Nach Katastrophe bei der Love Parade in Duisburg: Bundespolizei löscht dienststellenweit Beweise / Bundesinnenminister Thomas de Maiziére unter Druck

Spiegel-Online berichtete gestern abend, noch am Sonntag seien auf den Rechnern der Bundespolizei sämtliche Unterlagen und dienstliche E-Mails zum Sicherungskonzept der Love Parade in Duisburg gelöscht worden. Wegen der Großveranstaltung vom Samstag, bei der 19 Menschen ums Leben kamen, und 342 zum Teil schwer verletzt wurden, waren am gestrigen Sonntag schwere Vorwürfe u.a. gegen die Polizeiführung erhoben worden.

Bereits am Sonntagabend war auf einem Blog der Freien Wähler Berlinbeanstandet worden, dass das Internetportal Youtube bestimmte Videoaufnahmen aus dem Verkehr gezogen hatte, die Bundespolizisten im Einsatz zeigten. Der Verdacht, dass die Ermittler selbst Datenlöschungen veranlassen, war in der Welt.

Im Laufe der Nacht präzisierte Spiegel-Online die Nachricht dahingehend, dass die vollkommene Löschung der Daten nicht bundesweit, aber an einer bestimmten Dienststelle vollzogen worden sei. Gleichzeitig zitiert Spiegel-Online einen Sprecher der Bundespolizei, es habe zumindest "keine Anordnung gegeben, die Daten von den Computern zu entfernen."

Dürfen Beamte ermittlungsrelevante Daten löschen?

Die Bundespolizei hat damit die komplette Löschung der Daten an zumindest einer Dienststelle wohl eingeräumt. Nach Auskunft eines Ministerialbeamten der Bundesregierung gestern abend weist der Vorwurf von Spiegel-Online "erschütternd weit in den Bereich einer gegebenenfalls organisierten Kriminalität." Demnach setzt sich ein Beamter, der strafrechtliche Vorwürfe gegen sich erwartet und deshalb dienstliche Daten löscht, zwar "nur" einer Disziplinarstrafe aus. Ermittlungsbeamte wie die der Bundespolizei hingegen, die Daten löschen, um die mögliche Verfolgung von Kollegen zu behindern, setzen sich der Verfolgung wegen Strafvereitelung im Amt aus, und "dürften bereits bei dem erwiesenen Versuch einer solchen Straftat regelmäßig aus dem Dienst zu entfernen sein. Es ist ferner völlig lebensfremd etwa anzunehmen, dass eine zweistellige Anzahl von Beamten ein- und derselben Dienststelle unabhängig voneinander den Entschluss fassen, unterschiedliche Daten zu demselben Vorgang auf ihren Dienstrechnern- und Handys zu löschen und sogleich auch noch in die Tat umsetzen." Sollten Daten in dem von Spiegel-Online behaupteten Umfang gelöscht worden sein, müsste wohl oder übel über eine Auflösung der jungen Bundespolizei-Struktur und "über ihre Reorganisation in einer dezentralen Struktur nachgedacht" werden.

Die Bundespolizei besteht erst seit dem 1. Juli 2005, bezeichnet sich aber als Nachfolgerin des bereits 1951 eingeführten Bundesgrenzschutzes. Internen Kritikern des Bundesinnenministeriums zufolge lassen sich die beiden Polizei-Organisationen weder nach Aufgaben, noch nach Personal-, bzw. Ausbildungsstand miteinander vergleichen.

War, mit Opa Hoppenstedt gefragt, früher beim Bundesgrenzschutz denn "mehr Lametta"? Nein, sagt unser Informant, früher musste man persönlich in die Akten-Registratur, um Akten zu vernichten, und am Sonntag sei die gottseidank geschlossen. "Heute geht das anscheinend in Echtzeit per digitalem, mit Steuergeldern gegen Abhören aufwendig abgesichertem Polizeifunk." Aber egal, ob digital oder per "Flurfunk", da war man sich in Berlin gestern abend einig, dürfte die politische Verantwortung für die "Bundeslöschnacht" seiner untreuen Ermittler Bundesinnenminister de Maiziére treffen. "Das ist zwar nicht nach der Schwere der Vorwürfe, aber nach Anzahl sowohl der Opfer wie der angeschuldigten Beamten sein persönliches Bad Kleinen."

Bürgerreporter:in:

Lorenz Stiefelknecht aus Berlin

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