Besuch eines Vortrags im Kloster Wülfinghausen

10. November 2009
19:00 - 20:00 Uhr
Klostergut Wülfinghausen, 31832 Springe

Öffentlicher Vortrag innerhalb der Veranstaltungsreihe 'Klostergespräche' zum Thema 'Evolution oder Schöpfung?'

Dass das von christlichen Glaubensgemeinschaften gestaltete Umfeld atmosphärische Wirkungen besonderer Art auszuüben vermag, erlebte ich kürzlich beim Besuch eines evangelischen Frauenklosters. Auf dem Programm stand ein öffentlicher Vortrag. Doch nicht nur das Thema 'Evolution oder Schöpfung' lockte mich dorthin, sondern auch der reizvolle Ort: Kloster Wülfinghausen.
Vor ein paar Jahren am Tag des offenen Denkmals hatte ich dort meinen Heimweg von einer kleinen Rundfahrt über Poppenburg und Wittenburg für einen Moment unterbrochen.

Schon beim Betreten des Gebäudes, merkte ich, dass ich mich, und damit mein Verhalten, veränderte: Eine Schwester empfing mich an der Tür, wies mir den Weg zur Treppe hinauf. Alles was ich sah und hörte gab mir das Gefühl von familiärer Verbundenheit.
Nur der leere Garderobenständer verunsicherte mich. Hoffentlich werde ich nicht der einzige Zuhörer sein, schoß es mir durch den Kopf; und tatsächlich stand ich plötzlich allein vor der nach oben führenden Holztreppe. War die Nonne hinter einer der Türen verschwunden, oder im Dämmerlicht des gotischen Kreuzgang entschwebt. Einen Moment glaubte ich, es sei besser das Haus schnell wieder zu verlassen, heimlich verschwinden?

Ich wandte mich der Pforte zu. Dort unmittelbar neben der Haustür stand ein betagter Eichenholz-Sekretär. Beim Eintreten war mir das Möbel kaum aufgefallen. Jetzt hatte ich Gelegenheit das schöne alte Stück zu betrachten. Auf der heruntergeklappten Schreibplatte standen Honig- und Marmeladengläser, handgeschrieben Preisschildern wie Visitenkarten daneben. Ein Körbchen diente als Kasse. Käufer konnten das Geld einfach hineinlegen. Hier herrscht Vertrauen.
Dann bemerkte ich an der Flurwand ein Garderobenbrett, ähnlich wie in einer Schulen neben der Klassentür.
Einige Haken waren noch frei. Ich kann bleiben, werde nicht der einzige Besucher sein.Ich hängte Schal und Jacke auf. Mein Handy ließ ich in der Jackentasche stecken. Vertrauen schafft Vertrauen. Die Holztreppe knarrte dezent. Oben stand ich in einem Vorraum der Wohnung, einer Stiftsdame? Nein, hinter der einen halbgeöffneten Zimmertür murmelte die Besucherschar.

Der Vortragsraum überraschte mich. In einer Ecke stand ein herrlicher Kachelofen, daneben ein Biedermeier-Sofa, etliche Stühle, die sich in jedem soliden Antiquitätengeschäft gut ausgenommen hätten. Rednerpult und eine Projektionsleinwand wirkten wie Fremdkörper.

Zügig füllte sich der Raum mit Zuhörern. Fleißig trugen Schwestern der Christusbruderschaft, zusätzliche Stühle herbei. Schon fühlte ich mich etwas eingekeilt. Besonders als eine ältere Dame auf neben mir Platz nahm und mich sogleich vertraulich ansprach. Auf dem Infoblatt in ihrer Hand stand in großen Buchstaben "Klostergespräche Wülfinghausen 2009".

