Bürgermeister in Kreiensen – der Kandidat

Nach der Gemeinderatssitzung am 9.Dezember 2010 bitten die Fraktionsvorsitzenden der drei Fraktionen Bernd Huwald (CDU), Frank Doods (SPD) und Frank-Dieter Pferrerkorn (Bürgerliste – unabhängige Wählergemeinschaft) den Vertreter des Gandersheimer Kreisblatts zum Gespräch. Die drei Herren des Gemeinderates Kreiensen schlagen als gemeinsamen Kandidaten und damit als Nachfolger im Amt des Bürgermeisters – so das Gandersheimer Kreisblatt – den Fachbereichsleiter (Fachbereich 2) in der Gemeindeverwaltung Kreiensen Arnd Severidt vor. Dieser Kandidat sei parteilos. Ganz beiläufig wird noch mitgeteilt, dass die Parteigremien der SPD und CDU dem noch zustimmen müssten und im Übrigen könnten sich selbstverständlich auch andere bewerben und entschieden werde ja ohnehin erst am 11.September 2011 durch den Wähler.
Das mit dieser Meldung vom Gandersheimer Kreisblatt abgedruckte Bild zeigt den Kandidaten in der etwas nach links verschobenen Mitte, links von ihm die beiden Herren der SPD, Doods und Ronny Rode, der bisherige Bürgermeister, rechts vom Kandidaten die Vertreter der CDU: Huwald und Beatrix Tappe-Rostalski, rechts vom Kandidaten etwas im Hintergrund Pferrerkorn und Willi Teusch, beide Bürgerliste. Eine wohl nicht ganz zufällige Selbstorganisation.
Wir lesen weiter: der Kandidat sei ausgewählt worden, damit die „gedeihliche und erfolgreiche Arbeit zwischen Rat und Verwaltung nahtlos fortgesetzt werden“ kann.
Es ist eine Sache, wie Fraktionsvorsitzende mit ihren Parteien und deren Gremien umgehen – über gutes Benehmen mag man streiten (es ist eben nicht jedem gegeben) über das Demokratieverständnis aber nicht.
Der neue Bürgermeister, wer immer es wird, steht einer Gemeinde vor, die zur Zeit rund 7.200 Einwohner hat, seit Jahren mit einer fallenden Tendenz, etwa 50 pro Jahr. Der neue Bürgermeister übernimmt eine Gemeindeverwaltung mit 24,14 Stellen, besetzt mit rund 30 Mitarbeitern. Der neue Bürgermeister übernimmt einen stark defizitären Haushalt mit einem erheblichen Schuldenberg von rund 2,7 Millionen langfristige Schulden und rund 8,7 Millionen kurzfristige Schulden. Dazu kommen noch die Verpflichtungen aus den Pensionen in der Größenordnung von gut 2 bis 3 Millionen sowie Garantieverpflichtungen aus der Wasserversorgung in der Größenordnung von knapp unter 20 Millionen. Der Haushalt ist auf die neue Form seit einem Jahr umgestellt, die Eröffnungsbilanz liegt noch immer nicht vor.
Die Gemeinde hat zwei abrechnende Einheiten. Das eine sind die Friedhöfe, die nach Satzung abrechnen und kaum aus dem allgemeinen Haushalt einen Zuschuss bekommen, die Gebühren zeigen eine steigende Tendenz. Das andere ist die Wasserver- und -entsorgung, formal ausgegliedert in eine GmbH, Abrechnung über ständig steigende Gebühren. Diese Gebührensteigerung wird offiziell mit der fallenden Bevölkerungszahl sowie dem fallenden Wasserverbrauch je Einwohner begründet. Gegen das eine ist kaum etwas zu machen, das andere wird durch die steigenden Gebühren alljährlich kräftig gefördert.
Seit Jahren wird in Kreiensen über die „Interkommunale Zusammenarbeit“ geredet, aber eben nur geredet um die eigentlich erforderliche Gemeindefusion möglichst abzuwehren. In dem jüngst vorgelegten „Hesse-Gutachten“, Auftraggeber Landesinnenministerium, wird diese „interkommunale Zusammenarbeit“ als gescheitert bezeichnet und damit die Fusion der Gemeinden gefordert. Ursache sind die persönlichen, privaten Interessen der lokalen Entscheidungsträger: eine Gemeindefusion macht viele Stellen in der Gemeindeverwaltung überflüssig, kostet Gemeinderatssitze und Bürgermeisterposten.
Vor dem neuen Bürgermeister stehen viele Aufgaben, die zum Wohle der Bürger gelöst werden müssen und darum einen selbstbewussten Bürgermeister erfordern. Die Fraktionsvorsitzenden aber wollen einen pflegeleichten Bürgermeister, damit die „gedeihliche und erfolgreiche Arbeit zwischen Rat und Verwaltung nahtlos fortgesetzt werden“ kann. Diese gedeihliche Zusammenarbeit sieht praktisch so aus: sollte jemand in einem der vier öffentlich tagenden Ausschüsse es wagen, eine relevante Frage zu stellen, wird eine sachliche Antwort mit dem Hinweis auf die anwesende Öffentlichkeit abgelehnt. Die Ausschusssitzungen bringen also keine Information für den interessierten Bürger – die lokale Presse berichtet daher nicht. Selbst aus den Ratssitzungen ist kaum etwas Sinnvolles zu hören.
Der neue Bürgermeister, wer immer es auch sein wird, wird unter der zur Zeit gerade im Gesetzgebungsverfahren befindlichen zum 1. November 2011 in Kraft tretenden „Kommunalverfassung“, die die bisherigen NGO (Niedersächsische Gemeindeordnung) und NLO (Niedersächsische Landkreisordnung) ablösen wird, arbeiten müssen.
Der neue Bürgermeister wird an das für die Bundesländer ab 2020 eintretenden (Neu-)Verschuldungsverbot gebunden sein. Er muss also für einen ausgeglichenen Haushalt sorgen. Und wenn auch bis dahin noch einmal in 2016 gewählt wird, so sollte er doch bereits vorher die entscheidenden Voraussetzungen dafür schaffen.
Der neue Bürgermeister wird den begonnenen Personalabbau tatkräftig fortsetzen müssen, und damit die sich aus der „Interkommunalen Zusammenarbeit“ ergebenden Einsparen nehmen müssen.
Der neue Bürgermeister wird die unumgängliche Gemeindefusion betreiben und möglicherweise auch durchführen müssen. Besser man tut das unvermeidliche bei Zeiten selbst, wenn auch mehr dem Zwang gehorchend als dem eigenen Triebe, als zu warten, dass Regelungen von oben angeordnet und erzwungen werden, denn dann ist der eigene Gestaltungsspielraum minimal.
Wer will, kann sich noch als neuer Bürgermeister von Kreiensen im Landkreis Northeim im Süden Niedersachsens als Kandidat zur Wahl stellen. Der Bürgermeister ist nach geltendem Recht „Beamter auf Zeit“ mit der Besoldungsstufe A15. Wer Mitglied der SPD ist und sich damit gegen die Entscheidung der Partei stellt, muss mit der Rache der Partei rechnen: bei der letzten Bürgermeisterwahl haben dies die beiden (nicht gewählten) Kandidaten erfahren müssen, sie wurden aus der Partei und aus dem Gemeinderat gedrängt.

22.12.2010
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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