Freibier für die Bürger Springes: Forderung zum 70. Jahrestag einer peinlichen Entscheidung der Stadträte von Springe

Logo der Heinrich-Göbel-Realschule mit stilisierter Edison-Lampe
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Am 29. Dezember 1939 fasste der Rat der Stadt Springe den Beschluss, eine neu gegründete Mittelschule nach Heinrich Göbel zu benennen.

Nicht nur in der Zeit des Nationalsozialismus sah niemand einen Grund, den Leistungsnachweis zu prüfen und die charakterliche Eignung Heinrich Göbels als Namengeber einer Schule abzuklären. Auch später wurden von der Springer Lokalpolitik Denkmale für Heinrich Göbel ohne Prüfung der Grundlagen aufgestellt. Es hat mehr mit Dummheit zu tun.

In den Archiven von Springe kann sich jeder selbst ein Bild machen: Die Fakten zu Heinrich Göbel sind von der peinlichsten Art. Absonderliche Geschichten von einem Phantom Professor Münchhausen, der ihm im Königreich Hannover die Prinzipien der Glühlampe lange vor Edisons Forschungsarbeiten beigebracht haben soll, erzählt er 13 Jahre nach Verbreitung der Edison-Erfindung. Von seinem Freund und Paten eines seiner Kinder John Kulenkamp lieh er Geld und diffamierte ihn später, um ihm nichts zurückzahlen zu müssen. Bei einem Notar zerriss Heinrich Göbel unbeherrscht Dokumente, in der dümmlichen Annahme, diese würden dadurch ungültig. Seine drei Patente waren belanglose Varianten bekannter Technik; niemand kaufte die Göbel-Patente. Die Patentprozessaussagen von 1893 voller Widersprüche, Ungereimtheiten und technischer Unmöglichkeiten sprechen für sich: Der Göbel-Clan war selbst in der Rolle der Lügenstatisten in einem Patentprozess zwischen Elektrounternehmen überfordert.

Was kann passieren, wenn ein Absolvent der Göbel-Schule sich bei einem Unternehmen in Ulm vorstellen muss und gefragt wird, wer Heinrich Göbel gewesen sei? Sagt er was von dem Erfinder der Glühlampe, riskiert er, dass der Fragende sich informiert hat und er als unehrlich eingeschätzt wird. Sagt er, dass Göbel früher mal für den Erfinder der Glühlampe gehalten wurde aber nach dem Stand des Wissens als Hochstapler zu beurteilen ist, riskiert er die hämische Frage, warum in Springe eine Schule nach einem Hochstapler benannt wird. Soll das Zeugnis ausdrücken, dass den Schülern beigebracht wird, absonderliche Geschichten wie die des Heinrich Göbel ergänzt um phantasievolle Geschichten lokaler Legendenstricker ohne Prüfung der Quellen unkritisch für wahr zu halten? Das Bildungsziel - eigenständiges Denken und Kritikfähigkeit - und Nähe zu Heinrich Göbel passen nicht zueinander.

Die Schule selbst schmückt sich hochstapelnd in ihrem Logo mit einer Designmeisterleistung von Edison, der Birne mit Schraubsockel. Heinrich Göbels Lampen, die 13 Jahre nach Patenterteilung an Edison in Erscheinung traten, hatten die Form aufgeblasener Kondome. "Vater war ein Pfuscher." sagte sein Sohn William über dessen handwerkliche Fähigkeiten der Glasbearbeitung. Anders als bei den Springer Konstrukteuren des Bildes eines genialen Handwerkers handelt es sich dabei um ein Urteil aus eigener Anschauung. Unbestritten sei er ein kreativer Kopf, verkündet die nach ihm benannte Schule auf ihren Internetseiten; wie üblich in Springe ohne Quellenangabe. Falsch, ich bestreite das. Mir ist keine Quelle bekannt, mit der sich eine über das übliche Schaffen eines Handwerkers hinausgehende Kreativität belegen ließe.

