Maifest in Einruhr zwischen 1945 und 1955

Damit es nicht verloren geht!

Da, wo keine schriftlichen Dokumente mehr vorhanden sind, müssen mündliche Überlieferungen die fehlenden Puzzles ersetzen. Diese mündlichen Überlieferungen wurden als Geschichten von Generation zu Generation weitergegeben. Dabei runden Orts- und Flurnamen (in alter Volkssprache), Wegverläufe sowie Reste von alten Gebäuden und Gräber (Kulturdenkmale) das geschichtliche Erscheinungsbild ab. Geschichtliche Interpretationen werden nie ein endgültiges Erscheinungsbild präsentieren können, denn die Interpretationen sind immer subjektiv und erleben durch spätere Neuentdeckungen oftmals eine gewaltige Veränderung. Wenn die vorhandenen Puzzlesteine auch noch kein scharfes Bild ergeben, sollten sie trotzdem archiviert werden, damit spätere Erkenntnisse womöglich leichter einzuordnen sind.

Die neue Serie hat sich zum Ziel gesetzt, einen breiten Kreis von geschichtlich Interessierten anzusprechen, sich zu beteiligen um vergessene Geschichte wieder mit Leben zu erfüllen. Heute geht es um:

Maifest in Einruhr
zwischen 1945 und 1955
(nach Aussage von Hedwig Pützer, geb. Becker, Einruhr)

Das Gremium, die so genannten drei „Hötejonge“, wurde jährlich am Ostermontag gewählt und war verantwortlich für die Ausrichtung des Maifestes, der Kirmes und des Pflaumenfestes (Nachkirmes).

Am Maifesttag trafen sich die Junggesellen und -frauen aus Einruhr auf dem „Köpschen“, der Felssporn oberhalb „Häckelsche“ (Wiesenbereich um das ehemalige Elektrohäuschen herum) um folgenden Brauch zu zelebrieren*.

Die drei Hötjonge sangen ein Lied mit folgendem Inhalt:

Wir rufen jetzt die Mailien (Mailehen) aus;

zuerst die Jieschheck und der Stövelsteen (1. Paar)*,

dann kommen der Pastor und der Koch (2. Paar)

und dann ………. [nacheinander werden alle Pärchen der Junggesellen und Jungfrauen des Dorfes, genannt: das „Jelooch“ = Gelage (3. …Paar)].

Die Hötjonge trugen einen schwarzen Anzug über ein weißes Hemd und einen Strohhut mit vielen Blumen besteckt. Die Hötmädsches trugen ein buntes Kleid und ebenfalls einen Strohhut mit vielen Blumen besteckt.

Nach der Proklamation des Maikönigs und der Maikönigin war das offiziell öffentliche Maifest zu Ende; es wurde privat weiter gefeiert. Vor dem 2. Weltkrieg gab es noch einen Maiball.

Noch mehr im „Das Monschauer Land, Jahrbuch 1994, Seite 98-101, Kermes em Dorp“

Der Kirmesknorren wurde am Merksjes Hövel ver- und ausgegraben. Beim Knorren war immer eine Flasche Schnaps versteckt.

* Aufschlussreich an dieser Stelle ist ein direkter Vergleich zur Situation des Lehenausrufens im Eifelort Einruhr (Kreis Schleiden).

Gierlichs (1895: 361f) beschreibt die Schwierigkeit, unter der ein gewählter "Hauptjunge" und seine beiden Gehilfen die Zusammenstellung der Paare vornehmen müssen wie folgt:
"Wer weiß, wie eifersüchtig in einem Bauerndorfe jeder auf seinen Rang ist, kann sich eine Vorstellung von der Wichtigkeit und Schwere dieses Amtes machen. Da gilt es wohl zu überlegen, ob dieser oder jener Jüngling zu dieser oder jener Jungfrau nach Stand und Rang passt. Dass dabei auch auf gegenseitige Neigung Rücksicht genommen werden muss, ist selbstverständlich".

Der Fall aus Einruhr wirft ein anderes Licht auf die Zusammenführung der Mailehenpaare. Spannung und Heiterkeit, die in Saarhölzbach die Atmosphäre des Lehenausrufens beherrschten, werden hier merklich von der Problematik der Entscheidungsfindung überschattet. Der Status- oder Prestigegewinn für die Burschen, der in der Entscheidungsmacht liegt, erfährt durch den Beobachter eine wichtige Präzisierung. Nicht Willkür und Ausgelassenheit, sondern besonnenes Abwägen und Verantwortungsgefühl für die soziale Balance des Dorfes stehen bei Gierlichs im Vordergrund.

** Diese beiden sich gegenüberliegenden Berge sind getrennt durch den Fluss „Rur“. Es könnte sein, dass dieser Brauch über viele Generationen zu den Kelten führt, die ja in unserem Raum durch die Eburonen vertreten wurden.

Gegenüberliegende Kultplätze wurden von Kelten und Römern als solche mit Tempeln, Stelen, Menhiren, Heiligtümern usw. gekennzeichnet. Sie sind teilweise bereits in der Steinzeit als markante Orte bekannt. Ihnen kommt neben einem wie bei Wallersheim vorhandenen zeitreligiösen Charakter auch eine hohe prädestinative und vergangenheitsbezogene Stellung zu. Diese drückt sich hier in zwei gegenüberliegenden Bergen mit männlichen und weiblichen symbolischen Merkmalen aus.

Diese dem keltischen oder megalithzeitlichen Ursprunge zuzurechnenden Orte finden sich überall in Europa. In der germanischen Geschichte sind als Pfalzen oder Königshöfe Königsgüter bekannt, an denen der König bei seinen jeweiligen Aufenthalten für eine Zeit residierte. Später traten Burgen, Schlösser und Residenzen an diese Stelle.

Ebensolche Orte hatte auch die Kirche. Gedenkstätten, Klöster oder religiöse Zusammenkunftsstätten spiegelten den örtlichen oder räumlichen Charakter, währenddem der Gemeinschaftssinn den spirituellen Charakter besaß.

Bürgerreporter:in:

Klaus Wilhelm von Ameln aus Simmerath

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