte sich so einiges, das aktive Wahlrecht wurde von 21 Jahren auf 18 Jahre gesenkt, und das passive Wahlrecht von 25 Jahren auf 21 Jahre,
nicht alles auf einen Schlag, erst 1975 wurde man mit 18 volljährig, konnte eigene Ideen verfolgen, und auf selbst gewählte Art kreativ sein, in welcher Form auch immer,

in der DDR verlief die Entwicklung etwas anders, dort war man bereits seit 1950 volljährig, sofern man 18 war

nicht alle in der jungen Bundesrepublik waren mit der neuen 18-Jahre-Regelung einverstanden, es gab Wiederstand von Seiten der Kirche und von Sozialverbänden, u.a. verwiesen sie darauf, man würde die jugendlichen zu früh aus der Obhut der Eltern reißen, und die alten Werte könnten nicht mehr ausreichend vermittelt und befolgt werden, als da waren in der Hauptsache,

"ein Herr ist ein Herr, und ein Knecht ist ein Knecht"
und sie prophezeiten ein soziales Chaos, sollte man das in Frage stellen

die alten Bärte fühlten sich bedroht, als absolut unerträglich empfanden viele von ihnen, dass die ganze Welt nun auch für Frauen offen stand,

Frauen, die womöglich auch noch die Hosen anhaben, nein, das könne nicht gut gehen, dann ginge die Welt unter

das war keine augenzwinkernde Floskel, sondern durchaus ernst gemeint,

die befürchtete Apokalypse blieb allerdings aus, doch so rückblickend bin ich ziemlich sicher, einige hätten sie tatsächlich gern gehabt, und sei es nur, um Recht zu behalten

und noch etwas anderes erinnert mich als 1944er an früher,

obwohl viele meines Jahrgangs, und nicht nur der, den Bombenhagel, die Zeit im Bunker, oder diese Zeit an sich nicht überlebt hatten, gibt es hinsichtlich Nachkriegszeit bei fast allen von uns die Erinnerung an eine wunderbare Kindheit,

das hört man immer wieder, wenn man gleichaltrige darauf anspricht, einschließlich unseres Altbundeskanzlers Gerhard Schröder, der auch dazu gehörte

im Laufe der 50er Jahre, spätestens mit Beginn der 60er Jahre endete so langsam unsere Kindheit, und im Laufe der 60er fast unbemerkt, unser eigenes "früher", ein anderes Kapitel wurde aufgeschlagen mit anderen Erinnerungen,

bei manchen dauerte es auch etwas länger, jedenfalls sagte mir das mal jemand,

zumindest sinngemäß

egal ?, nein, doch wie dem auch sei, die Zeit unserer Jugend begann,

mit dem ersten Auto, mit unserer Musik, aber auch mit dem Vietnamkrieg, mit dem Tod von Benno Ohnesorg während einer Demonstration in Berlin, dem Sechstagekrieg in Nahen Osten, und dem Mord an Che Guevara

mit schweren Unruhen in den USA, und mit Ärzten, die die Behandlung von Verletzten verweigerten, wenn diese kein Geld hatten, um sie zu bezahlen.

doch vor allem gab es die erste Liebe, die man nie vergisst, nie vergessen kann
und die manchmal ein Leben lang hält

der englische Musiker, Sänger und Schauspieler Tony Christie hält das für ein deutsches Phänomän, und meint

"wen die Deutschen lieben, den lieben sie für immer"

ich finde, damit kann man leben 

trotzdem kann die Erinnerung an einen geliebten Menschen unterschiedlich sein, schmunzelnd, amüsiert, oder schulterzuckend, vielleicht noch kurz die Frage, was ist wohl aus ihr geworden, und das war es dann

oder eben auch ganz anders, und spätestens jetzt kann es sein, das früher, Kindheit und Jugend nicht mehr passen

wenn wir an jenen Menschen denken nach all den Jahren, denken wir nicht an früher, sondern an damals

"weißt Du noch" kann man auch mit Kindheit, Jugend und früher verbinden
doch wenn wir damals meinen, klingt das ganz anders,

es ist auch etwas anderes

wenn man es denn sagen kann, das geht nicht immer, vielleicht, weil man sich nie wieder getroffen hat, zumindest nicht wirklich,  

trotzdem ist es ein besonderes Kapitel, möglichweise mit Folgen für ein ganzes Leben,

denn wenn wir in unserer Jugend ein anderes "damals" gehabt hätten, hätten wir vielleicht jetzt ein anderes "heute"

ob das gut wäre, muss jeder für sich selbst entscheiden

und ein bisschen von allem meint auch Gunther Emmerlich, wenn er singt

"Am Morgen des Lebens"

https://www.youtube.com/watch?v=Twxa-FF6XRE

Bürgerreporter:in:

Gerd Szallies aus Laatzen

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