Die Schule schreibt dann noch "Lange Zeit wurde ihm die Erfindung der Glühlampe zugeschrieben, was aber nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr haltbar ist." . Auch falsch. Schon 1893 kassierten Gerichte und Fachzeitschriften in den USA und in Deutschland die göbelsche Antizipationsbehauptung ein. Generationen von Schulleitern und Lehrern der Schule sollen, soweit noch unter uns, bitte erklären, warum sie das nicht bemerkten. Welcher Physiklehrer der Schule glaubt ernsthaft, dass ein spröder Kohlefaden einem Quecksilberbad standhält und das dabei entstehende Grobvakuum das Verbrennen eines Kohlefadens bei 1900 Grad verhindert ? Wenn Juristen das für möglich halten, ist das verzeihbar.

Die Stadträte haben Verantwortungslosigkeit bei der sturen Nichtreaktion auf den Erkenntnisstand einmal mehr bewiesen. In der Schulstadt Springe wird die verdienstvoll erworbene Ausbildung der Kinder diskreditiert, anstatt die Qualität der Ausbildung der Schule mit einem passenden Namengeber aufzuwerten. Das wird in Kauf genommen, solange Museumsvorstände, Bürgermeister, Orts- und Stadträte ihr jahrzehntelanges Versagen nicht eingestehen müssen. Verschulden entsteht auch durch Unterlassung: Weder der Leistungsnachweis Göbels noch Beschlüsse des Stadtrats aus der nationalsozialistischen Zeit wurden überprüft.

Da wird das Internet erfunden, Interessierte in aller Welt werden auf einen angeblichen Patentprozessgewinn von Göbel gegen Edison aufmerksam und die Stadt Springe, die das in die Welt hinausposaunt, kann dieses jahrzehntelang behauptete Urteil nicht auf den Tisch legen, weil es das nicht gibt.

Im Punkt Peinlichkeit stehen die Verantwortlichen Heinrich Göbel nicht nach.

Man legte für die perfekte Blamage noch nach, als der Name der Geschwister-Scholl-Realschule im Jahr 2004 zu Gunsten der Benennung nach Heinrich Göbel trotz bekannter Schieflage der Göbel-Story bei der Schulfusion aufgegeben wurde. Bereits seit 2001 befindet sich die Heinrich-Göbel-Seite von Edward Covington im Internet, der mit zirka 100 Quellenangaben aus den Fachzeitschriften von 1893 das Springer Göbelmärchen mit Null Quellenangaben widerlegt. Die Ehre für die Geschwister Scholl wurde im Jahr 2004 bei Ignorierung der Quellenlage der Ehre für den unehrlichen Angeber Heinrich Göbel geopfert. Alle Verantwortlichen sollten sich schämen.

Was man machen soll? Der Schule einen mit ihrem Bildungsauftrag harmonierenden Namen geben, den Göbel-Krempel ins Museum räumen und die Lokalpolitiker und Ex-Museumsvorstände auf 7000 Liter Freibier für die gehörnten Bürger verpflichten 100 Liter für jeden Jahrgang geschädigter Schüler. Eine Entschuldigung ist zudem überfällig, insbesondere bei allen ehemaligen Schülern, denen der Name einer zwielichtigen Person aufs Zeugnis geschmiert wurde. Im übrigen wird man auch Heinrich Göbel am besten gerecht, wenn man ihn vom Podest nimmt und ihn mitsamt der Verfehlungen seines Lebens in Frieden ruhen lässt. Diese sind verjährt und an Verdiensten ist da im Leben Heinrich Göbels nichts auszumachen.

Die Annullierung der Entscheidung zur Schulbenennung aus der nationalsozialistischen Zeit vom 29. Dezember 1939 ist überfällig.

Bürgerreporter:in:

Horst-Günter Neubauer aus Springe

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