Auf der Suche nach einem Titanen: Eine Exkursion in die Vergangenheit

Großer Eichenbock (Cerambyx cerdo) bei der Paarung.
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Als Hobby - Naturfotograf und –forscher ist man ständig auf der Suche nach etwas Außergewöhnlichem, um nicht zu sagen nach „Superlativen“. Was den modernen „Papparrazzi“, auf der Suche nach den Reichen und Schönen in die Metropolen dieser Welt zieht, verschlägt uns in Gegenden, in denen sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen, und von denen kaum ein Mensch vorher etwas gehört hat.

So hörten wir von einer uralten Straße, weit im Osten unserer Republik. Es ist mehr ein Straßenabschnitt, nicht länger als 200 Meter und führt durch einen Ort in der Mark Brandenburg, in welchem die Zeit stehen geblieben zu sein schien. Dieses Stück Landstraße wird innerhalb der Ortschaft von solch mächtigen Eichen flankiert, wie wir sie nie zuvor gesehen haben. Diese Bäume standen schon dort, als es noch keinen Kaiser Wilhelm gab. Ein knappes Dutzend Häuser deren Fassaden langsam aber stetig zerfallen, vorwiegend von alten Menschen bewohnt, reihten sich entlang der Bäume und prägten das Bild.

Mit einem normalen PKW lässt man diesen Ort binnen 30 Sekunden hinter sich, nicht ahnend, dass dort - und NUR dort - ein Lebewesen haust, welches man einmal gesehen haben sollte: Wir sprechen von einem Käfer. Dem Großen Eichenbock (Cerambyx cerdo), auch Heldbock genannt.

Nach einigen Richtungswechseln auf der Suche nach diesem Landstrich, kamen wir schließlich ans Ziel. Unser Fahrzeug stellten wir am Straßenrand ab. Die Uhr zeigte 18.00 am Abend. Genau die richtige Zeit, um sich auf eventuelle Begegnungen mit einem Riesen einzustellen. Es herrschte Stille. Die Bewohner des Dorfes nahmen uns nicht wahr.

Jetzt gingen wir auf die mächtigen Stämme zu, um nach dem großen Käfer Ausschau zu halten: Treffer! Bereits an der Ersten der großen Eichen sahen wir, zu unserer Freude genau auf Augenhöhe, ein Käferpärchen bei der Paarung.

Donnerwetter! So groß hatten wir ihn uns dann auch nicht vorgestellt. Wenig später, fanden wir weitere Exemplare an anderen Bäumen. Wir begannen, die Art mir unseren Kameras zu dokumentieren. Bei dieser Arbeit musste ich, während meine Partnerin Heide ein paar Bäume weiter beschäftigt war, feststellen, dass meine Makrooptik nicht die Richtige für diesen Zweck war. Die Tiere waren hierfür einfach zu groß! Ich wechselte daraufhin auf ein normales Objektiv. Doch die Bilder wurden zu dunkel. Unter dem dichten Kronendach der Rieseneichen hatte ich nicht genug Licht zur Verfügung. Ich kam zu dem Entschluss, den Blitz einzusetzen.

Etwa einen Meter vor mir saß ein gewaltiges Männchen des Großen Eichenbocks auf der Baumrinde. Das wollte ich mir doch nicht entgehen lassen? Das erste Foto mit Blitz….und Brrruummm!!!

Das riesige Insekt breitete seine Flügel aus. Augenblicklich startete er mit einem Wahnsinnsgebrumm von der Rinde, drehte einige Runden um mich, scheinbar um den „Eindringling Mensch“ zu inspizieren und knallt anschließend mit Vehemenz in die Haare meines Hinterkopfes, um sich dort auszutoben.

Wissend, einen extrem seltenen Organismus am Schädel hängen zu haben, verzichtete ich auf jedwede Abwehr und ließ den Käfer machen. Wie wild trampelte er auf meinem Kopf herum und versuchte mich scheinbar aus seinem Revier zu vertreiben. Bisse blieben aus, worüber ich nicht unglücklich war. Bedenkt man, dass er mit der harten Rinde knorriger Eichen fertig wird, ist mein Kopf do ungleich weicher. Nach etwa 15 Sekunden war der Spuck vorbei und der Titan wieder mit ungeheurem Brummen in die Baumkrone entfleucht.

Da Heide zu weit weg war, konnte diese Situation leider nicht fotografiert werden. Für mich war es ein unvergessliches Erlebnis, da ich zu ersten Mal die unbändige Kraft und das Gewicht eines solch großen Insektes spürte. Er hatte wohl den Blitz nicht gemocht?

In den nächsten Stunden gelangen uns noch einige Dokumente dieses „Käfers unter den Käfern“.

Wieder einmal war eine Exkursion erfolgreich verlaufen und unser gesammeltes Daten- und Bildmaterial kann zur Erhaltung der Art wertvolle Dienste leisten.