War es das, was ich hier hören wollte? Heimlich zu gehen nun unmöglich.
Statt vor Unsicherheit in Schweiß auszubrechen, sagte ich freundlich irgend etwas Belangloses. Die Dame vor mir wandte sich etwas um und informierte uns darüber, dass die Stühle etwas hart seien. Der Nachbar zu meiner Rechten reichte ihr eines der Kissen vom Sofa. Sie nahm es dankbar an. Jetzt bitte nur keinen Gesprächskreis gründen!
Da war er wieder, der Fluchtreflex. Zu wenig Bewegungsfreiheit, um aufzustehen und mir die an den Wänden hängenden gerahmten Kupferstiche oder das Ölgemälde über dem Sofa aus der Nähe betrachten zu können. Ersatzhandlung: Auch ich besaß so ein gelbliche Faltblatt, glättete es sorgfältig und hantierte umständlich mit meiner Lesebrille.

Alles hatte seine Richtigkeit, für den heutigen Abend war ein Religionspädagoge aus Loccum zum Thema "Evolution oder Schöpfung" eingeladen, also brauchte ich keine Gesprächsrunde zu fürchten.
Eine Schwester legte letzte hand an, rückte das Rednerpult in die richtige Position und bat Pastorin Jürgena ans Mikrophon.
Hoffentlich werden die Zuhörer nicht zum gemeinsamen Gebet aufgefordert. Nein, ein Gebet wurde nicht gesprochen, nur eine kurze Begrüßung und zwei, drei einleitende Worte über die Vortragsreihe: "Der neue Streit um Gott - Naturwissenschaftliche Religionskritik und christlicher Glaube".

Um etwas über den Standpunkt eines Religionswissenschaftlers zur allgegenwärtigen Diskussion "Evolution oder Schöpfung?" zu hören, war ich gekommen. Der Vortragende, Dr. Kraft, holte weit aus. Begann mit Charles Darwins Fahrt auf der Beagle. Bei der Darstellung von Darwinismus und Genesis nahm einen neutralen Standpunkt ein.

Ich denke, eine solche Gegenüberstellung würden Kreationisten gar nicht erst zulassen und für Atheisten wäre sie irrelevant. Aus beiden Lagern hatte ich Darstellungen gelesen, über die hauptsächlich in den USA fundamentalistisch argumentierenden Vertreter des Intelligent Design haben die Medien in letzter Zeit wiederholt berichtet. Wer wie sie die Evolution der Arten durch natürliche Auslese leugnet und ihr mit einer wortgetreuem Auslegung der Genesis entgegentritt, kann bei mir keinen Blumentopf gewinnen. Dagegen enthält das Buch "Der Gotteswahn" des Atheisten Richard Dawkins durchaus nachvollziehbare logische Gedankenstränge. Wäre ich Katholik hätte ich es, wenn überhaupt, wohl nur mit Zangen anfassen dürfen. Protestanten können sich der Thematik unvoreingenommener stellen.

Im evangelischen Kloster Wülfinghausen wurde nicht versucht an der wissenschaftlichen Grundlage des Darwinismus zu rütteln. Über Dawkins Darlegungen sprach man ohne theologische Verklausulierungen, dem Autor jedoch die missionarische Absicht angekreidet. Während einige Argumente seiner Religionskritik für mich durchaus nachvollziehbar sind, halte ich die Missionsabsichten für einen kontraproduktiven Übereifer. Atheismus als religiöse Glaubenserfahrung: Das muß nun wirklich nicht sein.

Alles in allem habe ich nicht bereut Bei Dunkelheit über die Dörfer bis zum Kloster gefahren zu sein. Bei sommerlichen Sonnenschein werde ich die Fahrt wiederholen und mir dann das Klostergut samt Umgebung anschauen. Ein Dorf ist der Kloster Wülfinghausen genannte Ort eigentlich nicht. Er liegt zwischen Elze und Eldagsen. Die Websites kloster-wuelfinghausen.de zeigen wie reizvoll die Gebäude und ihr Umfeld sind. Ganz in der Nähe auf einem Ausläufer des Osterwaldes soll es die so genannte Barenburg, die Reste einer Wallanlage (Fliehburg) geben.

Bürgerreporter:in:

Rolf Schulte aus Hildesheim

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