Jede freie Minute wird hier getüftelt !

24. April 2011
17:00 Uhr
Bahnhaus, Kirchhain
Die Climax - Getriebelokomotive im Maßstab 1 : 5
19Bilder

Der Radweg von Marburg in Richtung Kirchhain führt entlang von Lahn und Ohm und auch entlang der Main-Weser-Bahnlinie. Kaum hat man das Dorf Anzefahr passiert, ist bereits das Pfeifen einer Dampflok zu hören, aber auf der parallel zum Radweg führenden Bahnstrecke sind nur moderne Züge zu sehen. Wo kommt das Pfeifen her ?

Wir fahren weiter und erreichen den ehemaligen Holzlagerplatz. Hier liegt auch Dampfgeruch in der Luft und das Pfeifen und Stampfen einer Dampflok ist ganz deutlich zu hören. Da sehen wir auch schon, wie eine Modelldampflokomotive gemächlich zwischen Bäumen hindurch aus einem Grundstück heraus und eine Steigung hinauf auf eine Holzbrücke zu fährt. Es ist schon ein ungewohntes Bild, was sich uns da bietet und macht auch neugierig. So gehen wir zur Gartentür und warten, bis die Dampflok wieder hier ankommt.

Auf dem Tender der Lokomotive sitzt der Erbauer und Besitzer Lutz Röse, der seine Modellbahnanlage gerne zeigt und erklärt. Seit dem Jahre 2000 wohnt Herr Röse mit seiner Familie in dem ehemaligen Bahnhaus und hat sich auf dem Gelände seinen "amerikanischen" Traum von einer Modellbahnanlage verwirklicht. Es ist keine Anlage im herkömmlichen Sinn sondern hier wird deutlich, wie noch Mitte des vergangenen Jahrhunderts in den amerikanischen Wäldern mit diesen Bahnen gearbeitet wurde. "...in Amerika wurden die Gleise einfach in ein Waldstück hineingelegt und mit diesen Dampflokomotiven die gefällten Bäume herausgeholt...", so erklärt Herr Röse die Arbeit der Original-Fahrzeuge. Hier hatten die Lokomotiven oft engere Kurven zu fahren, so dass sie mit einer Kardanwelle und nicht direkt über die Räder angetrieben wurden. So war die Vorderachse beweglich und die engen Kurven passierbar.

Weiterhin erfahre ich, dass es sich um eine Climax-Lokomotive handelt, die im Original etwa 45 Tonnen wiegt. Seine Lokomotive wurde im Maßstab 1 : 5 erbaut, wiegt stolze 1.100 Kilo und hat eine Leistung von 6,5 PS. Diese Leistung reicht aus, um etwa 20 to. rollende Last in der Ebene zu befördern. Natürlich verbraucht ein solches Dampfross an einem Tag nicht wenig Wasser und Kohle: Wasser etwa 500 Liter - Kohle zwischen 1 1/2 und 2 Zentner.

Bevor jedoch Herr Röse mit dem Bau der Lokomotive beginnen konnte, besorgte er sich einschlägige Literatur und die Original-Baupläne aus den USA. Die Arbeit am Schraubstock und der Drehbank konnte aber erst beginnen, nachdem er die Zahlen und Maße verstanden und umgerechnet hatte. Beim Bau selbst tauchten immer wieder Fragen und Schwierigkeiten auf, mit denen vorher niemand rechnen konnte. So sollten z. Bsp. Zylinder und Räder in einer Metallgiesserei gegossen werden. Die Suche nach der geeigneten Giesserei gestaltete sich jedoch recht schwierig und scheiterte unter anderem an der zu geringen Stückzahl. Nach mehreren Anläufen konnte jedoch auch dieses Problem gelöst werden, und eine Giesserei fertigte anhand der von Herrn Röse vorgefertigten Holzmodelle 40 Räder für die Lokomotive.

Auf seinem Gelände sind etwa 500 Meter Gleise und 3.500 Bahnschwellen verlegt. Jedes Detail, vom Gleiskörper über den Einbau des Basaltsplitts, Herstellung und Verlegung der Bahnschwellen, Weichen, Wassertank bis hin zur fertigen Lokomotive, hat Herr Röse in Handarbeit hergestellt. Hier kann die Arbeit einer amerikanischen Waldbahn vom Holztransport, über die Verarbeitung in einem ebenfalls maßstabgerechten Sägewerk bis hin zum fertigen Brennholz staunend betrachtet und miterlebt werden.

Diese sicher in Deutschland, ja vielleicht sogar europaweit, einzigartige Anlage ist schon ein ganz besonderer "Hingucker". Bei Ihrer nächsten Radtour von Marburg in Richtung Kirchhain, achten Sie einmal genau darauf, ob die typischen Geräusche einer Dampflokomotive bei Anzefahr zu hören sind. Legen Sie am Gartentor eine Pause ein und Sie fühlen sich zurück versetzt in die Zeit vor etwa 70 Jahren. Hier vergeht eine Stunde wie im Flug. Vergessen Sie vor allem ihren Fotoapparat nicht !

Herrn Röse danke ich auf diesem Wege für die freundliche Unterstützung und wünsche ihm weiterhin viel Freude an seiner aussergewöhnlichen Modellbahnanlage !

Bürgerreporter:in:

Hans-Christoph Nahrgang aus Kirchhain

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