Die toten Augen meiner Stadt

Straße der toten Augen | Foto: Martina Köhler
  • Straße der toten Augen
  • Foto: Martina Köhler
  • hochgeladen von Waltraud Seidel

Ampelverkehr aus Richtung Krankenhaus. renovierte Häuser jenseits des Großen Teichs. Es stimmt hoffnungsvoll. Rechts das Capitol, abendlicher Treff meiner Jugendzeit. Ein Lächeln zum Eingang hin, - Erinnerung!
Dann die Teichstraße, - ein Schock! Rechts das Haus Nr. 18, eine Ruine. Schwarzgrau die Mauerreste, schwarz verdreckt die Fenster oder deren Reste. Das alles einst fröhlich belebt, Schulfreundinnen hatten hier gewohnt. Hier und gegenüber, wo heute die Lücke klafft.
Verstecken hatten wir gespielt. Warum bloß war ich meist zu spät am Anschlag? Bevorzugtes Versteck: das gepflegte Eckhaus, ein beeindruckender gelber Ziegelbau. Damals hatte es zwei Ausgänge, einen zur Teichstraße und einen zur Hillgase, - das musste erst entdeckt werden! Und vorsichtig wurde dieses Wissen genutzt, stets nur als kurzzeitige Zwischenstation. Nur nicht erwischen lassen! Nur keinen Schmutz hineinbringen ins bestechend saubere Treppenhaus. Was ist geblieben vom einst auffallend schönen Bürgerhaus? Leer auch diese Fenster! Dunkel, fast schwarz, wie tot blicken sie die Straße hinauf und über die Straße hinweg zur unansehnlichen Freifläche.
Ich sehe in die toten Augen meiner Stadt.
Nun bergan Richtung Roßplan. Rechts erfreulich, links erschütternd.
Weiter auf der Schmöllnschen Straße. Wie sich die Bilder ähneln! Das einst attraktive Haus der Drogerie Ritter: leer, zerfallen, kaum wieder zu erkennen! Das Areal zwischen Teichvorstadt und Schmöllnscher Straße beherbergte einstmals Gasthaus an Gasthaus. Das Sterben der gastlichen Häuser begann in DDR-Zeiten. Und heute? Mehr als 20 Jahre danach? Von Gastlichkeit keine Spur! Meine Gäste führe ich besser auf anderem Wege zu den touristischen Attraktionen unserer alten Residenzstadt, die inzwischen schon zur Altenresidenz-Stadt mutiert.
Fast ungläubig laufe ich die Straße entlang. Ein schmerzhafter Anblick! Hin und wieder einige noch bewohnte Häuser. Dazwischen blicken sie aus leblosen Fassaden, - die toten Augen meiner Stadt.

Bürgerreporter:in:

Waltraud Seidel aus Altenburg

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