Anonymus – wie sicher bist du?

Annahme:
Anonymus schreibt in myheimat: „Unsere Spanisch -Lehrerin ist eine alte Ziege und der Große aus der 11. ist auch blöd.“ Das ist der ganze Betrag.
Fragen:
* Wer ist die alte Ziege?
* Wer ist blöd?
* Wer ist Anonymus?
Zunächst aber etwas Theorie oder Mathematik oder ganz einfach Logik.
Um Etwas, eine Information, aus mehreren Angaben herauszufiltern, wendet man die „logischen Verknüpfungen“ an: UND, ODER, XOR (exklusiv-oder). In den folgenden Übersichten verknüpfen wir jeweils A mit B bitweise:
.....................UND........ODER........XOR
.........A.........1100.........1100...........1100
.........B.........1010.........1010...........1010
Ergebnis:.....1000..........1110...........0110
(Lies: 1 und 1 ergibt: 1; 1 und 0 ergibt: 0; 0 und 1 ergibt: 0; 0 und 0 ergibt: 0 – und entsprechend für ODER und XOR)
Es gilt in allen Fällen: 0 mit 0 verknüpft ergibt immer 0.
1 mit 0 verknüpft ergibt bei ODER und XOR immer 1.
1 mit 1 verknüpft ergibt nur bei XOR 0.
Wer will, mag sich überlegen, welche dieser logischen Verknüpfungen sich als binäre Addition eignet und wie das mit dem Überlauf ist.
Übrigens: verknüpft man bei XOR das Ergebnis noch einmal mit einem der Ausgangswerte, bekommt man den jeweils anderen Ausgangswert:
..........................XOR................XOR
Ergebnis:...........0110................0110
....................A...1100............B..1010
ergibt:................1010 = B.........1100 = A
Auf diesem Zusammenhang beruhen (unter anderem) Chiffreverfahren.
Diese logischen Verknüpfungen arbeiten normal mit absoluter Sicherheit, also eine 1 ist auch immer eine 1 und der Wert 0 ist auch immer eine 0. Wir aber arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten, die 1 ist nicht mehr sicher eine 1, es könnte auch eine 0,9 oder 0,7 sein, und bei 0,5 kommen wir ins Ungewisse, alles was unter 0,5 liegt, könnte auch eine 0 sein. Aber Vorsicht: auch eine 0,9999 kann in Wahrheit eine 0 sein!
Jetzt beginnen wir, die Fakten zu sammeln, und geben dabei jedem Datum einen Zahlenwert zwischen 0 und 1 (mit Einschluss der Grenzen) bei, der angeben soll, wie wahrscheinlich die Aussage richtig sein könnte. Die Zuordnung dieses Wahrheitswertes ist wichtig und muss mit Vorsicht erfolgen. Ein leichtfertig „ganz sicher, also Wert 1“ oder ein „ganz sicher nicht, also 0“ führt leicht zu entscheidenden Fehlern.
Und jetzt ein paar Beispiele: Wir haben die diskriminierende Nachricht gefunden:
* am (Wochentag/Datum/Uhrzeit), Wert 1, denn diese Angaben haben wir aus eigenen Quellen/Unterlagen (Kalender, Uhr), diese Angaben können daher nicht von anderen verfälscht worden sein.
* in der Seite „myheimat“, Wert 0,99. Wir haben die Seite myheimat zwar aufgerufen, aber ob wir wirklich da sind, ist nicht ganz sicher. Man könnte uns eine Seite untergeschoben haben (von Bankseiten ist das ja hinreichend bekannt). Daher also Wert nicht 1 sondern nur nahe bei 1.
* Anonymus berichtet aus „A-Dorf“, so jedenfalls steht es neben der Meldung als Heimatinformation. Diese Information bekommt den Wert deutlich unter 1, zum Beispiel 0,5, denn diese Angabe stammt aus dem „Profil“, also den eigenen ungeprüften Angaben von Anonymus. Und außerdem, um welches „A-Dorf“ geht es? (Mein Ortsverzeichnis bietet zum Beispiel für „Burg“ allein neun Einträge an.) Also bitte, alle „A-Dorf“, die wir finden können, werden aufgelistet, also: A-Dorf-1; A-Dorf-2 usw. Um welches A-Dorf es geht, wenn denn A-Dorf überhaupt stimmt, muss noch ermittelt werden.
