Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge - Blumen für La Cambe

Foto: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Maurice Bonkat
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An diesem Tag scheint die Normandie wie eine bunte Insel. Im Norden die graue See, die ehemals mit Blut getränkten Strände. Aus den anderen Himmelsrichtungen strömen die Menschen herbei. Wie eine Flut umringen sie die sonst so beschaulichen Kriegsgräberstätten. Sie tragen ihre Fahnen, glitzernde Orden, historische Uniformen oder den rotschwarzen Poppy. Auch die Mitglieder des Volksbundes setzen am Jahrestag der Landung Zeichen. Es ist ein schlichtes, weißes Blumenmeer aus Nelken.

Ein schöner Anblick

„Die 3.500 Sträuße, die der Volksbund hier mithilfe deutscher und französischer Soldaten auf der Kriegsgräberstätte La Cambe an den Gräbern der Unbekannten aufstellt, sind Symbole des Friedens. Damit gedenken wir aller Opfer des Zweiten Weltkrieges – vor allem aber der vielen Namenlosen. Ihre Angehörigen können keine Blumen niederlegen. Deswegen tun wir es,“ sagt Uwe Enders. Der 47-jährige kümmert sich beim Volksbund um die Blumen- und Fotowünsche der Mitglieder – allein im vergangenen Jahr weit über 10.000 Mal!

Enders erfüllt diese Wünsche schon seit mehr als zwei Jahrzehnten. Viele Menschen, die hinter den Blumen- und Fotoaufträgen stehen, kennt er persönlich – und auch ihre bewegenden Schicksale sind ihm vertraut. „Es ist eine wichtige, eine schöne Aufgabe. Ich bin froh, dass ich den Hinterbliebenen helfen kann,“ meint Enders. Heute ist er so richtig in seinem Element. Wenn es nicht so naheliegend wäre, könnte man sagen, er blüht förmlich auf. Gemeinsam mit den Soldaten der deutsch-französischen Brigade aus Mülheim sieht man ihn unaufhörlich über das Gräberfeld von La Cambe hasten. Erst bohren sie kleine Löcher für die Kelche, dann kommt das Wasser hinzu und schließlich die gespendeten Blumensträuße der Volksbundmitglieder. So geht es über Stunden in sengender Hitze, bis auch der letzte Blumengruß seinen Platz am Grabstein eines unbekannten Soldaten findet. Es ist ein ergreifender, ein wahrhaft schöner Anblick.

200.000 Besucher

Den bewundern auch die bis zu tausend Besucher, die täglich auf die Kriegsgräberstätte kommen. Darunter ist auch eine Schulklasse aus Coventry, jene Stadt, die 1940 das Ziel deutscher Luftangriffe war. Direktor Chris Plant reist jedes Jahr mit Kindern der St. Pauls-Grundschule in die Normandie. Dort legen sie dann ihre selbst gemachten Kreuze nieder. „Einer der Schüler wollte sein Kreuz auf der deutschen Kriegsgräberstätte niederlegen. Deswegen sind wir hier,“ sagt Plant.

Insgesamt werden in diesem Jahr nach Schätzung von Friedhofsverwalter Lucien Tisserand bis zu 200.000 Menschen das schmale Eingangstor von La Cambe durchschreiten. Zu ihnen zählen auch tausende in historischen US-Uniformen. Mit ihren sorgsam gepflegten Jeeps der Marke Willys und zahlreichen anderen Militärfahrzeugen des Zweiten Weltkrieges sind sie in diesen Tagen überall an der Landungsküste präsent. Die Soldatenfriedhöfe suchen sie ebenfalls auf. Ansonsten feiern sie am 6. Juni ausgelassen den Sieg der Alliierten vor 65 Jahren. So manche Friedhofsbesucher jedoch sind irritiert von der allgegenwärtigen Kostümierung und auch von der Volksfeststimmung.

So sieht es auch Helma Bausch. Ihren Namen hat sie von ihrem Bruder, der zwei Jahre vor ihrer Geburt an der Normandieküste sein Leben ließ. Helmut Vollberg wurde nur 18 Jahre und fünf Tage alt. Sein Tod beeinflusste ihr ganzes Leben. Heute steht sie mit ihrem Rollstuhl vor seinem geschmückten Grab. Eigentlich wollte sie mit ihrem Ehemann die Mittelmeerküste entlang fahren. Doch ein Brief des Volksbundes, der kurz vor der Abreise ankommt, und die Erinnerung an den unbekannten Bruder lassen ihr einfach keine Ruhe. „Wir waren schon bis Nizza gekommen. Dann drehten wir um – und nun sind wir hier,“ sagt Helma Bausch.

So viele Opfer

Einen noch weiteren Weg legt ein ehemaliger Lieutenant der amerikanischen Fallschirmjäger zurück: John Marr ist biblische 91 Jahre alt und wohnt in Virginia. Morgen wird er im Gegensatz zu Bundeskanzlerin Angela Merkel an der gemeinsamen Gedenkfeier der Alliierten in Colleville-sur-Mer teilnehmen. Doch heute besucht er mit der gesamten Familie zunächst den größten deutschen Soldatenfriedhof mit über 21.000 Toten aus den Kämpfen um die Normandie. „Ich habe eine besondere Verantwortung gegenüber den ehemaligen Kameraden und den ehemaligen Feinden. Im Tode sind alle gleich. Es gibt so viele Opfer falscher Führerschaft,“ sagt der US-Veteran. Mit dieser humanen Einstellung steht er unter den ehemaligen Kriegsteilnehmern nicht alleine. Mel Bushman (88) und William Ryan (87), die später am Tage lange die weiße Blumenpracht in La Cambe betrachten, sehen es genau so: „Wir sind sicher, dass viele Deutsche diesen Krieg nicht gewollt haben und ebenso unter ihm gelitten haben wie wir!“

