Österreich - Klösterreich
Stift Heiligenkreuz im Wienerwald

Stift Heiligenkreuz am Markgraf-Leopold-Platz
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Auf Spuren klösterlichen Lebens (9)

Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz - Oase der Kraft seit 1133

13.07.2018  - Wir besuchen die 15 km westlich von Wien gelegene Zisterzienserabtei Stift  Heiligenkreuz und nehmen mit unserer Gruppe von "Biblischen Reisen" an einer Führung durch die Klosteranlage teil. 

Vom Markgraf-Leopold-Platz nähern wir uns dem Stiftshof, auf dem eine mächtige Dreifaltigkeitssäule mit vielen Figuren, vergoldeten Reliefs und einem großen, goldenen, strahlenden Kreuz an der Spitze beeindruckt. 

Unsere Besichtigung  führt zunächst in die mittelalterliche, dreischiffige Abteikirche. Sie zeigt uns ein schlichtes, romanischen Langhaus aus dem 12. Jahrhundert mit dem Anbau eines hochgotischen, rechteckigen Hallenchor aus dem 13. Jahrhundert. 
Im Hallenchor fällt der Altar mit einem hohen, neugotischen Baldachin auf. Vor dem Altar, vor dem in der Höhe ein großes Christuskreuz zu schweben scheint, liegt ein resedagrüner Teppich mit bordeauxrotem Muster. Das bemalte Kreuz zeigt uns Christus als den auferstandenen und erhöhten Herrn - "eine meisterhafte Kopie eines romanischen Kreuzes von 1138".
Triforien mit bunten Glasfenstern umrahmen den Chor und lassen Tageslicht in den Innenraum hinein. Die hohen Glasfenster aus der Zeit um 1290  sind etwa zur Hälfte noch im Original erhalten.
Die wunderschöne Orgel von Ignaz Kober kommt in den Blick. Sie befindet sich am nördlichen Querhausarm. Auf ihr hat Franz Schubert gespielt und für sie im Jahre 1828 eine vierhändige Fuge komponiert. 
Wir betrachten das aus Holz geschnitzte barocke Chorgestühl von dem Venezianer Giovanni Giuliani aus dem 18. Jahrhundert. Rechtsseitig fällt mir die Skulptur des Königs David mit seiner Harfe auf.
In der Sakristei sehen wir Rokoko-Fresken. Wertvolle Intarsienschränke, von den Laienbrüdern Lucas Barth und Caspar Wiler gearbeitet, sind zu bestaunen.

Zu den schönsten romanischen Räumen der Welt zählt die Fraterie von 1240 - der mittelalterliche Arbeitsraum der Brüder ("Fratres"), in dem sich früher wohl abgeteilt die Werkstätten der Schusterei, Schneiderei, Tischlerei u. a. befanden. Dazu gehörte auch das "Skriptorium", die Schreibstube, in der Mönche von Hand Bücher schrieben oder kopierten. Das Skriptorium war der einzige beheizbare Raum des Klosters. 

Wir kommen in den frühgotischen Kreuzgang von 1220 mit 300 roten Marmorsäulen, die gotische Arkaden mit Rosetten tragen. Im Lesegang bemerken wir  mittelalterliche "Grisaille"-Fenster, wir sehen eine barocke Darstellung der Fußwaschung von Giuliani und schauen in die Annakapelle. Der Kreuzgang verbindet alle wichtigen Räume miteinander. 

Vom quadratischen Kreuzgang aus gelangen wir in den gotischen Kapitelsaal, dem Versammlungssaal der Mönche. Dort besuchen wir die Grablege des letzten Babenbergers, Friedrich des Streitbaren, der 1246 verstorben ist. Die Babenberger waren einst großzügige Gönner und Förderer des Klosters Heiligenkreuz. "Was die Kaisergruft in Wien für die Habsburger ist, das ist Heiligenkreuz für das Geschlecht der Babenberger."

Am Kreuzgang befindet sich ein wunderschönes hochgotisches Brunnenhaus. Darin ist ein kunstvoller pyramidenförmiger Renaissancebrunnen zu besichtigen - umgeben von farbenprächtigen Buntglasfenstern aus dem 13. Jahrhundert. Auf den Verglasungen ist bildlich die Familie der Babenberger dargestellt. 
In früheren Zeiten war das Brunnenhaus die einzige Wasserquelle der gesamten Klosteranlage - Wasserstelle, Waschraum und Waschküche zugleich. Dieses sakral wirkende Brunnenhaus erscheint einer Andachtsstätte, einer Kapelle gleich. 

