Niedersachsen, Fusion der Landkreise

Seit vielen Jahren wird in Niedersachsen über eine Gebietsreform der Landkreise und kreisfreien Städte immer mal wieder diskutiert. Vor der letzten Wahl, als die SPD noch glaubte an die Regierung zu kommen und unser Abgeordneter Uwe Schwarz (SPD) noch hoffte ein Ministeramt zu ergattern, kommentierte er eine Frage, ob er hier im Landkreis Northeim Landrat werden wolle mit der Bemerkung, nein, denn es sei gar nicht sicher, dass dann dieser Landkreis noch besteht. Nun, dieser Landkreis besteht noch und Landrat wurde ein Wickmann (SPD).
Als wir in Niedersachsen noch die Bezirke hatten, ging es hier im Süden nur um die nähere Zusammenarbeit, vielleicht auch Fusion, der Landkreise Northeim, Osterode am Harz und Göttingen. Auch als vor Jahren die Bezirke aufgehoben wurden, blieb es in der Diskussion bei dieser Kombination. Allerdings hatte wohl weder Göttingen noch Osterode so die richtige Liebe für diese Heirat.
Nun, von den unnötigen Grenzen der Regierungsbezirke endlich befreit, kam plötzlich die Idee auf, es doch mal mit Holzminden zu versuchen. Und Holzminden, derzeit ebenfalls von einem SPD-Landrat regiert, zeigte Interesse. Pflichtgemäß und gesetzestreu wurde diese Idee dem Innenministerium in Hannover angezeigt, das seinerseits sein Wohlwollen signalisierte.
Nun teilte der Northeimer Landrat Wickmann diese Entwicklung wohl den Parteien so vorsichtig mit, dass die örtliche Presse, das Gandersheimer Kreisblatt (GK) dies nicht als große Meldung herausstelle. Bekannt wurde diese Idee erst durch das Aufheulen der Parteien, die sich beschwerten, nicht zuvor untertänigst gefragt worden zu sein. Hierzu schrieb ich im GK:
Fusion der Kreise
Im GK vom 07.11.2009 kommt der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion, Heiner Hegeler, gleich zweimal zu Wort: erst spricht er über den unausgeglichenen Haushalt des Landkreises Northeim (Schuld ist der Landrat, SPD – oder wer sonst?), dann beklagt er sich über die vom Landrat eingefädelten Gespräche über eine mögliche Fusion mit dem Nachbarkreis Holzminden, diesmal unterstützt von seinem Konkurrenten Uwe Schwarz, SPD. Beide betonen, dass sie nicht gefragt wurden – aber warum auch, was haben sie denn Positives, Konstruktives zu dieser Frage bisher zu sagen gewusst? Die von der SPD geforderte und von der Regierung abgelehnte Kommission bringt die Sache doch auch nicht weiter, denn was sollte, was könnte sie bringen?
Es ist bekannt, dass der Zusammenschluss mehrerer Kreise viele Vorteile bringt, auch und gerade für die Haushalte der Kreise. Bisher hat sich jedenfalls noch kein Vertreter einer Partei, ob in der Regierung oder Opposition, gegen die Forderung der Neuordnung der Kreise durch Fusionen ausgesprochen.
Bleiben einige Kenndaten zur Realisation:
1.Die Landesgrenzen von Niedersachsen werden beachtet.
2.Es werden nur geographisch zusammenhängende Kreise zusammengeschlossen.
3.Es wird keine heute bestehende Verwaltungseinheit zerrissen, es werden nur ganze Kreise vereinigt.
4.Mit der Abschaffung der Regierungsbezirke wird es jetzt möglich diese alten Grenzen zu überwinden.
Ein Blick auf die Karte zeigt: der Landkreis Northeim grenzt an fünf andere Landkreise, drei davon liegen an der Grenze Niedersachsens. Es ist also nur naheliegend, dass es mit diesen Fusionsgedanken gibt. Übrigens: Niedersachsen hat eine Fläche von rund 47.600 Quadratkilometern und rund 8 Millionen Einwohner sowie derzeit 38 Landkreise und 8 kreisfreie Städte. Bei dem angedachten Ziel von 15 Landkreisen ergibt das einen Mittelwert von 3173 Quadratkilometern und rund 533.000 Einwohner. Mit 3712 Quadratkilometern und rund 581.000 Einwohnern läge der neue Kreis, bestehend aus den bisherigen Kreisen Göttingen, Osterode, Holzminden, Northeim recht gut im Mittel.
