Leichen auf den Straßen

Ich bin ein Kind des Krieges, des zweiten Weltkrieges. Die Nachrichten begannen: „Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt …“. Man lernte schnell, Nachrichten von Propaganda zu unterscheiden, man lernte die Information aus dem gesprochenen Wort – und aus dem Schweigen – herauszufiltern.

Gegen Ende des Krieges wurde in Deutschland der „Volkssturm“ aufgestellt: alte, wehruntaugliche Männer, in ihrer normalen Zivilkleidung mit der Armbinde „Volkssturm“; militärisch ohne jeden Wert, Rechtsstellung: Wehrmacht oder Partisan, ungeklärt. Wir Kinder sangen: Alles alte Kerle, Beene wie die Querle, Aaastma!
In den letzten Wochen des Krieges wurden in Deutschland die „Wehrwölfe“ erfunden, eindeutig mit Partisanenauftrag; dem Aufruf wurde kaum gefolgt, das Volk war kriegsmüde.
Andernorts, waren die Partisanen gegen die deutschen Soldaten recht erfolgreich; auf dem Balkan verlor die deutsche Wehrmacht über eine halbe Million Soldaten; auch Frankreich rühmt sich seiner Widerstandserfolge.
Im Krieg werden Partisanen und Spione erschossen; die Täter, und wenn die nicht ermittelt werden, gefasst werden können, eben ein paar andere Unbeteiligte. So machten es die Deutschen (heute als Kriegsverbrecher bezeichnet) und später die Franzosen und Amerikaner in ihren Kriegen.
Als Kind des Krieges hat man gelernt, die Verlautbarungen der Kriegsparteien richtig zu deuten. Schon am ersten Tag des Einmarsches der Russen in die Ukraine, war von deren Führung der Aufruf an die Bevölkerung zu hören, sie solle sich zur Verteidigung ihres Landes, ihrer Heimat bereit machen. Ein paar Wochen später waren im deutschen Fernsehen Frauen zu sehen, die sich von Soldaten den Gebrauch einer Handfeuerwaffe zeigen ließen, Begleittext: Damit wir uns verteidigen können.
Übrigens: Alle sprechen nur von „Verteidigung“, von Angriff spricht niemand. Es gibt auch nur noch „Verteidigungsminister“ – und bei der Verteidigung werden auch schon mal die Staatsgrenzen überschritten, nicht nur im Krieg gegen die Ukraine.
Leichen auf den Straßen in der Ukraine. Täter: die Russen? Die Leichen auf den Straßen haben dort angeblich mindestens mehrere Tage gelegen. Warum sollten die Russen, als Täter, die Leichen dort tagelang liegen lassen? Warum sollten die Ukrainer, als Opfer, diese Leichen tagelang auf den Straßen liegen lassen? Leichen verwesen, stinken, verbreiten Krankheiten, diese Krankheiten machen keinen Unterschied zwischen Opfern und Tätern, zwischen Ukrainern und Russen.
Wer waren die Menschen, die da jetzt als Leiche auf der Straße liegen? Der alte Mann auf seinem Rad mit dem Brot in der Tasche, wirklich ein Brot oder eine Bombe? Die junge Französin berichtete nach dem Krieg, wie sie in ihrem Kinderwagen unten die Handgranaten, darüber ihren Säugling sehr freundlich lächelnd durch die deutschen Kontrollen geschoben hat; lächelnde, den Tod im Kinderwagen transportierende Partisanin.
Vorsicht mit der schnellen Schuldzuweisung. Und die Fesselungen sind geradezu ein Beweis dafür, dass jemand wegen irgendeines Tuns erst Festgenommen und dann (nach einer Befragung, Verurteilung?) erschossen wurde. Sicher ist jedenfalls, die Ukrainer wurden von ihrer Regierung am Anfang des Krieges zum Widerstand, und das ist schwerlich etwas anderes als Partisanentätigkeit, aufgerufen. Und sicher ist auch, dass Zivilisten an militärischen Waffen ausgebildet wurden, auch nur möglich zur Partisanentätigkeit.
Und Partisanen und Spione werden im Krieg erschossen.
02.05.2022
Hermann Müller
Bentierode
Bentieröder Bruch 8
D-37574 Einbeck

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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