Nummer 119

Erntezeit für Beeren....

Alea iacta est - der Würfel ist geworfen! Und zwar von mir.

Gestern hatte ich einen Termin bei der Agentur für Arbeit in Schorndorf (Baden-Württemberg). Vorletzter Tag des ALG1-Bezugs.

Meine (wirklich nette, hilfsbereite und kompetente) ALG1-Sachbearbeiterin verabschiedete sich von mir, wünschte mir alles Gute und empfahl mir, gleich den ALG2-Antrag zu stellen, Diensträume sind im selben Stock.

Eine ungeordnete Schlange ringelte sich nervös und sich mit den Dokumenten schwülwarme Amtsluft zufächernd im Eingangsbereich der Arge.

Der Mann am Empfang (sorry für die mögliche Diskriminierung, aber offensichtlich ein unwilliger Teilnehmer einer Wiedereingliederungsmaßnahme) winkte mich unwirsch ans Ende der Wartereihe.

Mir fiel nach einer Weile auf, dass die vor mir Wartenden alle an den ALG1-Schalter gingen. Ich wollte ja ALG2 beantragen.

Also, wieder zum Empfang, den Mann aufgeschreckt, der irgendwas an seinem Rechner nicht hinkriegte, dominanten Blick ins Gesicht gezaubert: "Das ist doch die falsche Warteschlange, oder? Ich will zu ALG2!"

"Ach so. Ausweis bitte. Danke." Kurzer Kampf mit der Tastatur.

Dann bekam ich ein Kärtchen, rot, laminiert, Format DinA 4 (klausicher, bei dem ALG2-Pack weiss man ja nie!).

Darauf stand in Arial 36-Buchstaben eine Zahl.

119

Ich war von jetzt auf gleich nicht mehr Frau Hahn, sondern nur noch eine Nummer.
119.

Nach kurzer Wartezeit von nur etwa 20 Minuten (in Hannover wartet man länger) kam eine eben der Ausbildung entwachsene Sachbearbeiterin, wisperte "Nummer 119, bitte!" und bat mich an ihren Schreibtisch, der vom Nachbartisch immerhin durch eine kleine Trennwand abgeschirmt war.

(Ich hab trotzdem mitgekriegt, dass Nummer 117 zur Schuldnerberatung und Alkoholentwöhnung gedrängt wurde...)

Kurze Erklärung, was ich will (ALG2 und das auch nur wegen der Krankenversicherung) und was mein Einkommen ist (insgesamt 902 Euro, zusammengesetzt aus Unterhalt für meine Kinder aus erster Ehe und Kindergeld).

Hochgezogene Augenbrauen. "Oh-Oh... das ist zuviel. Wenn Sie keine Miete zahlen...."

Müssen wir nicht. Das Haus gehört meinem Schwiegervater und der lässt uns mietfrei wohnen.
Wer meine Berichte über Burg Holz gelesen hat, weiss, dass mietfrei nicht gleichzusetzen ist mit kostenlos. In der Ruine ist IMMER was zu tun und das Material wird uns vom Baumarkt trotz Minikleid und Bambiblick eben NICHT geschenkt. Auch meine berühmte Gerte nützt da nix.

Nun denn, ich kürze das mal ab.... Ich bekam einen etwa 12 cm hohen Stapel an Formularen in die Hand gedrückt. Anträge, Nachweise, Kontoeinsichtsvollmachten, das gleiche für meinen Mann, der sich natürlich dem ganzen Procedere ebenfalls unterziehen muss.

Und nen Termin für den 6.7. um 8 Uhr.

Ich sagte:"8 ist aber ungünstig, wir müssen die Kinder noch schulfertig machen und die haben montags 2. Stunde und wir fahren von Burgholz schon eine knappe Stunde, geht das auch anders?"
Nein, geht nicht. Da muss man halt durch.

Und dann noch nen Termin zu einem persönlichen Gespräch für mich und meinen Gatten, um uns mal unter die Lupe zu nehmen und zu schauen, welcher Job denn nun geeignet wäre und welche Seminare wir noch belegen könnten.

Aus den Erfahrungen meines Mannes in Hannover haben wir gelernt, dass diese Seminare zweckfrei und entbehrlich sind.....

Egal, ich lächle und winke und fahre heim. Erstmal nen Mittagsschlaf (ALG2-Beantrager sind halt so, die schlafen ihre Probleme einfach weg).

Gegen Abend und nach Rücksprache mit meinen Kindern stand meine/unsere Entscheidung fest:

wir versuchen es so. Selber. In diese Mühle möchten wir nicht. Im Leben soll man entweder Hammer oder Amboss sein - nie das Material dazwischen.

Nach Abzug der KV-Beiträge (übrigens, nur mal am Rande bemerkt, ein Lob für den Service der BKK Mobil Oil, die mir mit Infos und Beratung supernett und unbürokratisch jetzt schon zum 2. Mal schnell geholfen hat!) bleiben uns 765,50 Euro, um 4 Personen zu ernähren, zu kleiden und sonstig zu versorgen. Und den Dispo zurückzuführen.

Das ist eine echte Herausforderung und ich nehme sie an.

Bürgerreporter:in:

Christina Hahn aus Weingarten (BW)

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