Patienten-Quittung

Die Kosten in unserem Gesundheitssystem sind hoch, zu hoch, die Beiträge sind folglich auch hoch, zu hoch. Nun gibt es eine neue Idee: die Patienten-Quittung. Jeder Arzt soll jedem Patienten eine Quittung über die von ihm erbrachten Leistungen und deren Kosten ausstellen – so wie jeder Privatpatient eine Rechnung bekommt. - Und was bringt das?
Für den Nicht-Mediziner ist eine Arztrechnung schlicht unverständlich. Die Bezeichnungen der Leistungen sind abgekürzt und nicht nur deswegen unverständlich. Da gibt es (oft aber nicht immer) einen Schlüssel, der auf eine Gebührenordnung verweist – nur diese Gebührenordnung liegt dem Patienten nicht vor. Dann gibt es einen Wert in Euro für die Leistung, nicht nachprüfbar, weil eben die Gebührenordnung nicht vorliegt. Dann steht da eine Steigerungszahl, ein Faktor mit dem der zuvor geschriebene Wert zu multiplizieren ist, erst das Produkt ist der wirkliche Wert der Leistung in Euro. Diese Steigerungszahl, dieser Faktor, liegt so zwischen 0,8 und 2,3 und höher. So also sieht eine normale Arztrechnung für Privatpatienten aus. Ob jede dieser Leistungen erbracht wurde und wichtiger, ob sie auch „medizinisch notwendig“ war, ist eine ganz andere Frage. Ich habe Grund zu der Annahme, dass sowohl nicht erbrachte Leistungen abgerechnet werden, dies wäre dann eindeutig Betrug, viel öfter aber unsinnige Leistungen zwar ausgeführt und abgerechnet werden, aber eben doch reine Geldschneiderei sind. Ein Teil dieser Nonsinns-Leistungen werden übrigens nur Privatpatienten angeboten und ausgeführt, weil die privaten Krankenversicherungen auch solche Leistungen bezahlen, Kassenpatienten bleiben von derartigen Dingen verschont, weil die Kassen es nicht bezahlen.
Eine Leistung steht immer gleich als erste auf der Rechnung – und ist fast immer nicht erbracht worden: „[eingehende] Beratung, gegebenenfalls auch telefonisch“, sie hat einen Wert von 4,66 und einen Faktor von 2,30 macht 10,72 Euro. Findet überhaupt eine Beratung statt (Zahnarzt: „besser putzen!“)? Die Beratung ist die wichtigste Leistung des Arztes – aber sie ist so schlecht bezahlt, dass der Arzt dafür keine Zeit hat. Die Beratung müsste deutlich höher bezahlt werden, dann könnte sich der Arzt auch die Zeit dafür nehmen, dann könnten wegen der besseren Beratung viele andere Leistungen gespart werden, weil manche Erkrankung gar nicht erst entsteht oder sich der Patient selbst helfen kann.
Und damit sind wir beim eigentlichen Problem unseres Gesundheitssystems. Der Arzt wird bezahlt für erbrachte Leistungen. Ob diese Leistungen notwendig und sinnvoll sind, bestimmt praktisch immer der Arzt allein („Wenn Sie schon mal hier sind, dann können wir ja auch gleich noch ...“). Und der Arzt will leben – so kommt es zu vielen unsinnigen nicht notwendigen nicht geforderten Leistungen, die aber alle bezahlt werden wollen, und dabei hilft unser Abrechnungssystem.
Umgekehrt, der Patient ist ja auch Beitragszahler. Die Beiträge sind hoch, also folgert der Patient, dafür kann ich auch was verlangen – und tut es – und der Arzt folgt diesem Patientenwunsch und schreibt auch noch ein Rezept für Medikamente, die zwar nichts nützen aber hoffentlich auch wenigstens nicht schaden. Wer sieht sich schon die Beipackzettel an und kann dann dort erstaunt lesen, dass eben dieses so teuer bezahlte Medikament nicht zugelassen ist – um dann im Netz zu suchen und dort zu lesen, dass eben dieses Medikament keine Zulassung bekommen hat wegen „erwiesener Wirkungslosigkeit“!
Übrigens, Privatpatienten werden keineswegs bei jedem Arzt und immer besser behandelt als Kassenpatienten. Aber dafür zahlen sie für die gleiche Leistung 10 bis 20 Prozent mehr (siehe den Steigerungsfaktor). Privatpatienten sind für den Arzt daher besonders wertvoll.
Unser Gesundheitssystem verlangt vom Arzt etwas Widersinniges zu tun: der Arzt soll den Patienten so wirtschaftlich wie möglich behandeln, er soll also so handeln, dass seine eigenen Einnahmen möglichst gering sind! An diesem Interessenkonflikt scheitert unser Gesundheitssystem in seiner gegenwärtigen Form. Hier ist eine grundsätzliche Änderung erforderlich.

16.08.2010
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.