Im Außenbereich des Kreuzganges finden wir mittig einen schönen, gepflegten Garten vor,  zu dem es Assoziationen zum Paradies, dem Paradisum gibt. Die roten Säulen aus dem Jahr 1240 stellen Bäume dar, "die im Knospen- und Rankwerk der Kapitäle enden."

In einem anderen Teil des Kreuzgangs sehen wir an den Wänden steinerne Grabtafeln. Sie sind Wohltätern gewidmet, die im Mittelalter das Kloster mit Grundstücken, Weingärten oder sonstigen Gaben beschenkten und dadurch den Lebensunterhalt der Mönche sicherten.

Das Stift Heiligenkreuz gilt als eines der bedeutendsten monastischen Zentren in Österreich. Es war der Ursprung des Zisterzienserordens für das ganze Land. Heiligenkreuz wurde seinerzeit Mutterkloster, wie für Zwettl und Lilienfeld und weiteren kleineren Niederlassungen in Österreich und Ungarn. 

Das Zisterzienserstift in der Nähe von Wien ist auch eines der bedeutendsten spirituellen und theologischen Zentren.
Die ersten Mönche von Heiligkreuz kamen aus Morimond in Frankreich, einem der Mutterklöster des Zisterzienserordens. 
Gegenwärtig leben ca. 100 Mönche in Heiligenkreuz.
Am Priesterseminar, dem "Leopoldinum", sind derzeit 40 Seminaristen eingeschrieben.
Heute gibt es neben der Klosteranlage die hochmoderne "Philosophisch-Theologische Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz" mit aktuell mehr als 300 Theologiestudenten. Seit mehr als 30 Jahren sind auch Frauen an dieser Hochschule zum Studium zugelassen.  Zu den Lehrenden gehört die Religionsphilosophin Professorin Dr. Dr. h.c. Hanna-Barbara Gerl-Falkowitz, die mir als Romano-Guardini-Expertin durch Burg Rothenfels am Main anlässlich einer Tagung im März 2018 auch persönlich bekannt geworden ist. 

Die Mönche von Heiligenkreuz sind berühmt geworden für ihre Gesänge des gregorianischen Chorals. Ihre CD "CHANT" stand lange Zeit auf Platz 1 der Charts (Hitlisten) und wurde millionenfach verkauft. 
Im Lockdown der Coronazeit bot Heiligenkreuz eine Teilnahme an den Gottesdiensten über Livestream. 
Ein Gästehaus für einen längeren, mehrtägigen Aufenthalt gibt es bedauerlicherweise nicht. 

Nach unserem Rundgang durch die Stiftsanlage am 13. Juli 2018 mit so vielfältigen Eindrücken von Architektur- und Kunststilen aus 900 Jahren sowie aus dem Klosterleben von Mönchen kehren wir gern in das Klostergasthaus zur Stärkung und zum Ausruhen ein. Bei einem Mittagessen lassen wir unseren Besuch ausklingen. Das Aufgenommene wird bei uns Besucher:innen noch lange nachwirken. Vielleicht lassen sich auch Interessierte motivieren, das Stift Heiligenkreuz kennen zu lernen oder zu besuchen. Meine Bildergalerie gibt virtuell eine Anregung dazu.
 
Zu meinen Ausführungen siehe auch die Internetseite vom Stift Heiligenkreuz im Wienerwald. Dort sind für Interessierte umfassende Ergänzungen und Vertiefungen, insbesondere auch zur spirituellen Bedeutung zu finden, von Pater Dr. Johannes Paul Chavanne verständlich und anschaulich vermittelt. Zitate in meinem Text haben dort ihren Ursprung. 
Stift Heiligenkreuz im Wienerwald

Mit bestem Dank
für die Führung vor Ort durch einen jungen Mönch (vor bald fünf Jahren),
für die aktuelle virtuelle Führung durch die homepage des Stifts
und für die erteilte Genehmigung zur Veröffentlichung meiner privaten Fotos
grüßt herzlich Kirsten Mauss 

Bürgerreporter:in:

Kirsten Mauss aus Hamburg

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