375 Jahre Blaufarbenwerk Niederpfannenstiel

375 Jahre metallurgische Produktion in Niederpfannenstiel
von Stadtchronist Heinz Poller

Aue im 17. Jahrhundert
Es war während der Wirren des 30 –jährigen Krieges, welcher durch große Zerstörungen, Brandschatzungen und Plünderungen in die deutsche Geschichte einging. Auch in der Ansiedlung Aue, die erst um 1629 das Stadtrecht bekommen hatte, wurde geplündert und teilweise auch zerstört. Aufschreckende Nachrichten, wie u.a. vom Tod Johannes Keplers im Jahr 1630, der Ermordung Wallensteins im Jahr 1634 und das Verbot der Lehren Galileo Galileis durch die katholische Kirche im Jahr 1636, hörte man in jenen Jahren.

Die Gründung des Schnorrschen Blaufarbenwerkes
In diesen unruhigen Zeiten erhielt der sehr erfolgreiche und bekannte Schneeberger Bergherr, Veit Hans Schnorr der Ältere, am 20. Februar 1635 das Privileg zur Errichtung eines Blaufarbenwerkes auf dem von Wallensteins Truppen zerstörten Niederpfannenstieler Hammerwerkes. Veit Hans Schnorr war schon immer ein Bergherr, der allem Neuen offen gegenüberstand. So nahm er in seinem Werk, welches als das erste sächsische Blaufarbenwerk gilt, eine industrielle Produktion von kobaltblauer Farbe auf. Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass sich bereits rund hundert Jahre zuvor in Oberschlema ein gewisser Schürer mit dem bisher unbekannten Erz, das in der Bergmannsprache „Silberräuber“ genannt wurde, intensiv beschäftigt hatte. Aus dem Endprodukt fand dieser einen Grundstoff, um Keramik, Glas und Garne blau einzufärben. Und weil das Erz auch Kobalt genannt wurde, gab man dem Produkt den Namen „Kobaltblauefarbe“.

Später produzierte man außerdem grüne, gelbe, rosafarbene und braune Metallfarben. Weil man das Kobalterz fein zermahlen musste, nannte man das Blaufarbenwerk auch „Farbmühle“. Durch den großen Exporterfolg von Holland bis Venedig wurden in den kommenden Jahren insgesamt 5 sächsische Blaufarbenwerke von Schlema bis Zschopau errichtet.

Auer weiße Erde
Im Niederpfannenstieler Werk hatte Veit Hans Schnorr auch mit der unbekannten „weiße Erde“ experimentiert. Zuerst stellte er Ziegel für seine Brennöfen her. Da ihn die Qualität des Produktes jedoch nicht überzeugte, mahlte er die Erde zu Puder. Dieses verkaufte er mit großem Erfolg als Perückenpuder. Wie bekannt, wurde später jene „Auer Erde“ Grundstoff für das erste weiße europäische Hartporzellan.

Berühmte Blaufarbenwerker
Mit dem Namen „Blaufarbenwerk Niederpfannenstiel“ verbindet man bekannte Namen von Hüttenmännern, wie zum Beispiel Kurt Alexander Winkler, dessen Sohn, Clemens Winkler, ein bekannter Freiberger Professor und Entdecker des Germaniums war. Kurt Alexander Winkler beschäftigte sich intensiv mit der Nickelgewinnung. Aus dem Blaufarbenwerk wurde eine Nickelhütte. Zwischen 1885 und 1914 schmolz man in diesem Werk auch Wismuterz. Es war in dieser Zeit der einzige Großproduzent von Wismut auf der Welt.
Nicht vergessen möchte ich den Geologen Richard Beck, welcher in Aue geboren wurde und dessen Vater eine leitende Stelle im Werk einnahm.

Sehr früh wurden soziale Leistungen (Kranken- und Sterbekasse seit 1717) für die Beschäftigten eingeführt.Die eigene Festtagskleidung mit weißer Hose und blauer Schürze zeugt vom Stolz der Arbeiter. Einen eigenen Friedhof, eine Schule und einen „englischen Garten“, eine gepflegte Parkanlage, die sich wahrscheinlich noch um 1900 hinter den inzwischen abgerissenen Beamtenhäusern befand, konnte man aufweisen. In der um das Werk angelegten Werkssiedlung zählte man 1921 vor der Eingemeindung nach Aue, 14 Gebäude mit 184 Einwohnern. Die sehr erfolgreiche Entwicklung des Werkes veranlasste auch König Albert (1880) und König Friedrich August (1908) zu einem Besuch.

Die Entwicklung des Werkes bis heute
Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges wurde der Betrieb ab 1948 als Objekt 100 für eine Aufbereitungsanlage des Uranerzbergbaues genutzt. Einige Leser können sich noch an die sandige Halde von Aufbereitungsrückständen in der Neustadt erinnern. 1954 war Hochwasser in Aue. Ein weiterer Rückschlag, denn auch dieser Betrieb wurde nicht verschont.

Seit Bestehen des ersten Blaufarbenwerkes bis in die DDR – Zeit hinein, galt der Betrieb nicht gerade als „umweltfreundlich“, obwohl zu jeder Zeit an einer Verbesserung hinsichtlich der Umweltbelastung gearbeitet wurde. Wie beispielsweise um 1975, als die Nickelproduktion auf Elektrolyseverfahren umgestellt wurde. Damit entfiel das Rösten von arsenhaltigen Grundstoffen. Als Nebenprodukt wurde aus „plattiertem Schrott“ das bewährte Pflanzenschutzmittel „Spritz-Cupral 45“ hergestellt.
Der 1970 errichtete 180 m hohe Schornstein und der 1985 für das neue Heizwerk erbaute Schornstein, sollten die Smoke Gefahr im Auer Tal verringern.
Man könnte denken, von der Gründung 1635 bis zum heutigen Tag hat der Betrieb das Glück und den Erfolg gepachtet. Auch nach der politischen Wende war Siegfried Jacob, ein Unternehmer der Ennepetaler Metallwerke, ein Glücksfall für das Werk und seine Angestellten. Er kaufte den Betrieb1991 und stellte die Produktion auch aus der Sichtweite der ökologischen Situation völlig um. Gemeinsam mit kompetenten Mitarbeitern vor Ort, unter der Leitung einer erfolgsorientierten Unternehmensleitung, ist dieser Betrieb nun spezialisiert auf Recycling von Metallen, Transformationsverwertung und auf den Export von Chemikalien in viele Länder der Erde. Nicht nur den rund 400 Arbeitnehmern gibt der Betrieb Brot und Lohn, sondern auch hinsichtlich der kommunalen Belange der Großen Kreisstadt Aue und der sportlichen Nachwuchsförderung in vielen Sportarten knüpft man an der Vergangenheit an und führt sie, wie kann es anders sein, erfolgreich weiter.

Bürgerreporter:in:

Heinz Poller aus Aue

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