Zum Artenprofil des Käfers:

Der Große Eichenbock (Cerambyx cerdo), auch Heldbock, Riesenbock oder Spießbock genannt, ist ein in Deutschland akut vom Aussterben bedrohter Käfer aus der Familie der Bockkäfer. Die Käfer zählen zu den größten ihrer Art in Europa. Die Art ist in Deutschland und Mitteleuropa extrem selten geworden und hierzulande so gut wie verschwunden.

Der schwarzbraune Große Eichenbock wird bis zu 53 Millimeter lang und zählt damit zu den größten Käfern Mitteleuropas überhaupt. Die Fühler können beim Männchen das Doppelte der Körperlänge erreichen, die Fühler des Weibchens erreichen in etwa Körperlänge. Damit misst der Käfer von Fühlerende bi zum Hinterleib gute 15 Zentimeter. Die Fühler sind im ersten Glied verdickt.
Kopf, Brust, Beine und Fühler sind schwarz, die schwarzen Flügeldecken werden nach hinten heller und färben sich bräunlich.

Der vollentwickelte Große Eichenbock hält sich fast ausschließlich an seinem Geburtsbaum auf. Tagsüber versteckt sie sich unter loser Rinde oder im Laub im direkten Umfeld des Baumes.

In warmen Sommernächten mit Temperaturen über 18 °C, vor allem im Juni und Juli, fliegt der Käfer mittlere Strecken bis zu 4 Kilometer. Entsprechend gering ist die Verbreitungstendenz dieser sehr ortstreuen Tiere. Zwischen 20 und 22 Uhr ist ihre Hauptaktivität. Sie ernähren sich vom Saft verletzter Eichen und reifem Obst.
Die erwachsenen Käfer haben leider nur eine sehr kurze Lebenserwartung Sie werden in etwa 45 – 50 Tage alt. Während seiner nächtlichen Aktivität erzeugt der Große Eichenbock Geräusche, indem er die vorderen zwei seiner drei Brustsegmente aneinander reibt.

Das Weibchen legt seine Eier, je eines bis drei auf einmal, in die Rinde alter Eichen. Insgesamt können 60 bis mehrere Hundert Eier gelegt werden. Nach bis zu drei Wochen schlüpfen die Larven und fressen sich binnen fünf Jahren zum Inneren des Baumes und wieder nach außen durch. Die dann bis auf zehn Zentimeter angewachsenen Larven ernähren sich von Vitaminen und Mineralien im Saftfluss des Baumes. Wenn sie sich bis zur Außenseite des Baumes durchgefressen haben, verpuppen sie sich. Die Entwicklung bis zum Käfer dauert insgesamt mehr als fünf Jahre.

Der Bestand der Art geht beständig zurück und ist alarmierend gering, obwohl Schutzmaßnahmen getroffen werden.
Der Rückgang des Großen Eichenbocks lässt sich nur langsam bremsen, da Eichen erst in einem Alter ab 80 bis 150 Jahren für diese Käferart interessant werden. Die Ausbreitung (Wiederbesiedelung) und der genetische Austausch der Populationen sind durch die sehr kleine kritische Verbunddistanz von weniger als zwei Kilometern in der heutigen intensiv genutzten Landschaft nicht mehr gegeben. Die verbliebenen und potenziellen Habitate des Großen Eichenbocks sind daher streng zu schützen und müssen durch eine angepasste Pflege und Bewirtschaftung erhalten werden. Dies ist eine der national vorrangig zu verfolgenden Maßnahmen nach der FFH-Richtlinie. (Fauna – Flora Habitat). In Deutschland ist nur dieses eine Habitat bekannt, von dem nur wenige Naturschützer wissen.

Es wird daran gearbeitet. Auch wenn der Käfer an den alten Eichenbeständen, ähnlich dem Hirschkäfer beträchtliche Schäden anrichtet, sollte er doch unter allen Umständen erhalten werden.

Einige Bilder des Beitrages zeigen derartige Schäden.
Am Rande sei noch ein kleines Kuriosum erwähnt. Die Bewohner der kleinen Ortschaft wissen nichts über die Anwesenheit des Großen Eichenbockkäfers. Das ist auch gut so, denn der Ort darf aus Gründen die Sicherheit des Käfers nicht preisgegeben werden. Die Gefahr des Absammelns durch „falsche Naturschützer“ wäre zu groß. Die Käfer würden sich schnell mit einer Nadel im Rücken und präpariert in irgendwelchen Schaukästen wiederfinden.

Mehr Infos über dieses und andere Kleinlebewesen findet Ihr auf unserer Homepage http://waldschrat-online.de/ Wir hoffen, dass dieser Bericht Euch wieder einmal gefallen hat und freuen uns über Eure Kommentare.

Herzlichen Dank,
Eure „Waldschrate“
Heide & Willi

Bürgerreporter:in:

H. - Willi Wünsch aus Bergheim

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