Wofür brauchen wir Landkreise?

Seit Ende 2009 zwei Landräte ihre Absicht verkündeten, ihre Landkreise zu fusionieren und der wilde Aufschrei der nicht gefragten ihre egoistischen Interessen verfolgenden Demagogen durchs Land hallte, ist das Thema der Landkreisfusion wieder im Gespräch. Die SPD will dabei die Bürgerinnen und Bürger (wohin?) mitnehmen – und spricht mit den Bürgern nicht. Der Landrat möchte die Bürger informieren – aber erst später.
Niedersachsen mit seiner Fläche von 47.626 Quadratkilometern und seinen 7.947.244 Einwohnern (Stand 31.12.2008) ist nach der Auflösung der Regierungsbezirke vor ein paar Jahren gegliedert in 8 kreisfreie Städte, 38 Landkreise und 1026 Gemeinden. Die kreisfreien Städte sind (Stand 31.12.2008 – Fläche / Einwohner): Braunschweig: 192 / 246.012; Salzgitter: 223 / 104.423; Wolfsburg: 204 / 120.538; Delmenhorst: 62 / 74.751; Emden: 112 / 51.562; Oldenburg: 102 / 160.279; Osnabrück: 119 / 163.286; Wilhelmshaven: 106 / 81.411; außerdem gibt es noch die Region Hannover: 2.290 / 2.149.181. - Zum Vergleich: Göttingen Stadt: 117 / 121.455. Diese Liste der kreisfreien Städte zeigt: ganz offensichtlich geht es völlig ohne Landkreise.
Die Demagogen schwätzen von der „Nähe zum Bürger“. Nun gut, aber ist „Nähe zum Bürger“ etwas objektiv Positives? Hängt die „Nähe zum Bürger“ von der Größe einer Verwaltungseinheit ab – egal ob nach Fläche oder Bevölkerungszahl gemessen? Wenn das so wäre, dann müssten wir die Verwaltungsstrukturen zerschlagen und möglichst kleinteilig machen. Die tatsächliche Entwicklung läuft allerdings seit Jahrzehnten hier und anderenorts mit Billigung aller Parteien genau in die andere Richtung hin zu größeren Einheiten, also zu Fusionen.
Es soll ein Gutachten geben – so will es der Kreistag, weil die SPD es so will (und inzwischen auch die CDU). Ein Gutachten über den Sinn oder Unsinn einer Landkreisfusion allgemein und einer ganz bestimmten im besonderen: Holzminden + Northeim, also der neue Landkreis „Solling“. Das Gutachten soll „Ergebnis offen“ sein. Aber was soll da „begutachtet“ werden? Wer will nach welchen Maßstäben bewerten? Als die SPD noch konstruktiv dachte, sprach sie von 10 oder 12 oder 15 Landkreisen als Ziel einer Reform in Niedersachsen – aber wo kommen diese Zahlen her und warum nicht 5 oder 2 oder 1? In dem Beschluss der SPD auf ihrer Südniedersachsenkonferenz (ohne Goslar!) wird von 550.000 Einwohnern gesprochen um die es ginge, dies sind ziemlich genau die Kreise Göttingen (Stadt und Land), Northeim, Holzminden, Osterode – soll das also der neue Landkreis „Südniedersachsen“ sein?
Wenn das Gutachten etwas zur Frage der Fusion von Landkreisen aussagen soll, dann lautet die erste Frage eigentlich: Wie viel Landkreise braucht das Land? Und dahinter steht die Kernfrage: Wozu brauchen wir überhaupt Landkreise? Welche Aufgaben haben (heute) die Landkreise – und, ließen diese sich nicht auch einerseits von der Landesregierung (z.B. Kommunalaufsicht) und zum anderen den Kommunen übernehmen? Wenn dabei eine Kommune glaubt, ihren Anteil nicht (allein) erfüllen zu können oder zu wollen, dann gibt es ja das neue Zauberwort von der Interkommunalen Zusammenarbeit – praktisch also: die eine Gemeinde zahlt und die andere macht die Arbeit (wie kürzlich vorgeführt von Kreiensen und Bad Gandersheim). Damit wäre dann auch so ganz nebenbei die Forderung von der „Nähe zum Bürger“ erfüllt. Rechtlich ist die Auflösung von Landkreisen kein Problem, sie ist bereits im Paragraphen 14 Absatz 1 der NLO (Niedersächsische Landkreisordnung) ausdrücklich als Möglichkeit vorgesehen.
Also noch einmal: Wozu brauchen wir Landkreise? Sind die Landkreise ein Zwitter? Sind sie einerseits der verlängerte Arm der Landesregierung, so etwas wie ein ausgelagertes Referat des Innenministeriums? Oder sind sie vielmehr andererseits eine besondere Art der Interkommunalen Zusammenarbeit, eine Auslagerung von Gemeindeaufgaben? Immerhin wechselte ja bereits öfter die Ausführung einer Aufgabe zwischen einer Gemeinde und dem Landkreis.
Es kann doch nicht sein, dass es lediglich um den an bewährte Genossen zu vergebenden Posten des Landrats und um die schönen Sitze im Kreistag geht, wo schnell mal die Müllgebührenerhöhung – selbstverständlich im Bürgerinteresse - abgesegnet wird, ohne dass auch nur einer sich die Vorlage genau angesehen hat, denn dann hätten ja einige Merkwürdigkeiten daran auffallen müssen.
Noch einmal: Wozu brauchen wir Landkreise (– und einen Kreistag)?

13.02.2010
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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