Spektakuläre Flugaktion sorgt für großen Wirbel
Notlandung auf dem Boulevard „Unter den Linden“

Boulevard "Unter den LInden"
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Berlin I Morgenspaziergänger mochten ihren Augen nicht trauen, als sie am Sonntag, 8. Juli 1923 in Berlin auf dem Prachtboulevard „Unter den Linden“ Zeuge eines einmaligen Ereignisses wurden, als ein Flugzeug auf dem Kaiser-Franz-Joseph-Platz, zwischen Neuer Wache und Opernhaus, landete.

Die Maschine vom Typ D 284 hatte zwar nur eine geringe Spannweite von sieben Metern, doch sorgte die kleine Propellermaschine, die gegen 5.30 Uhr im Gleitflug ganz knapp über den Dächern der Innenstadt einschwebte, für einen ziemlich großen Wirbel.

Der Pilot Antonius Raab aus Breslau erklärte später, ein Motorversagen habe ihn zu der Notlandung gezwungen und er habe sich die breiteste Straße dafür ausgesucht.

Er war geschickt, ohne Bäume und Anlagen zu beschädigen, auf dem breiten Damm gelandet. Zu seinem Glück war um diese Zeit keine Straßenbahn unterwegs, die damals noch auf dem Boulevard fuhr.
Passanten allerdings wunderten sich darüber, dass bereits eine knappe halbe Stunde vor Auftauchen des Flugzeuges mehrere Filmoperateure am Ort des Geschehens gesichtet worden waren.

So bekam die „Notlandung“ in Berlin schnell eine Wende. War sie „geplant“? Sollte die Aktion gefilmt werden?
Der Verdacht lag nahe, eine Berliner Filmgesellschaft bediene sich der fliegerischen Fähigkeiten von Raab, um spektakuläre Filmaufnahmen zu machen.

Hätte Raab die Notlandung tatsächlich im Auftrag der Filmgesellschaft vorgenommen, so hätten er und der Direktor der Filmgesellschaft mit einem Strafverfahren wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses rechnen müssen.
Behauptungen und Dementis überschlugen sich, Gerüchte machten die Runde. Niemand wusste so richtig Bescheid und deshalb wurde das Flugzeug erst einmal beschlagnahmt. Man benachrichtigte die Luftüberwachungsstelle in Staaken und beauftragte sie, einen Fachmann zu entsenden, der zweifelsfrei ermitteln sollte, ob tatsächlich ein Defekt am Motor vorlag.

Einige Tage später äußerten sich die Inhaber der Sportmaschine, die Berliner Leitung des Stahlwerks Mark zu dem Vorfall. Sie versicherten, dass es sich auf keinen Fall um Filmaufnahmen gehandelt habe. Zudem habe man keine Ahnung von der Anwesenheit der Filmoperateure gehabt.

„Im Übrigen“, so die Werksleitung, „zeige die Untersuchung, dass tatsächlich ein Defekt an der Benzinzuführung vorgelegen habe. Eine Landung in Berlin konnte auch insofern nicht vorgesehen sein, als der Flieger Raab in Breslau erwartet wurde. Er hat sich nur sehr schwer zu der Notlandung entschließen können, da sie für ihn mit großer Lebensgefahr verbunden gewesen ist“.
So wurde die Beschlagnahme des Flugzeugs wieder aufgehoben, weil auch die Polizei angeblich zur Beschlagnahme nicht berechtigt gewesen sei, da der Flugzeugführer im Besitz gültiger Ausweise gewesen war.

Wie auch immer die Landung auf Berlins Boulevard zustande kam, sie hat bis heute ein „Geschmäckle“, wie die Schwaben sagen würden, denn Toni Raab erregte kurze Zeit später die Gemüter noch einmal, als er mit einer Sportmaschine im Londoner Richmond Park landete.

Möglicherweise waren die Aktionen auch Vorlage für den Moskauflieger Rust, der mit seiner spektakulären Landung auf dem Roten Platz am 28. Mai 1987 für Aufsehen sorgte. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

Flugzeug-Foto: Heino Rhoden - Own work, CC BY-SA 3.0 de

Bürgerreporter:in:

Klaus Tolkmitt aus Berlin

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