Ein europäischer Ort

„Wer das alles miterlebt hat, kann einfach zu keiner anderen Überzeugung kommen,“ meint auch der deutsche Kriegsteilnehmer Joachim Dahms aus Berlin. Der ehemalige Fallschirmjäger ist vor und nach der Gedenkfeier ein gefragter Interviewpartner. Zwischendurch wandert sein Blick immer wieder hinauf zum Hochkreuz auf dem sechs Meter hohen Tumulus. Dort oben auf dem Kameradengrab steht ein einzelner schwarzer Sarg. Darüber liegt eine deutsche Flagge. Vielleicht ist es ein Kamerad, der heute, 65 Jahre nach seinem Tode, in La Cambe beigesetzt wird.

An seinem Grab stehen deutsche, französische und amerikanische Soldaten. Auch Volksbund-Vizepräsident Karl-Heinz Kälberer und Generalsekretär Rainer Ruff sind gekommen. An ihrer Seite steht der rheinland-pfälzische Volksbund-Landesvorsitzende Michael Hörter. Die Kriegsgräberstätte La Cambe wird von seinem Landesverband betreut. Es ist das erste Mal, dass hier im Beisein der Soldaten und Vertreter ehemals verfeindeter Nationen ein deutscher Soldat beerdigt wird. Auch das ist ein wichtiges Zeichen. „Dieser Soldatenfriedhof ist ein europäischer Ort geworden, ein Platz der Begegnung, der gegenseitigen Achtung, ein Ort des Dialogs über einstige Grenzen hinweg. Dies ist ein Ort des Verstehen Wollens und der gelungenen Verständigung,“ sagt Kälberer in seiner Gedenkrede.

Für meine sechs Brüder

Die Gebeine wurden unlängst bei Bauarbeiten in Maisy geborgen. Den Segen spricht Militärpfarrer Christoph Rau. Er hat schon viele Opfer des Zweiten Weltkrieges und zum Beispiel in Langemark auch die Toten des Ersten Weltkrieges auf ihrer letzten Reise begleitet. Es ist eine würdige Trauerfeier, ein besonderer Moment des Innehaltens. Dann fordert Rau die Menschen zum gemeinsamen Vaterunser auf – jeder in seiner Sprache.

Am Sarg wacht über die gesamte Dauer der Gedenkfeier der Stabsunteroffizier Alexander Batuev. Auch er gehört zum zwölfköpfigen Arbeitskommando des elsässischen Major Robert Lenhardt. Seit zwei Wochen arbeiten sechs französische und sechs deutsche Soldaten bereits gemeinsam auf dieser Kriegsgräberstätte. Diese Arbeitseinsätze sind seit Jahren Tradition. Zu den Aufgabengebieten der Soldaten gehören neben dem Säubern der Grabsteine und der Pflege der Grünanlage auch der Friedenspark von La Cambe. Den hatte übrigens der heute ebenfalls anwesende deutsche Botschafter Reinhard Schäfers schon vor elf Jahren eingeweiht. Im Friedenspark entdeckt Alexander ein denkwürdiges Schild eines der Baumpaten. „Dort stand eine Widmung: Für meine sechs in Russland gefallenen Brüder. Das hat mich tief beeindruckt. Und eigentlich habe ich in diesem Moment erst so richtig verstanden, wie unmenschlich Krieg ist,“ sagt Batuev.

Insel der Ruhe

Diese Einsicht hat Uwe Enders schon als Kind gewonnen. Da war er erst acht Jahre alt und seine Tätigkeit für den Volksbund lag noch in weiter Ferne. Aber auch damals legte er Blumen nieder am Grab eines Soldaten auf der Kriegsgräberstätte Laventie-Wangerie. Dort liegt der ehemalige Verlobte seiner Großmutter Frieda Steinborn. Mit der Familie, die direkt neben dem Friedhof wohnt, entwickelt sich über Jahrzehnte ein regelmäßiger Austausch, sogar eine echte Freundschaft. Und dann gibt es noch einen weiteren Soldaten vergangener Tage, den Uwe Enders gerne besuchen möchte: Thilo Unger. Er war ein Schulfreund seines Vaters und starb mit 21 Jahren bei den Kämpfen in der Normandie. Sein Grab in Bayeux wird heute von der Commonwealth War Graves Commission gepflegt. Das ist kein Einzelfall. In der Region gibt es insgesamt zehn britische Soldatenfriedhöfe, auf denen auch Deutsche würdig bestattet wurden. Über dem Grab von Thilo Unger steht ein schöne, helle Portsandsteinstele, die seinen Namen trägt. Darunter wachsen Blumen.

Auch auf diesem Friedhof sind heute hunderte Menschen unterwegs: Schulklassen, Soldaten, Touristen, öffentliche Vertreter und Angehörige. Uwe Enders zieht sich einen Moment zurück. Es ist ein Moment der Stille, eine Insel der Ruhe.

Fotos: Maurice Bonkat

Foto- und Grabschmuck
Wenn auch Sie einen Fotowunsch haben oder ein Grab schmücken lassen wollen, wenden Sie sich bitte an Uwe Enders unter Telefon 0561-7009-123 oder an Bergita Herstell unter 0561-7009-153 oder klicken Sie hier.

Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
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Foto: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Maurice Bonkat
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Bürgerreporter:in:

Winfried Kippenberg aus Bad Grund (Harz)

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