Einen Tod kann man nur sterben!

Da ihr letzter Treffpunkt, der Glühweinstand vor Charlys Kneipe, vor einigen Tagen abgebaut werden musste, hatte Karls Frau Bertha wieder erlaubt, dass sie sich in ihrer Wohnung treffen konnten.

"Heute morgen als ich Brötchen holte, standen vor meiner 'Medikamenten-Apotheke' nur wenige Menschen und ich dachte, holst dir gleich noch Masken", sagte Walter, machte eine Pause und nahm erstmal einen Schluck Bier aus der von Karl verteilten Flasche.
"Die Apothekerin fragte: 'Den Standardmundschutz zu 1 Euro oder die sichereren FFP 2-
Masken zu 2,95?"

"Nein, die kostenlosen für die Risikogruppe.", erwiderte ich

"Die sind im Moment vergriffen. Haben Sie unseren Hinweis im Schaufenster nicht gelesen?" Die Frau verdrehte die Augen. "Kommen Sie bitte nach Weihnachten wieder."

"Dann hatte ich ja gestern noch Glück", meinte Karl. "Ich war bei einer Apotheke, zu der ich selten gehe. Der Apotheker fragte nach meinem Ausweis. Ich zeigte ihn und sagte scherzhaft:'Sehe ich denn noch so jung aus?' Er konnte nicht darüber lachen, legte mir
die eingeschweißten Dinger ohne Tüte auf den Tresen und antwortete schnippisch:
'Ich guck mir die Leute nicht an, mache nur meinen Dienst nach Vorschrift!'
Da bekam ich sofort einen dicken Hals, hätte eigentlich nach einem blutdrucksenkenden Mittel verlangen müssen und erwiderte so laut, dass es die hinter mir stehenden Kunden
mitbekamen: 'Für den Dienst nach Vorschrift werden Sie aber fürstlich mit unseren Steuergeldern entlohnt! An diesen drei Masken, die Sie mir so widerwillig auf den Tresen geknallt haben, verdienen Sie siebzig Euro!"

"Stimmt das?" fragte Ralf.

"Ja. Ich habe gehört, dass die Apotheken die Masken für zwanzig Euro einkaufen, aber für die Verteilung neunzig Euro vergütet bekommen."

"Das darf doch nicht wahr sein!", empörte sich Walter. "Die verkaufen doch sowieso alles überteuert, umsonst heißt es nicht 'Apothekenpreise'. Großzügiger Sozialstaat: 'Bäcker-
kinder mit Stuten füttern!'"

Ralf winkte beschwichtigend ab. "Nun ist ja sowieso für uns bald alles vorbei! Ab 27. Dezember wird geimpft."

"Ja, für Walter ist bald alles vorbei!" Karl lachte. "Du wirst ja im Januar achtzig und gehörst damit zu der Gruppe der Versuchskaninchen. Wie beruhigend, dass ich noch zwei Jahre Zeit habe. Bis dahin sind die Nebenwirkungen herausgefiltert oder der Impfstoff ist vom Markt genommen."

"Das wird dann wohl mein letztes Weihnachten", mimte Walter Traurigkeit.

"Wenn du Glück hast, erlebst du noch ein zweites!", munterte Ralf ihn auf. "Wir werden ja angeschrieben. Das geht ja meistens alphabetisch. Da du Zamarowsky heißt, hast du noch eine Galgenfrist."

"Bei den Älteren sagt man ja jetzt schon: 'Sie sind im Zusammenhang mit Covid-19
gestorben.' Das heißt im Klartext, dass sie sowieso bald gestorben wären!", meinte Walter, und dann lachend: "Ich würde lieber im Zusammensein mit Corona sterben!"

"Ein Erstickungstod durch 'Corona' ist bestimmt grausam, aber ist ein Herzinfarkt, ein Schlaganfall oder Nierenversagen eine Alternative? Meine Oma hat immer gesagt:
'Einen Tod kann man nur sterben!'" Karl lachte.

Walter verzog das Gesicht in der Gewissheit, dass es nur noch wenige Wochen bis Januar waren, machte wieder den Traurigen und sagte: "Lasst uns jetzt lieber Skat spielen! Wer weiß, ob ich das bald noch kann, wenn die Nebenwirkungen der Nebenwirkungen ihre Wirkung bei mir gezeigt haben!"

Bürgerreporter:in:

Martin Ripp aus Bramfeld

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