Also, Herr Wickmann, weitermachen und beginnen wir, wenns sich denn so ergibt, mit Holzminden, und bitte Abschluss rechtzeitig zur nächsten Kommunalwahl 2011!
Soweit dieses Zitat.
Nach diesem Vorstoß des Northeimer Landrats begann vorwiegend die SPD aktiv zu werden, dabei versuchte sie, die FDP auf ihre Seite zu ziehen. Zunächst war man schlicht dagegen und verweigerte sogar die Teilnahme an einer gemeinsamen Information beider Landräte. Dann bemerkte die SPD, dass man nicht einerseits seit Jahren von einer Gebietsreform der Landkreise sprechen kann – man hatte ja sogar vor der letzten Wahl einen eigenen Vorschlag für „nach der Wahl“ angekündigt, der dann aber, wohl wegen des unerwarteten Wahlergebnisses nicht kam. Statt dessen wurde nun eine Enquete-Kommission gefordert, die prompt von der neuen Landtagsmehrheit abgelehnt wurde. Bei diesem hektischen Treiben vergaßen die Parteistrategen einmal ins Gesetz zu schauen. Ich schrieb daher im Gandersheimer Kreisblatt:
Kreisfusion - Fakten
Rechtliche Grundlage ist die NLO (Niedersächsische Landkreisordnung), hier der Dritte Teil mit den Paragraphen 13 bis 16. Hier die wichtigsten Vorschriften:
§ 14 Gebietsänderungen:
„(1) Aus Gründen des Gemeinwohls können Landkreise aufgelöst, vereinigt oder neu gebildet und Gebietsteile von Landkreisen umgegliedert werden (Gebietsänderungen).
(2) Gebietsänderungen bedürfen eines Gesetzes. Gebietsteile können auch durch Vertrag der beteiligten Landkreise umgegliedert werden; der Vertrag bedarf der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde. Vor jeder Gebietsänderung durch Gesetz sind die beteiligten Landkreise zu hören.
(3) Die Landkreise haben ihre Absicht, über die Änderung ihres Gebiets zu verhandeln, rechtzeitig der Kommunalaufsichtsbehörde anzuzeigen. Die Kommunalaufsichtsbehörde kann jederzeit die Leitung der Verhandlungen übernehmen.“
§ 70 Kommunalaufsichtsbehörde:
„(1) Die Kommunalaufsicht über die Landkreise führt das für Inneres zuständige Ministerium als Kommunalaufsichtsbehörde.
(2) ...“
§ 36 Zuständigkeit des Kreistages:
„(1) Der Kreistag beschließt ausschließlich über
1. ...
4. Gebietsänderungen und den Abschluss von Gebietsänderungsverträgen,
5. ...“
Für den praktischen Gebrauch bedeuten diese Gesetzesregelungen:
Ohne Mitwirkung des Innenministeriums geht gar nichts.
Gebietsänderungen der Kreise können sowohl mit als auch gegen den erklärten Willen der betroffenen erfolgen.
Die im Gesetz gewählte Formulierung „sind zu hören“ bedeutet (bei Böswilligkeit) praktisch nur, dass ihnen die Entscheidungen des Innenministeriums mitgeteilt werden und sie aufgefordert werden, dazu ihre Meinung zu sagen. Nur, es ist völlig gleichgültig, ob sie überhaupt etwas sagen, und wenn, was, es muss sich niemand darum kümmern. Wenn man so will, eine Form der Höflichkeit aber ohne jede Entscheidungsrelevanz.
Interessant ist, dass es keine Beteiligung der Bürger an diesem Verfahren gibt.
Die im Landtag vertretenen Parteien können im Zuge der Gesetzgebung in den Ausschüssen und dem Plenum auf das Gesetz einwirken.
Die im Kreistag vertretenen Parteien und Gruppen können über die dortigen Ausschüsse sowie des Plenums ihren Einfluss ausüben.
