Exkursionen in den Alltag der Justiz

Ein VHS-Kurs für Schöffen in Hannover verlässt das Gericht um zu lernen.
Zwei Jahre sind bereits ins Land gegangen. Zeit um Bilanz zu ziehen, Zeit um andere zu ermutigen, unsere Schritte in den Alltag der Justiz nachzuahmen.

Angefangen hat alles mit der Initiative des DVS (Deutscher Bundesverbandes der ehrenamtlichen Schöffen) zur Schulung von neu eingeführten Schöffen. Das ließ sich gut an, war gut vorbereitet und zum Nachahmen und zur Durchführung in einer Stadt wie Hannover bestens geeignet. Der Spaß war groß, die Nachfrage wuchs und so kam der Tag, an dem das Semester der VHS sich dem Ende zuneigte, und die Teilnehmer nach Mehr verlangten.
Vorschläge wurden gemacht, so viele, dass die Initiatorin des Kurses Frau Minthe (Foto) eigentlich „nur“ noch Ideen umsetzen musste.
Das geschah: der Blick über den Tellerrand des Gerichtes folgte, hinein in die Wirklichkeit der Gesellschaft; den Kontakt mit all den Menschen suchen, die sich um jugendliche Kriminelle, um gescheiterte Existenzen, um Resozialisierung, Wiedereingliederung, Wiederherstellung menschlicher Würde kümmern, all das sollte aufgesucht und befragt werden.
Wahrscheinlich haben wir damals alle nicht geahnt, wie enorm groß der Anteil von Initiativen, Institutionen, Organisationen sein würde, die uns Neues mitteilen würden. Wir waren Suchende, wir wurden Lernende und fanden im Laufe des Semesters eine Fülle von Antworten auf unsere neugierigen Fragen und skeptischen Bemerkungen.

Wo wir waren?
Zuallererst haben wir die uns aus den Gerichtsverfahren bekannten Institutionen besucht: die Jugendrichter an Amts-und Landgerichten in speziellen Verfahren mit anschließenden Betrachtungen der Urteile und Gespräche mit den beteiligten Schöffen und Richtern; die Abteilung der Staatsanwälte, die Jugendgerichtshilfe an den Orten ihrer Tätigkeiten und die Bewährungshelfer in ihrem eigenen Umfeld. Wir haben uns einen berühmten Strafverteidiger in den Kurs eingeladen, der uns hinter die Fassaden hat blicken lassen. Auch therapeutische Maßnahmen wie z.B. Jugendwerkstätten, soziale Interventionskurse wie BAB haben wir aufgesucht. Und immer wieder entstanden Gesprächsmomente, in denen auch wir Schöffen zurückgefragt wurden, was wir denn überhaupt machen, was wir denken und wie wir uns im Gericht einbringen würden.

Schließlich sind wir regelrecht gereist: wir fuhren nach Bad Rehburg in den
Maßregelvollzug – einer der spannendsten Besuche überhaupt. Wir waren in
Neustadt in der JAA (Jugendarrestanstalt), wir reisten nach Hameln-Tündern in
die JA (Jugendanstalt), wir besuchten die JVA (Justizvollzugsanstalt) in
Hannover-Langenhagen. Ein anderer Ausflug führte uns in den Offenen Vollzug
nach Göttingen-Rosdorf. Unvergessen auch das Gespräch dort mit den Vertretern der jugendlichen Insassen und – unbedingt zu erwähnen - die Einblicke in das pädagogische Konzept der Leitung des Hauses.

Hat das alles etwas gebracht, oder haben wir nur einige nette Ausflüge
gemacht?
Natürlich waren die gemeinsamen Unternehmungen auch nett, unterhaltsam
und anregend – warum auch nicht? Allzu oft ist der Gerichtsalltag für Schöffen
belastend, anstrengend und oft erschöpft er uns auch. Wir alle können
Geschichten erzählen, die nicht immer lustig sind, die uns verfolgen bis hinein
in die Träume – da schadet es nicht, wenn die erlebte Gemeinschaft, das AHA-Erlebnis bei einer solchen Exkursion für angenehme, erfolgversprechende
Erinnerungen und Entlastungen bei unangenehmen Erinnerungen sorgt.

Wie geht es nun weiter?
Die Teilnehmer der letzten beiden Jahren – es sind an die sechzig Schöffinnen
und Schöffen – haben immer noch Wünsche. Da wären z. B. Defizite bei dem
Wissen um kulturelle Andersartigkeiten im Gerichtsalltag. Warum „ticken“ die
sogenannten Russlanddeutschen anders als hiesige Bürger? Was unterscheidet
muslimische Bürger von Nicht-Muslimen? Auch dazu gibt es im Herbstprogramm kompetente Referenten. Was macht eigentlich unsere Polizei zur Prophylaxe bei derartigen Auseinandersetzungen? Und ganz neu im Blickpunkt: wie verhalten sich Schöffinnen und Schöffen, wenn ihnen aufdringliche Medienvertreter auf den Leib rücken, um noch nicht gefällte oder ganz neue Urteile zu kommentieren?
Wir in Hannover haben unseren Landgerichtspräsidenten Dieter Schneidewind
in den VHS-Kurs eingeladen. Er weiß ziemlich genau, was alles schief laufen
kann und gibt uns weitere Tipps aus dem Alltag eines Profis.

Es ist immer wieder interessant als ehrenamtlicher Richter hinter die Kulissen der Justiz und der Gesellschaft zu blicken und sich hierbei weiterzubilden !
Diese Aktivitäten werden wir mit der engagierten Kursleiterin Hildegard Minthe weiterhin fortsetzen und berichten, vielleicht befindet sich auch ein zukünftiger Schöffe unter den Lesern dieses Artikels ...

Bürgerreporter:in:

Steffen Liekefett = dl1osl aus Hannover-Bothfeld

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