Im Nordosten von Hannover unterwegs, heute: Bothfeld

Hoffmann von Fallersleben, um 1850 | Foto: Postkarte
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  • Hoffmann von Fallersleben, um 1850
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Einigkeit und Recht und Freiheit
für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
sind des Glückes Unterpfand:
Blüh im Glanze dieses Glückes,
blühe, deutsches Vaterland!

Dieses Lied, unsere Nationalhymne, wird am heutigen Freitag (18. Juni) in Deutschland überall zu hören sein. Na ja, fast überall, aber ganz bestimmt in vielen Wohnzimmern, Gastwirtschaften und beim "Public viewing", wie es heute so neudeutsch heißt.
"Merte", "Schweini" und der neue "Müller-Bomber" werden es in Südafrika voller Inbrunst singen, unterstützt von vielen Schlachtenbummlern. "Poldi" und Özil werden schweigen, können sie auch, Hauptsache sie sind im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft und spielen für unser Land guten Fußball.
Aber was hat das Ganze mit Bothfeld zu tun? Eine ganze Menge, denn der Schöpfer "des Liedes der Deutschen", Hoffmann von Fallersleben, war oft in Bothfeld zu Besuch, lebte doch hier Ida zum Berge, die 1849 seine Ehefrau werden sollte. Eine Zeittafel soll helfen, das Ganze in einen sinnvollen Ordnungszusammenhang zu bringen:
1798 > August Heinrich Hoffmann wird am 2. April in Fallersleben geboren, später als Student nannte er sich Hoffmann von Fallersleben.
1804 > Der junge Hoffmann wird eingeschult und lernt als Grundschüler (damals: Elementarschüler) den Lehrer Hermann Christian Friedrich zum Berge kennen, der bereits 1809 Rektor dieser Bürgerschule werden sollte.
In den 1820-er Jahren wird das Verhältnis noch inniger, denn Hoffmann von Fallerslebens Schwester Dorothea Auguste heiratet den tüchtigen Lehrer.
1829 > Hermann Christian Friedrich zum Berge übernimmt eine Pfarrstelle im Kirchspiel Bothfeld. Die Kosten des Umzugs von Fallersleben nach Bothfeld übernehmen Einwohner des Kirchspiels
(Bothfeld= 21 Taler 3 Gute Groschen 4 Pfennig
Klein-Buchholz = 16 Taler 2 Gute Groschen
Groß-Buchholz = 16 Taler 2 Gute Groschen
15 Taler werden vom Königlichen Consistorio aus dem Kirchen-Aerario als Beihilfe bewilligt. So erbrachte diese Sammlung 68 Taler 7 Gute Groschen 4 Pfennig).
1831 > Tochter Ida zum Berge wird geboren.
1836 > Erste Reise (von Breslau) nach Bothfeld. Hoffmann von Fallersleben besucht vom 17. - 19. Oktober seineSchwester Auguste Dorothea und den Schwager Hermann Christian Friedrich zum Berge und sieht zum ersten Mal seine fünfjährige Nichte Ida.
1841 > Am 26. August schreibt Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland das "Lied der Deutschen", das 1922 vom Reichspräsidenten Friedrich Ebert zur Nationalhymne erklärt wurde, übrigens nach einer Melodie von Joseph Haydn
(Kaiser-Quartett zu Ehren Franz II, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation). Im selben Jahr erschienen auch 2 Gedichtsbände mit dem Titel "Unpolitische Lieder". In Wirklichkeit war ihr Inhalt hochpolitisch und enthielt schwere Angriffe gegen die politischen Kräfte jener Zeit, den Adel und die Fürsten. Dieses blieb nicht ohne Folgen. Hoffmann von Fallersleben verlor in Breslau seine Professur und bekam danach nirgendwo eine Dauer-Aufenthaltsgenehmigung. Er vagabundierte umher.
1848 > Für Hoffmann von Fallersleben verbessert sich durch die Revolution
(vorübergehend) die Lebenssituation. Am 5. Dezember trifft er in Braunschweig seine Nichte Ida zum Berge, die hier eine Ausbildung zur Klavierspielerin und Lehrerin absolviert und beginnt mit ihr eine Liebesbeziehung. Nach einer Woche kehrt er nach Berlin zurück.
1849 > Am 29. Juli besucht Hoffmann von Fallersleben, inzwischen 51 Jahre alt, zusammen mit Ida, "süße"18, zum zweiten Mal das Dorf Bothfeld. Sie wollen heiraten und bitten den Brautvater um Zustimmung. Dieser äußerte Bedenken, denn nach den hannoverschen Kirchengesetzen dürfe er eine eheliche Verbindung zwischen so nahen Verwandten ( Hoffmann wollte das Kind seiner Schwester heiraten) nicht begünstigen und lehnte Aufgebot und Trauung ab.