* Das Profil von Anonymus gibt uns ferner an, wie viel Beiträge und wie viel Kommentare bisher von Anonymus erschienen sind, sowie sein Registrierungsdatum. Also: Registrierungsdatum: Wert 0,9; Zahl der Beiträge: Wert 0,9; Zahl der Kommentare: Wert 0,9. Die Beiträge und Kommentare werden uns weitere Informationen zu Anonymus liefern.
Informationen, Fakten, haben wir in unserer (nie abgeschlossenen!) Liste mit ihren Bewertungen gesammelt. Jetzt beginnen wir die einzelnen Angaben zu interpretieren. Das ergibt eine neue (nie abgeschlossene!) Liste der Interpretationen, jeder Eintrag wird wieder mit seinem Wahrscheinlichkeitswert bewertet.
Im Text steht: „Unsere ...“. Anonymus ist also Teil einer Personenmehrheit?
Im Text steht: „Unsere ... Lehrerin ...“. Ist Anonymus Schüler?
Im Text steht: „... Spanisch-...“. Eine Schule (?) mit Spanisch-Unterricht?
Im Text steht: „... aus der 11. ...“ Muss hier „Klasse“ ergänzt werden?
Jetzt beginnen wir mit der nächsten Liste, der (nie abgeschlossenen!) Liste der Folgerungen: Haben wir es mit einer Schule(?) mit einer 11. (Klasse?) zu tun, an der eine Lehrerin Spanisch unterrichtet und zwar in A-Dorf?
Aus der Angabe „11. Klasse“ ergibt sich ein möglicher Schultyp (keine Grundschule! keine Hauptschule!). Aus unserer Liste der A-Dorf fallen jetzt die heraus, die einfach zu klein sind, um eine derartige Schule zu haben. Herausfallen bedeutet: der zugehörige Wahrscheinlichkeitswert wird gesenkt, aber bitte nicht auf 0!
Mit etwas Glück bleibt nur noch ein A-Dorf übrig. Jetzt wird einfach geprüft (Telefon, Gemeindeverwaltung), ob es hier eine passende Schule gibt. Wenn ja, wird auch bald feststellbar sein, ob es dort eine passende Lehrerin gibt (Anruf bei der Schulsekretärin).
Vermutung: Ist Anonymus Schüler/Schülerin in dieser Schule und in einer Klassenstufe, in der Spanisch gelehrt wird? Ist Anonymus männlich oder weiblich? „... der Große aus der 11. ist auch blöd“ deutet auf Mädchen (Wert: 0,7) und darauf, dass Anonymus unter der 11. Klasse ist (Wert: 0,7). Hier wären also noch ein weiterer Abgleich mit den übrigen verfügbaren Daten erforderlich.

Ich habe hier gezeigt, wie aus ganz wenigen Daten, die obendrein noch falsch sein können, Folgerungen und Schlüsse möglich sind, deren Wahrscheinlichkeit selbstverständlich auch nicht bei „absoluter Sicherheit“ liegen müssen. Aber sie können sehr wahrscheinlich sein – und das hilft auch weiter.
Übrigens, wenn nach den hier gezeigten Ermittlungen Anonymus sich als ein 16-jähriges Mädchen zu erkennen gibt, ist dieses „Geständnis“ keineswegs der Beweis für die Richtigkeit. Geständnisse haben nie den Wahrheitswert 1 – nur in unseren Strafverfahren wird diese einfache Erkenntnis gern übersehen, denn wer nach Folter gesteht, eine Hexe zu sein und deshalb öffentlich lebendig verbrannt wird, ist eben auch ganz sicher eine Hexe, ob 1632 oder 2010.

14.10.2010
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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