Irgendwelche Gutachtergremien sind nicht vorgesehen.
Das Thema der Gebietsreform der Kreise, praktisch also die Zusammenlegung von bisherigen Kreisen, ist seit etlichen Jahren (so zwischen fünf bis zehn) in der Diskussion. Jede Partei hatte also hinreichend Zeit, sich zu diesem Thema sachkundig zu machen, ihre Meinung zu bilden und sie in die Diskussion einzubringen.
Für die Zusammenlegung von Kreisen in Niedersachsen gilt allgemein:
Die Landesgrenzen Niedersachsens werden beachtet.
Es werden nur geographisch zusammenhängende Kreise vereinigt.
Es werden nur ganze Kreise vereinigt – es werden keine bestehenden Verwaltungseinheiten zerschlagen.
Mit der Abschaffung der Regierungsbezirke sind deren alte Grenzen nicht mehr zu beachten.
Soweit dieses Zitat.
Eilig fanden sich etliche Bürgermeister der Gemeinden im Landkreis Northeim zusammen und taten ihre Meinung zur gedachten Landkreisfusion kund. Sie taten dies allerdings sehr vorsichtig, offenbar durchaus in Kenntnis der Rechtslage, dass sie nämlich bei einer Kreisfusion nichts zu sagen haben.
Indessen zeigte die örtliche SPD etliche Aktivitäten. Da wurde eine „Funktionärskonferenz“ einberufen, man holte einen alten Veteranen der Kreisreform von vor 30 Jahren ans Rednerpult, der warnte davor, die gleichen Fehler wie damals zu wiederholen. Zur Sache selbst wurde über seinen Vortrag nur berichtet, dass er – zu recht – feststellte, dass eine teilweise Schuldenübernahme durch das Land kein ausreichender Grund für eine Kreisfusion ist. Nun soll eine SPD-Mitgliederversammlung folgen. Man hört, dass die SPD ein „ergebnisoffenes“ Gutachten verlangt – und gleichzeitig dass man die „Bürgerinnen und Bürger“ „mitnehmen“ müsse – aber mitnehmen wohin?
Das ganze ein ziemlich kopfloses Treiben. Wenn ein Gutachten, „ergebnisoffen“ nun zum Schluss käme, dass man am besten nichts ändert, warum und wohin will man dann die lieben Bürgerinnen und Bürger mitnehmen? Zumal den Bürgern (bis auf wenige Ausnahmen) das ganze ohnehin ziemlich gleichgültig ist.
Die Bremser haben ihr erstes Ziel inzwischen erreicht: der Landrat in Northeim muss die Nachbarkreise Osterode und Göttingen um ihre Meinung befragen, und dann soll erstmal das geforderte Gutachten, von wem auch immer, verfasst werden. Damit geht wichtige Zeit verloren, der von Wickmann gedachte Termin, bis zur Kommunalwahl 2011, wird so wohl nicht zu halten sein.
Die Fusion ist in Wahrheit nur eine Frage der inneren Verwaltung, eine Fusion gibt die Möglichkeit, viele Kosten zu sparen, vor allem im Personalbereich – mit den wegfallenden Landratsposten ist es ja nicht getan.
Für die Parteien geht es aber auch um etwas ganz anderes: es geht um Posten, auch um Sitze in den Kreistagen. In Abhängigkeit von der Bevölkerungszahl haben die Kreistage im Landkreis Northeim 50 Sitze, im Landkreis Holzminden 42 Sitze, im Landkreis Osterode am Harz 42 Sitze und im Landkreis Göttingen 64 Sitze, macht zusammen 198. Eine Fusion dieser vier Landkreise käme nur auf 70 Sitze im neuen Kreistag, nachzulesen in Paragraph 27 der Niedersächsischen Landkreisordnung (NLO). Und wenn man will kann diese Zahl auch noch um 2, 4 oder 6 Mandate gekürzt werden. Da mag sich so mancher Kreistagsabgeordnete schon mal seine Chancen auf eine Wiederwahl ausrechnen – und dann gegen das Allgemeinwohl und für den eigenen Mandatserhalt stimmen.

14.12.2009
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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