Profiteure der Staatsverschuldung

Auf meinem Rechner fand ich einen älteren Panorama-Beitrag (s. unten) mit der obigen Überschrift.
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Vielleicht interessiert das Thema noch andere Leser. Für Hinweise zu aktuellen Informationsquellen wäre ich jedenfalls dankbar.
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Auf meiner Suche im WWW fand ich unter
http://www.randzone-online.de/?p=4957
dieses:

"Von Gastautor | 6. Januar 2010

Der Schuldenberg des Bundes von rund einer Billion Euro (2010) wird maßgeblich über Bundesanleihen finanziert, die bei jährlich rund 60 Auktionen vor allem an Banken verkauft werden. Die Bundesbank veröffentlicht nur, dass deutsche Geldinstitute für gut 400 Milliarden Euro Staatspapiere halten, “inländische Nichtbanken” (Unternehmen, Spekulanten, private Organisationen usw.) Anleihen für gut 300 Milliarden Euro, und dass etwa 900 Milliarden Euro im Ausland liegen. Zu den wichtigsten Abnehmern zählen die amerikanische Citigroup, die Deutsche Bank, die US-Bank Merill Lynch und die Schweizer UBS. Auch die teilverstaatlichte Commerzbank und einige Landesbanken finden sich auf der Liste der “Bietergruppe Bundesemissionen”. Sie alle kommen 2010 in den Genuss der knapp 40 Milliarden Euro Zinsen auf Kosten der Masse der Steuerzahler."

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Hier der angeführte Panorama- Beitrag:

PANORAMA Nr. 612 vom 18.4.2002

Wem gehört Deutschland?
Die Profiteure der Staatsverschuldung

Anmoderation Anja Reschke:

Beim Baukonzern Holzmann war’s im März so weit, das Luft- und Raumfahrtunternehmen Dornier, der Papierkonzern Herlitz und der Medienmogul Kirch folgten im April. Alle mussten Insolvenz anmelden. 2002 – das Jahr der Rekordpleiten. Wer betroffen ist, ist verzweifelt, wer nicht betroffen ist, ist froh, es nicht zu sein. Dabei sind wir eigentlich alle verschuldet, und zwar heillos, mit einer unvorstellbar hohen Summe von 1 Billion Euro – das sind ganz nebenbei bemerkt schon mal Tausend Milliarden. Dann noch weitere 226 Milliarden obendrauf und noch ein paar Millionen hinterher. Denn die Bundesrepublik Deutschland selbst steht am tiefsten in der Kreide. Aber bei wem eigentlich? Das ist ein wohlgehütetes Geheimnis. Wer wissen will, wem diese Republik eigentlich wirklich gehört, tut sich schwer. Meine Kollegen sind der deutschen Schuldenspur gefolgt.

Kommentar:
Hans Eichel hat es eilig: In zwei Jahren will er Schluss machen mit der Schuldenpolitik seiner Vorgänger. Der Sparkommissar im Wettlauf gegen die rasende Staatsverschuldung. 10.000, 11.000, 12.000, 13.000 Euro. In den wenigen Sekunden, die Eichel morgens bis in sein Büro braucht, hat Deutschland schon wieder 80.000 Euro Schulden mehr. Deutschlands Schulden, eine unvorstellbare Summe: 1.226 Milliarden und viele Millionen Euro. Und sie tickt unbarmherzig weiter, die Schuldenuhr, die der Steuerzahlerbund aufgestellt hat.

0-Ton Hans Eichel:
(Bundesfinanzminister)
“Da tickt eine Zeitbombe, und das heißt, wir haben durch Schulden in der Vergangenheit einen Großteil unserer Zukunft verfrühstückt. Und deswegen können wir so nicht weitermachen.”

Kommentar:
Eine Nobeladresse im Frankfurter Norden. Hier sitzen die Leute, die Deutschlands Schulden managen. So effizient wie möglich Geld für den Bund beschaffen, die Aufgabe der Elitetruppe in der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH. Ganze sieben Händler jonglieren hier mit den Staatsmilliarden. Hat der Bund etwa am Morgen zu wenig Geld, um seine Rechnungen zu bezahlen, wird das kurzerhand besorgt: Schnellverschuldung.

0-Ton Thomas Weinberg:
(Chefhändler, Finanzagentur)
“Heute konkret war es zum Beispiel so, dass wir eine Summe von etwa vier Milliarden Euro im Markt aufnehmen mussten.

