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Opa Siede : Haustürgeschäft

Jahre nach der Währungsreform (1948) gab es ein Zeit, in der man Zigaretten einzeln, wir sagten damals lose kaufen konnte.
Die Industrie stellte sich dann bald darauf ein und im Tabakwarenhandel wurden Packungsgrößen mit vier oder sechs Zigaretten angeboten. Viele Raucher sahen damals noch auf Tage zurück, in denen sie froh waren, ‚eine Ami‘ für acht oder zehn Reichsmarkt ergattert zu haben.

Opa Siede überstand das alles, nahm solche Nichtigkeiten wohl als unabänderlich hin. Als Bader und Friseur in Rössing begegnete er seinen immer weniger werdenden Kunden, alt eingesessenen betagten Bauern, die sich aus Gewohnheit von ihm sonntags rasieren ließen, mit stoischer Ruhe. Als dieses Geschäft mehr und mehr stagnierte und seine Kohlenhandlung in andere Hände gegeben war, stellte er eines Tages ein Schild in seinem Vorgarten auf. „Tabackwaren und Spiritosen“ stand darauf. Er hatte sein Geschäftsfeld erweitert.
Für uns Halbstarke bedeutete das viel. Bei Opa Siede brauchten wir uns nicht an feste Öffnungszeiten zu halten. Wir konnten abends spät, selbst sonntags, wann immer er zuhause war, – und wo sonst, sollte er sich schon aufhalten – bei ihm Zigaretten erhalten; aus Übermut wohl auch mal eine Flasche „Insel Samos“ kaufen.
Ich erinnere mich, einmal an seiner Haustür geklingelt zu haben. Dann hörte ich ihn im Hausflur heranschlurfen.
„Guten Tag Herr Siede, ich hätte gern zwei Old Joe.“
Im Flur, rechts neben dem Hauseingang stand die Zimmertür zu seiner Stube offen. Dorthin wandte er sich. Ich betrat den Hausflur und folgte ihm bis ins Zimmer. Er setzte sich auf seinen Lehnstuhl, nahe dem Fenster zum Vorgarten.
„Könnte ich bitte zwei Zigaretten bekommen, Herr Siede?“
Er schaute mich von oben bis unten an.. Dann erhob er sich umständlich, heute weiß ich es besser: Er erhob sich mühsam. Bewegte sich in Richtung Zimmertür zurück. Dabei hörte ich ihn, an sich selbst gerichtet „Olt Joh“ murmeln.
Aha er weiß, was ich möchte. Er ging an mir vorbei. Dann sah ich wohin er strebte. Neben der Stubentür hing ein Schränkchen an der Wand, eigentlich eine Schatulle mit verglastem Deckel. Er nahm sie vom Haken und trug sie zum Lehnstuhl, setzte sich. In dem Kästchen, das jetzt quer auf seinen Knien lag und dessen geöffneten Deckel er mit der einen Hand festhielt sah ich mehrere Zehner-Packungen Juno, Eckstein und eine flache gelbe Zigarettenschachtel, das musste Salem sein. Mit der Marke durfte ich nicht zu meinem Freund draußen ankommen.
„Olt Joh is nich dabei“, sagte Opa Side.
„Dann bitte zwei Juno, Herr Siede.“
Jetzt war meine Geduld gefordert. Er entdeckte eine Juno-Packung, pulte mit spitzen Fingern vorsichtig eine der silbernen Ecken auf.
Es dauerte ewig, bis er mir zwei herausgezogene Zigaretten entgegenhielt.
„15 Pfennige“
Ich legte drei Fünfer in seine Hand. Er erhob sich, nahm die Schatulle und wir gingen gemeinsam in Richtung Stubentür. Dabei wurde er gesprächig, sagte: „Nah, mein Djunge, kannst die den schon tragen.?“
„Auf Wiedersehen Herr Siede, danke.“

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2 Kommentare

Gut, dass es noch jemanden gibt, der sich an die Zeit erinnern kann.
Passt in Deine Erzählung: Wir hatten Opa Griebsch. Der sammelte die weggeworfenen Reste und wir Miststücke waren immer um ihn herum mit dem Spruch : Griebsch grabsch grupsch, ist der Stummel noch nicht futsch.
Ich schäme mich heute noch, weil ich xx Jahre später selbst geraucht habe wie ein Fabrikschornstein. Nur: Ich konnte mir die Zigaretten kaufen, er nicht. Vielleicht liest er das ja und verzeiht mir.

Lieber Kurt
Haben wir nicht alle in unseren jungen Jahren manchen getan, was wir aus heutuger nicht nicht wiederholen würden?
Schlimm wäre es nur, wenn wir die "Rüpeljahre" im Alter nicht längst überwunden hätten.
Opa Griebsch un Opa Siede haben ihr leben gelebt und sicherlich auch nicht alles "richtig" gemacht. Es ehrt Dich, dass Du heute so über Herrn Griebsch denkst.

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