Die Eule und der Papagei

Die Eule und der Papagei

Manchmal kommt er noch: der Papagei. Wenn ihre Träume gnädig mit ihr sind.
Nur spricht er dann nicht mehr. Das macht ihr aber nichts aus. Sie wiederholt sich einfach selbst. Sie hat jetzt die Zeit dafür.
Er sitzt auf dem Sofa und hat sich die linke Lehne vorgenommen. Die rechte hat er schon im letzten Sommer zerfetzt.
Kurz nachdem er mit dem Sprechen aufgehört hatte, hat er mit den Lehnen angefangen.
Sie hat ihn tun lassen. Sie konnte ihm nie etwas abschlagen. Schon gar nicht, wenn er den Kopf schief gelegt hatte.
„Gewährt!“ hatte sie gesagt, als er sie das letzte Mal bittend aus dem runden Auge angesehen hatte. Und er dankt es ihr und kommt manchmal wieder, wenn ihre Träume gnädig mit ihr sind.
„Du Miststück, du!“ begrüßt sie ihn.
Dann sammelt sie die Federn ein, die er auf dem Sofa verloren hat, stellt sie wie einen Blumengruß in eine Vase und seufzt zwei Mal so tief, dass alle Menschen, die in ihrer Stadt leben, für einen Moment ein Mitleid bekommen.

Es dauert immer eine Weile, bis ihre Stimme ein bisschen bricht. Oft kann sie es kaum abwarten, obwohl mit den Jahren die Stimme immer schneller nachgibt. Doch stets weiß sie sich zu zügeln, bis sie endlich ein erkleckliches Krächzen heraus bringt.
„Du Miststück, du!“ wiederholt sie sich schließlich und fühlt sich durchaus ein wenig verletzt. Und der Papagei reißt dabei unbeirrt das nächste Stück Samt aus der Sofalehne.
Mit einem Räuspern säubert sie sich dann rasch den Hals von der fremden Stimme, weil sie sich das mit ihrer eigenen Stimme nicht gefallen lassen will. Und sobald sie wieder bei sich selbst ist, schimpft sie auch schon mit ihrem Gast:
„Halt den Schnabel, sonst bin ich böse mit dir!“
und ist verwundert, wie prompt ein Krächzen in ihr wird und sie sich entgegnet:
„Halt den Schnabel, sonst bin ich böse mit dir!“
Wenn der Papagei in diesem Moment gerade eine Pause macht und sie mit schief gelegtem Kopf aus dem einen runden Auge ansieht, bekommt sie sogar ein schlechtes Gewissen und entschuldigt sich.

In letzter Zeit kommt es jetzt häufiger vor, dass sie sich selbst gar nicht mehr spricht, wenn sie Besuch zu Hause hat. Meist sagt sie kurz noch als sie selbst:
„Wie gut, dass es dich gibt! Wenn auch nur noch manchmal!“
Dann springt auch schon die Stimme um und krächzend echot es zurück:
„Wie gut, dass es dich gibt! Wenn auch nur noch manchmal!“
Und weil sie merkt, dass das sie immer traurig macht, macht sie gleich drauf sich krächzend Komplimente.
„Du bist so schön, du alter Donnerfurz!
Deine Haut ist rein wie Parmesan, du oberalter Donnerfurz!
Dein Haar ist fein wie Wiese voller Klee, du oberoberalter Donnerfurz!“
Und wenn der Vogel auf dem Sofa sie gerade in diesem Moment mit schief gelegtem Kopf aus dem einen runden Auge ansieht, glaubt sie sich auch.

Bürgerreporter:in:

Doc Grille aus Hannover-Mitte

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