Interviewer:
“Also, die Bundesrepublik Deutschland braucht heute vier Milliarden Euro.”

Thomas Weinberg:
“Wir rufen an, und wenn der Kontrahent eben grade dieses Volumen zur Verfügung hat, dann versuchen wir uns auf einen Zinssatz zu einigen. Und dann ist das Geschäft gemacht, und das Geld fließt in unsere Kassen.”

Kommentar:
Geräuschlos und diskret werden Milliarden für Deutschland besorgt. Auch die schwindelerregenden Schuldensummen, die die Agentur auf dem Markt hin und her verschiebt, sind hier Alltag.

0-Ton Gerhard Schleif:
(Geschäftsführer, Finanzagentur)
“An diese Zahlen gewöhnt man sich, ob da drei Nullen mehr dranhängen oder drei Nullen weniger, das geht in Fleisch und Blut über, das lässt einen nicht mehr schlecht schlafen.”

Kommentar:
Auch nicht der Handel mit Schatzanweisungen, den langfristigen Schuldscheinen der Republik. Der Staat als Schuldner ist so begehrt, dass die Banken sich überbieten, um ihm Geld zu leihen.

0-Ton Gerhard Schleif:
“Wir haben heute zum Beispiel sechsmonatige Schatzanweisungen des Bundes verauktioniert. Das heißt. Wir bieten die einer bestimmten Bankengruppe an. Und wir wollten eigentlich fünf Milliarden aufnehmen, und die Banken haben uns Gebote für 17,3 Milliarden eingereicht.”

Kommentar:
Denn für sie kann der Staat nicht genug Schulden machen: Die Banken – Profiteure der Verschuldung. Für jeden Kredit kassieren sie Zinsen und Provisionen, jedes Jahr zig Milliarden Euro. Ein Bombengeschäft und ganz diskret abgewickelt.

Kein Wunder, dass die Liste der Gläubigerbanken nicht unbedingt an die Öffentlichkeit soll. Denn ihnen gehört Deutschland. Ganz oben die Deutsche Bank, dann Morgan Stanley, Dresdner Bank, Merrill Lynch – die Crème de la Crème der internationalen Hochfinanz. Kreditsummen und Zinsgewinne werden gehandelt wie Staatsgeheimnisse, Interviewanfragen zwecklos. Die Deutsche Bank: kein Kommentar. Die Dresdner Bank: kein Kommentar. Die Commerzbank: kein Kommentar. Die Banken kassieren, Eichel zahlt, der Steuerzahler haftet.

0-Ton Hans Eichel:
(Bundesfinanzminister)
“Das machen wir jetzt seit über dreißig Jahren, zahlen auch nichts zurück. Wenn ein Kredit fällig wird, wird ein neuer aufgenommen, um den alten abzulösen.”

Kommentar:
Die Chronik der Schuldenmacher:

1971. Der letzte Aufstand der Anständigen. Bundesfinanzminister Möller tritt zurück. Der Grund: In zwei Amtsjahren ganze drei Milliarden Euro neue Schulden. Der Neue hält es nur ein Jahr aus. Karl Schiller sagte damals, er könne keine Politik machen unter dem Motto “Nach mir die Sintflut”. Rücktritt wegen zwei Milliarden Neuverschuldung.

1972. Der Nachfolger hatte weniger Skrupel: Finanzminister Helmut Schmidt machte fünf Milliarden Euro Schulden – und wurde Kanzler. Die Gesamtschulden von Bund, Ländern und Gemeinden damals: 91 Milliarden Euro.

1974. Mit ihm ging die Schuldenparty richtig los: Hans Apel. Sorglos und unbekümmert der Aufbruch in den Schuldenstaat. Finanzminister Apels Bilanz nach vier Jahren: 33,5 Milliarden Euro Neuverschuldung.

1978. Hans Matthöfer, der nächste Finanzminister, sorgt für noch verrücktere Schuldenrekorde. 56 Milliarden Euro Miese. Sein Kanzler: Helmut Schmidt. Und die CDU versprach, alles besser zu machen

Wahlspot:
“Lassen Sie uns den SPD-Staat stoppen.”

0-Ton Gerhard Stoltenberg:
“Mit der hemmungslosen Schuldenmacherei der Regierung Schmidt/Genscher kann es so nicht weitergehen.”

Kommentar:
CDU-Wahlsieg: Stoltenberg war nun selbst Kassenwart. Vorher große Worte und dann doch wieder neue Schulden: 75 Milliarden.