"Kommt Zeit, kommt Rat", dachten sich wohl die Beiden und verlobten sich noch im August in Bothfeld. Die Hochzeit erfolgte dann am 28. Oktober, allerdings nicht in Bothfeld, sondern in Braunschweig, Ida wohnte ja dort.
1850 > Das frisch vermählte Paar lebt in Bingerbrück und besucht zweimal Bothfeld ( 28. Juni - 12. Juli und 8. August - 11. September).
1852 > Die Hoffmanns leben in Neuwied und besuchen Bothfeld vom 1. März -
5. April
1853 > Ein schicksalschweres Jahr für Hoffmann von Fallersleben. Er plant den Sommer im Bothfeld zu verbringen, um in nahen Hannover einige wichtige Arbeiten zu erledigen. Bereits am 12 Mai trifft er im Pfarrhaus in Bothfeld ein, seine Frau Ida begleitet ihn dabei. Kurz nach seiner Ankunft wanderte Hoffmann täglich von Bothfeld in's nahe Hannover, um dort zu forschen. Er wollte "die Geschichte des deutschen Kirchenliedes bis auf Luther" (1. Auflage 1832) überarbeiten, besaß doch die Königliche Bibliothek in Hannover wichtige Dokumente. Am 5. August geschah das Unfassbare. Hoffmann erzählt es selbst: " Um 8 Uhr tritt der Regierungsrath Hagemann (...) in mein Zimmer und kündigt mir an, daß er auf höheren Befehl meine Papiere untersuchen und mir eine sofortige Ausweisung (...) anzeigen müsse".
Eine Begründung gab es nicht. Hoffmann musste mit Ida Bothfeld verlassen.
Später fand das Paar In Weimar eine Bleibe.
1858 > Hoffmann von Fallersleben kommt am 19. Juli noch einmal nach Bothfeld zurück. Die Möglichkeit erreichte seine Frau Ida, die einen Brief an den hannoverschen Minister von Börries schrieb. Dieser
deklarierte den erwünschten Aufenthalt als "Verwandtenbesuch". Diese an sich nette Geste machte Georg V von Hannover ein paar Tage später zunichte, als er den Dichterfürsten ab 22. Juli unter Hausarrest stellte. Ein Gendarm beobachte in einem Bauernhaus gegenüber jeden Schritt des Heimatdichters. Mit Sohn Franz (1855 geboren und einziges von vier Kindern, welche das
1. Lebensjahr erreichten) spielte er während der Arrestzeit oft im Pfarrgarten. Am 26. August verließen dann Hoffmann, Ida nebst Söhnchen Franz das damals kaum 300 Seelen erreichende Dorf Bothfeld und kehrten nie mehr zurück.
1860 > Hoffmann fand in Corvey eine Anstellung als Bibliothekar. Noch im selben Jahr (Oktober) starb Ida im Kindbett.
1874 > Am 19. Januar verstirbt Hoffmann von Fallersleben. Er findet neben seiner Gattin Ida in der Schlosskirche zu Corvey die letzte Ruhe.
1941 > Noch einmal erregt der Dichter des Deutschlandliedes erhöhte Aufmerksamkeit. Am 26. August, exakt 100 Jahre nach dem Entstehen des "Lieds der Deutschen", wurden zur Erinnerung zwischen der Bothfelder Kirche und der Gastwirtschaft Rahlfs 4 Eichen gepflanzt. Der hannoversche Oberbürgermeister Dr. Haltenhoff und Dr. Lampe von den Hannoverschen Heimatfreunden hielten die Festreden. Dann wurde noch ein Gedenkplatte enthüllt, dessen ornamentale Schrift vom Studienrat Heinrichsen von der Meisterschule des deutschen Handwerks in Hannover gestaltet wurde. Der Text der Gedenkplatte lautet:
"Die Hoffmann von Fallersleben-Eichen wurden
im Kriegsjahr 1941
zur Einhundertjahresfeier des Deutschlandliedes
gepflanzt.
Hoffmann von Fallersleben gründete 1849 in
Bothfeld seine Familie
und dichtete hier viele seiner Heidelieder."

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Und jetzt sind es noch gut 9 Stunden bis zum Fußballspiel. Dann werden wir es hören das "Lied der Deutschen", unsere Nationalhymne, auch wenn es nur die 3. Strophe ist.

Literatur:
Winkel, W, : Heinrich Hoffmann von Fallersleben und seine Beziehungen zum Dorfe Bothfeld bei Hannover, Hannoversche Geschichtsblätter, 1975
Kreter, K,: Hoffmann von Fallersleben- Spuren des vertriebenen Dichters in Hannover, Stadtarchiv, 2007
Stoffert, G., Sperlich, B. : Von Botvelde 1274 bis Bothfeld 2009, 2009

Bürgerreporter:in:

Bernd Sperlich aus Hannover-Bothfeld

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