Landkreisfusion – das Gutachten

Die SPD wollte es schon immer, die FDP nickt als Koalitionspartner, die Grünen geben Anregungen, die CDU ist nicht dagegen und der Landrat hat bereits zwei Firmen dafür benannt: bekannte, seriöse, fachkundige Firmen, alles ausgewiesen durch bereits von ihnen vorgelegte Gutachten in vergleichbaren, ähnlichen Fällen.
Northeim soll es richten, Osterode und Göttingen (Stadt und Land) wollen dabei sein, Holzminden wird geduldet, Hameln und Hildesheim lehnen ab, Goslar wird nicht gefragt. Ganz neue Ausgangslage, denn wenn Holzminden + Northeim, dann hat Osterode kaum eine Alternative und Göttingen sieht seine Bevölkerungsübermacht schwinden. - Damit ist ja nun schon mal einiges entschieden, ganz ohne Gutachten.
Die Qualifikation der angedachten Firmen sind die bereits von diesen Firmen verfassten Gutachten – für ähnliche, vergleichbare Fälle. Also ist das neue geforderte Gutachten auch vergleichbar oder anders: warum ein neues Gutachten, wenn vergleichbare ähnliche bereits vorliegen? Wie sieht denn so ein Gutachten aus?
Da sind zunächst die Anlagen, so drei bis fünf dicke Aktenordner, angefüllt mit Tabellen und Graphiken: Säulen, Torten, Kurven, also mit allem, was sich mit billiger Standardsoftware schnell machen lässt, zusammengeklaut aus anderen (öffentlichen) Quellen und schon hundert Mal veröffentlicht und allgemein bekannt. Dann ist da das Gutachten, mindestens 500 Blatt dick, wunderbar gedruckt, es wird das erzählt, was in den Anlagen auch schon steht, nur in anderer Reihenfolge. Und dann die Zusammenfassung, maximal dreißig Seiten, denn mehr wird ohnehin nicht gelesen. Die Rechnung lautet auf 500.000 Euro, und nur um diesen Betrag zu begründen, das viele Papier, diese Masse ersetzt den fehlenden Inhalt, – man liefert auch bereitwillig fünfhundert Exemplare, damit auch jeder etwas Gewichtiges herumtragen kann.
Verzeihen Sie mir, lieber Leser, aber derartige Gutachten, in ähnlichen Fällen schon mehrfach! (das war doch der Beweis der Gutachterqualifikation!) geschrieben, werden dann als Wiederholung einfach abgeschrieben, im günstigsten Fall von sich selber, sonst von anderen, geistiger Diebstahl und Plagiate sind üblich. Selbstverständlich sind die Ortsnamen und die zugehörigen Daten geändert und angepasst, aber das ist keine geistige Leistung, sondern simple Schreibarbeit. Selbstverständlich wird über fünfzig Seiten der „demographische Wandel“ in Wort und Bild dargestellt, denn alle reden davon, und die, die davon nichts verstehen, am lautesten. Die Fachleute wissen schon seit mehreren Jahrzehnten, dass es zu wenig Geborene gibt, aber es hat keiner auf sie hören wollen.
Das Gutachten wird aussagen:
Ein Zusammenschluss von Landkreisen wird die strukturellen Finanzprobleme der Landkreise nicht lösen.
Das Angebot der Landesregierung, eine Fusion durch teilweise Übernahme der kurzfristigen Schulden zu fördern, ist kein Grund für eine Landkreisfusion.
Der demographische Wandel, der Rückgang der Bevölkerungszahl, wird von Landkreisfusionen nicht beeinflusst.
In der Verwaltung kann durch Personalabbau gespart werden, je Stelle rund 50.000 Euro jährlich. Der Stellenabbau kann aber wegen der praktischen Unkündbarkeit im Öffentlichen Dienst nur relativ langsam erfolgen -ein bis drei Prozent der Stellen jährlich ist möglich. Wenn das Gutachten gut ist, gibt es einen Zielwert der möglichen Personaleinsparung (in Stellen) an, zum Beispiel zwanzig Prozent.
Auswirkungen für die Bürger hat eine Landkreisfusion praktisch nicht.
Die Entscheidung, ob überhaupt, und wenn, wer mit wem fusioniert, ist immer eine politische Entscheidung. Die Bewertung der Vor- und Nachteile einer Landkreisfusion müssen die Entscheidungsträger selbst durchführen.
Und mit diesem letzten Satz ist alles gesagt, die Entscheidung wird den Politikern nicht abgenommen, das Gutachten liefert dafür keine neuen Erkenntnisse. Wir stehen wieder am Anfang. Vielleicht versuchen wir es mal statt mit einem überteuerten Gutachten mit Selberdenken?
Übrigens, Sachsen hat zum 01.06.2008 seine Kreise neu gegliedert und aus 22 alten Landkreisen und 7 kreisfreien Städten jetzt 10 Landkreise gemacht. Sachsen-Anhalt ist gerade in einer Gemeindegebietsreform, aus 1036 Gemeinden sollen zum 01.01.2011 219 Gemeinden werden, auf freiwilliger Basis ist man bis jetzt bei 365 bereits angekommen. Thüringen ist ebenfalls am Umbau. - Aktuelle Erfahrungen über derartige Gebietsreformen, immer Fusionen, liegen also hinreichend vor.
Und noch etwas: wenn dieses eigentlich nicht notwendige Gutachten – und es wird kommen, weil keiner mehr wagt dagegen zu sein – demnächst vorgelegt wird, dann bitte stellt es vollständig und mit allen Anlagen ins Netz, gut lesbar als .pdf-Datei, leicht auffindbar in allen Seiten der beteiligten Landkreise. Das verursacht praktisch keine Kosten und der Bürger will es selbst lesen und selbst bewerten.

13.02.2010
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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