1989. Theo Waigel und die deutsche Einheit – natürlich kreditfinanziert. Die Schulden explodierten: Waigels Horrorbilanz: 428 Milliarden Euro neue Schulden.

1998 standen Bund, Länder und Gemeinden mit über 1,1 Billionen Euro in der Kreide. Heute sind es schon wieder 100 Milliarden mehr. Und auch in diesem Jahr macht Hans Eichel wieder neue Schulden: rund 21 Milliarden Euro nur für den Bundeshaushalt.

Bad Homburg, eine Idylle. Hier wird über Eichels Schulden Buch geführt, in der Bundeswertpapierverwaltung. Schuldenverwaltung hieß die Behörde bis vor kurzem, doch das klang zu negativ. Überhaupt war früher vieles anders: Die Schulden wurden noch mit Tinte in dicke Folianten eingetragen. Das Schuldbuch aus einer Zeit, als die Staatsverschuldung noch zwischen zwei Buchdeckel passte. Heute ist der horrenden Schuldensumme nur noch mit Großrechnern beizukommen. Das Schuldbuch 2002 – eine Computerdatei. Und die Post an die Gläubiger muss schneller produziert werden, um mit der Verschuldung Schritt zu halten. Schuldscheinquittungen im Sekundentakt. Auch in Bad Homburg sind Deutschlands Schulden grauer Alltag.

0-Ton Knut Kage:
(Präsident, Bundeswertpapier-Verwaltung)
“Wir streben keine höhere Bundesschuld an, etwa um Arbeitsplätze hier zu halten. Wir haben genug andere Aufgaben. Wir wollen ordentlich und flexibel weiterarbeiten.”

Kommentar:
Ordentlich und flexibel in die Pleite. Viel Zeit bleibt Eichel nicht, um die Wende noch zu schaffen. Denn so bankrott ist der Staat: 752 Milliarden Euro hat sich allein der Bund seit 1980 geliehen. Das Geld wurde komplett gefressen von den 903 Milliarden Euro Zinsen, die er für diese Kredite zahlen musste.

0-Ton Wolfgang Kitterer:
(Schuldenexperte Universität Köln)
“Die Schulden werden immer höher sein, auf Dauer, als das, was man sich durch Kredite erkauft hat. Das heißt, es ist ja jetzt auch schon festzustellen, dass die Defizite, die man macht, auf Dauer nicht ausreichen können, um die Zinslast abzudecken. Was bedeutet das wiederum? Dass man zusätzliche Zinslasten wiederum über Steuern finanzieren muss. Also resultiert aus der Staatsverschuldung letztlich nur eine höhere Steuerlast. Man hat niemandem etwas Gutes getan, es sei denn den Wertpapierhaltern.”

Kommentar:
Eichel, der Schuldenkiller? Tatsächlich ist sein Sparprogramm nur ein ganz bescheidener Anfang. Denn das ist Deutschlands Schuldenberg: 1.200 Milliarden Euro. Was Eichel einsparen will, ist lediglich die Neuverschuldung – derzeit ganze 42 Milliarden. Vom Abbau des gigantischen Schuldenberges ist noch gar nicht die Rede.

Jetzt hat Eichel versprochen, spätestens 2006 keinen Cent neue Schulden mehr zu machen. Doch ein Hintertürchen hält auch er sich noch offen.

0-Ton Interviewer:
“Sie legen Ihre Hand dafür ins Feuer, dass es 2006 eine Null gibt?”

Hans Eichel:
“Wir setzen alles daran. Alles, was wir tun können, tun wir. Was Sie nie im Griff haben, ist die Weltkonjunkturentwicklung. Wenn es eine große Rezession gibt, sieht natürlich die Welt anders aus.”

Kommentar.
Der Schuldenuhr ist die Konjunktur egal, sie tickt unerbittlich weiter.

0-Ton Friedrich Halstenberg:
(ehem. Finanzminister NRW)
“Es ist auch durchaus möglich, dass wir unsere Staatsfinanzen ganz zu Grund richten. Noch ein, zwei Jahrzehnte weiter in dieser Musik, dann gibt es einen anderen Staat.”

Bericht: Jochen Graebert, Max von Klitzing, Stephan Stuchlik
Schnitt: Stefanie Blasch, Charlotte Steiner

Bürgerreporter:in:

Siegfried Lemke aus Isernhagen

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