Korallenriffe als Evolutionszentren

Team um Lichtenberg-Professor Wolfgang Kießling belegt die wichtige Rolle tropischer Riffe bei der Entstehung neuer Gattungen. Veröffentlichung in der aktuellen Ausgabe von Science

Tropische Korallenriffe, die Regenwälder der Meere, beherbergen eine ungeheure Anzahl von Tierarten. Bislang wurde diese hohe Diversität überwiegend so erklärt, dass Riffe aufgrund ökologischer Faktoren Anziehungspunkte für viele Arten darstellten, die an anderen Orten entstanden sind. Die in der aktuellen Ausgabe von Science publizierten Forschungsergebnisse von Professor Dr. Wolfgang Kießling und zweier Kollegen zeigen jedoch, dass die Riffe vielmehr als Wiegen der Evolution anzusehen sind: Neue Tiergattungen entstehen besonders dort und werden dann in andere Ökosysteme exportiert. Der Beitrag „Reefs as Cradles of Evolution and Sources of Biodiversity in the Phanerozoic“ kann unter www.sciencemag.org/content/current/ heruntergeladen werden.

Neue Tierarten entstehen überall und ständig, es gibt aber räumliche Muster der Biodiversität: Die Artenvielfalt ist am höchsten in den Tropen und am niedrigsten an den Polen, höher im Flachwasser als in der Tiefsee, größer im Flachland als auf den Bergen und höher in Korallenriffen als außerhalb. Schon länger wurde vermutet, dass hinter diesen Mustern nicht nur ökologische Faktoren stecken. Die höhere Artenvielfalt der Tropen wird größtenteils darauf zurückgeführt, dass dort neue Arten leichter entstehen als in höheren Breiten.

Wolfgang Kießling, der eine von der VolkswagenStiftung finanzierte Lichtenberg-Professur innehat, und seine Kollegen untersuchten nun auf Basis einer Zusammenstellung aller bekannten Fossilfunde, in welchen Lebensräumen sich das älteste Auftreten von Tiergattungen konzentrierte. Ihr Fazit: Die Neuentstehungsraten von Gattungen sind in Riffen 45 Prozent höher als in anderen tropischen Lebensräumen. Die Autoren machen dafür die hohe topographische Komplexität von Riffen verantwortlich.

Die in Riffen neu entstandene Vielfalt ist auch eine Diversitätsquelle für andere Lebensräume. Über 65 Prozent der Gattungen werden exportiert, deutlich mehr als importiert werden. Verantwortlich für diesen Export-Überschuss ist vermutlich die Diversität selbst. Sie wirkt als Barriere gegen von außen eindringende, gebietsfremde Arten.

Die Studie zeigt abermals – gerade auch im Kontext der Klimadebatte –, wie wichtig Korallenriffe für die Erhaltung der Artenvielfalt in den Meeren sind. Seit Anfang 2006 forscht und lehrt Professor Dr. Wolfgang Kießling als Lichtenberg-Professor am Museum für Naturkunde in Berlin (Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin). Mit seiner Arbeitsgruppe untersucht er die Entwicklung und Biodiversität von Riffen, die Stabilität mariner Ökosysteme auf langen Zeitskalen, Phänomene des Massenaussterbens sowie ökologische Abhängigkeiten der Evolutionsdynamik.

Originalveröffentlichung
Kiessling, W., Simpson, C., Foote, M.: Reefs as Cradles of Evolution and Sources of Biodiversity in the Phanerozoic. Science, Vol. 327, S. 196 – 198, 2010.

Kontakt
Professor Dr. Wolfgang Kießling
Museum für Naturkunde
Invalidenstraße 43
10115 Berlin
Telefon: 030 2093 – 8576
E-Mail: wolfgang.kiessling@mfn-berlin.de

Hintergrund Lichtenberg-Professuren
Mit ihrer Förderinitiative „Lichtenberg-Professuren“ gibt die VolkswagenStiftung einen Anstoß für die Eröffnung alternativer Qualifizierungs- und Berufungswege an deutschen Hochschulen. Der Leitgedanke hinter dieser Initiative: herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Verbindung mit innovativen Lehr- und Forschungsfeldern zu fördern und zugleich zu einer Profilbildung deutscher Hochschulen beizutragen – im Interesse des Wissenschaftsstandortes Deutschland. Mit den Lichtenberg-Professuren sollen also in einem Zug sowohl thematische als auch strukturelle und forschungspolitische Akzente gesetzt werden. 26 solcher Professuren hat die Stiftung seit dem Jahr 2003 an 18 deutschen Hochschulen eingerichtet.

Bürgerreporter:in:

Winfried Kippenberg aus Bad Grund (Harz)

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