Lassen Sie sich auch mit „Prozenten“ übertölpeln?

Ja, man muss es leider so sagen, die „Prozent-Rechnung“ ist für viele Menschen verwirrend.

Und genau darum wird das beim „Verkaufen“ von Waren und Meinungen so gern ausgenutzt.

Wie ich jetzt darauf komme?

Derzeit bewirbt einer unserer regionalen Sender seine tollen Erfolge in der Hörerstatistik mit diesem Trick.

Nein, es wird nicht gelogen!

Aber es wird wieder einmal die allgemeine „Prozent-Schwäche“ in der Bevölkerung ausgenutzt, um den Sender besser da stehen zu lassen.

Nun, wir hören diesen Sender eigentlich oft und gern – ist schön rockig – aber solche Dinge verleiden mir eher den Hörgenuss.

Derzeit ist in Radio-Spots und Zeitungsanzeigen die vollmundige Aussage zu vernehmen, dass der Sender den Rekord beim Hörerzuwachs in Niedersachsen vermelden kann:
über 21% mehr Hörer bei der befragten Stichprobe (unter bestimmten Kriterien), seit der letzten Umfrage!

Alle anderen Sender in Niedersachsen haben also weniger Zuwachs?!

Das klingt ja zunächst mal toll, relativiert sich aber mächtig bei genauerer Betrachtung.

Zunächst bezieht sich diese Aussage zur halbjährlich durchgeführten Media-Analyse nur auf werbefinanzierte Sender - und dann auch nur auf regionale „Niedersachsen-Sender“.

Natürlich gibt es bei uns auch überregionale „Werbungssender“ und öffentlich-rechtliche Sender ohne Werbung. Deren Zahlen werden hier einfach gar nicht berücksichtigt.

Wie funktioniert das, mit den „Schein-Prozenten“?

TRICK 1

Fast immer wird für diese zweifelhaften Vergleiche folgendes gemacht:
Man verwendet keine gemeinsame Datenbasis und vergleicht dann unterschiedlich berechnete Werte miteinander – Äpfel mit Birnen, so zu sagen!
Jeder bezieht seine Werte nur auf den „eigenen Horizont“.

Beispiel:

Großer Sender A

2013 = 470 000 Hörer.
2014 = 498 000 Hörer
((498 000-470 000)/ 470 000)*100 = 5,96 % mehr Hörer

Kleiner Sender B

2013 = 71 000 Hörer.
2014 = 86 000 Hörer
((86 000-71 000)/ 71 000)*100 = 21,1 % mehr Hörer

Toll, was? 21% mehr Hörer! Aber ist das wirklich so toll?

Leider hören am Radio keine „Prozente“ zu, sondern eben echte „Hörer“!

Wie viele Hörer (nicht Schein-Prozente!) haben die Sender denn tatsächlich dazu gewonnen?

Sender A = 28 000
Sender B = 15 000

Schon sieht man, dass Sender B nun längst nicht mehr das erreicht hat, was Sender A geschafft hat.

Wenn man verschiedene Dinge prozentual vergleichen will, dann nur mit geeigneter Datenbasis!

Und die muss erst mal definiert werden.

Man kann ALLE Hörer in Niedersachsen, oder in Deutschland, die Summe der 2013-Zahlen oder eher die neuen Summen aus 2014 nehmen, oder, oder, oder …...

Und immer kommen irgendwelche „Prozente“ dabei heraus, die genau nachverfolgt werden müssen, damit man mit den Ergebnissen was anfangen kann.

Also noch einmal, ganz einfach gesagt:

Wenn eine Ameise EINEN neuen Mitbewohner findet, dann ist das ein Zuwachs von 100%!

Wenn ein Ameisenhaufen mit einer Million Bewohnern noch 100 000 neue Mitbewohner findet, dann sind das nur 10%

100% mehr? 10% mehr? Wer hat denn nun mehr erreicht?

TRICK 2:

Sie gehen in einen Laden und wollen ein teures Gerät kaufen.

Der Verkäufer bietet ihnen, nach langem hin und her, 30% Rabatt an.

Sie wissen genau, dass Ihr Nachbar, vor einigen Tagen, dafür aber 40% Rabatt heraus gehandelt hat.

Eine weitere Diskussion um die im Raum stehenden 40% geht los.

Irgendwann sagt der Verkäufer, anscheinend sich ergebend, OK, ich gebe Ihnen die 30% und 10% dazu.

Toll, denken Sie, hab ich doch die 40% raus gehandelt – und unterschreiben.

ABER ist das wirklich so?

Nehmen wir an, dass Gerät sollte laut Liste 1000 Euro kosten.
Mit 30% Rabatt sind das dann nur noch 700 Euro
Der Nachbar hatte 40% Rabatt – hat also nur 600 Euro bezahlt.

Sie haben bei dem Abschluss aber nicht genau genug zugehört: der Verkäufer hat Ihnen 30% plus 10% zugesagt, und nicht 40%!!!!

Das heißt: zunächst bekommen Sie 30%, ergibt 700 Euro UND DANN nochmal 10%.
Die beziehen sich aber nun auf die schon rabattierten 700 Euro.

10% von den 700 Euro sind noch einmal 70 Euro.

Also müssen Sie 630 Euro bezahlen und haben somit nicht so viel Rabatt erhalten, wie Ihr Nachbar.

Alter Trick, auf den kein routinierter Einkäufer herein fällt.
Aber für Ungeübte ist das eine Falle.

TRICK 3

Ein Unternehmen macht eine große Sonderaktion, z. B. für ein neues Produkt: Markteinführung mit 50% Rabatt!

Nach einiger Zeit kommt dann die Mitteilung, dass die Sonderaktion beendet ist, aber „netter Weise“ nicht der ursprüngliche Listenpreis gilt, sondern es weiterhin 25% Rabatt gibt.

Klingt toll – dann ist das Produkt ja nur 25% teurer (von 50% Rabat auf 25% Rabatt) geworden???? Wirklich?

Nehmen wir an, die Dinge haben ursprünglich 10 Euro gekostet.
Bei 50% Rabatt waren das dann 5 Euro für den Kunden.

Nun wurde der Rabatt auf 25% geändert … die Sachen kosten nun 7,50 Euro.
Da ist nix mit 25% Preiserhöhung.

Vorher 5 Euro – nun 7.50 Euro?

Ja, das ist eine Erhöhung für den Käufer um 50% - obwohl es wie 25% klang und so dann auch eher von den Kunden akzeptiert wird.

Mein Fazit:

Wer mit den „Prozenten“ nicht sicher ist, der sollte seinen Kenntnisstand verbessern oder lernen, mit völlig unnötigen Einbußen zu leben.

Kritiklos hingenommene Prozentangaben sind immer gefährlich.

Etwa auch die in diesem Bericht?
Rechnen Sie doch mal nach …

Bürgerreporter:in:

Wilhelm Kohlmeyer aus Hannover-Groß-Buchholz

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