sightseeing in die eigene vergangenheit: Salzgitter-Lichtenberg

schulgebäude
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In Braunschweig geboren, in Salzgitter aufgewachsen – nach rund sechzig jahren eine reise in die eigene vergangenheit

1950 umzug von SZ-Beddingen nach Salzgitter-Lichtenberg

Auch dort eine wohnung in der ersten etage des schulhauses. Mein vater ist irgendwann zum hauptlehrer befördert worden, so eine art lehrervorarbeiter, weil die dörfliche volksschule zu klein gewesen ist, um eine rektorenstelle einzurichten.

Bärlauch: Meine oma väterlicherseits – aus Braunschweig anreisend – hat uns oft besucht. Auf einem langen spaziergang haben wir herrliche weiße blumen gepflückt, stolz nach hause geschleppt und in mehrere vasen gesteckt. Schon am abend hat unsere wohnung ein wundersamer duft durchzogen, den bärlauchblüten nun einmal ausströmen... ein bestialischer gestank !

Alptraum: Die toilette – ein plumpsklo – hat sich im nebengebäude befunden. Im dunkeln bin ich also die mir endlos erscheinende lange treppe vom ersten ins erdgeschoss, nur spärlich erleuchtet von einer trüben funzel im flur unten, hinuntergetappt, habe die tür zum schulflur geöffnet, den dunklen schulflur durchqueret, die schwere schultür aufgezogen und bin über den hof zu den toiletten gelaufen. Überall schatten, unbekannte gefahren, unheimliche geräusche – ich habe noch jahre später in alpträumen vor allem diese treppe immer wieder „erlebt“...

Große reisen: Lichtenberg hat damals einen eigenen bahnhof gehabt, sehr weit außerhalb des ortes liegend ( ungefähr da, wo heute die firma Bosch residiert ), gut drei kilometer vom schulhaus entfernt. Man hat auch mit dem autobus nach Lebenstedt oder gar nach Braunschweig fahren können. Ein sehr seltenes und deshalb aufregendes abenteuer für einen fünf- oder sechsjährigen um das jahr 1950 herum.
Die bushaltestelle hat an der kartonstraße, der großen verbindungsstraße zwischen Braunschweig und Hildesheim, ungefähr in höhe der noch heute zu bewundernden windmühle, gelegen. Unter beton(straße) habe ich mir nichts vorstellen können, aber kartons habe ich gekannt.

Roller fahren: Was bin ich glücklich gewesen, als ich zu einem geburtstag einen roller geschenkt bekommen habe, einen mit richtigen großen holzrädern, mit dem ich auf der leicht abschüssigen, steinigen, weil ungeteerten straße vor der schule ein ordentliches tempo erreicht habe, was nicht immer ohne heftpflaster zu schaffen gewesen ist.

Garten: Auch in Lichtenberg ist meinen eltern von der gemeinde ein garten zugewiesen worden, der allerdings erst durch einen rund halbstündigen spaziergang zu erreichen gewesen ist.
Wie oft sind wir mit dem handwagen durchs dorf gezottelt...
Dort habe ich einen eigenen kleinen apfelbaum erhalten; seitdem gehört die sorte cox orange zu meinen lieblingsäpfeln.
Außerdem haben zwei birnbäume in dem garten gestanden, deren früchte zum teil so hoch gehangen haben, dass sich mein vater nicht getraut hat, sie zu pflücken. Dafür hat er einmal einen flüchtlingsjungen aus dem dorf gebeten für sich und seine familie die birnen herunterzuholen. Mein vater unter dem baum, wegen der nicht ungefährlichen kletterei unruhig und nervös, oben im baum der junge, der sich freudestrahlend die birnen gepflückt hat.

Winter: Der lehrerschlitten ist im ganzen dorf berüchtigt gewesen !
In Lichtenberg hat es eine ideale schlittenbahn gegeben, den Prunzelberg, ungefähr da, wo heute die straße zum kurhaus ( altenheim ) hochführt.

„Achtung – die lehrer kommen !“ ist ein warnruf gewesen, der alle schlittenbahnnutzerinnen bewogen hat, fluchtartig die bahn zu verlassen und sich in sicherheit zu bringen.
Man stelle sich vor: Sechs, sieben, machmal acht schlitten hintereinandergebunden, die von je zwei bis drei leuten in einem wahnsinnstempo die leicht kurvige , meist recht vereiste bahn heruntergeschossen gekommen sind ! Der letzte schlitten hat immer die gesamte bahnbreite gebraucht und manchmal auch mehr... Und dann bremsen unten vor der Burgbergstraße - zum glück ist damals praktisch kein verkehr gewesen.

Vielleicht kennen einige LichtenbergInnen noch die buckelbahn ? Um ordentlich schwung zu kriegen, hat man zuerst eine art tal – ehemaliger steinbruch ? – durchfahren müssen, um dann auf einem acker zu landen, der buckelbahn. Herrlich ! Höchste beanspruchung von mensch und schlitten. Die zähne haben einem noch lange danach geklappert.

Spielplätze: Der heute als schulhof genutzte bereich zwischen schul- und nebengebäude ist für kinder ziemlich langweilig und höchstens mal für huckekästchen zu nutzen gewesen. Aber der große platz vor der schule hat viele möglichkeiten zum spielen geboten. Zum beispiel im herbst: Aus den unmengen an laub der umstehenden bäume haben sich ganze wohnungen „bauen“ lassen oder riesenlaubhaufen, in die man meist zum leidwesen unserer mütter hat hineinspringen können.

Was sonst noch ?

Ich habe in Lichtenberg frisöre hassen gelernt ( hat sich in der zwischenzeit gelegt... ). Mit seltsamen scherzangen ist das lange haar in form gebracht worden, das hat scheußlich gezwickt und weh getan.

Holzsäge: In machen jahren ist ein riesenungetüm von fuhrwerk ins dorf gekommen, von der größe her vergleichbar mit heutigen mähdreschern. Lautes kreischen, dumpf-brüllender motor, staubwolken, ein irrer lärm den ganzen tag über: Eine sägemaschine ! Für uns kinder eine willkommene abwechslung. Die maschine ist von bauern und handwerkern ins dorf bestellt worden, um aus baumstämmen bretter zu sägen.

Bürgerreporter:in:

Hans-Werner Blume aus Garbsen

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