Liebenthann - Schloss der Fürstäbte Kempten / Begegnung mit der Vergangenheit

Liebenthann (vor 1700) | Foto: Rekonstruktionsentwurf R. Mayrock (2012)
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  • Liebenthann (vor 1700)
  • Foto: Rekonstruktionsentwurf R. Mayrock (2012)
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Region OAG / Ost-Allgäu:
Burgstall Liebenthann
Burg-Schloss der Fürstäbte Kempten

(bei Obergünzburg)
Koordinaten in Google-Earth:
47°52'28.35"N" (Nördlicher Breite)
10°24'11.26"E (Östlicher Länge)

Zu den vielen ehemaligen Burgen/Schlössern, die in Bayern/Schwaben zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr existent sichtbar sind, zählt auch der Burgstall „Liebenthann“. Dieses Bodendenkmal war u.a. im Oktober 2012 auch ein Exkursionsziel der Bayerischen Archäologischen Gesellschaft am 21.Oktober 2012 , die vom Obergünzburger Heimatpfleger, Herrn Peter Pfister, dem Bürgermeister – Lars Leveringhaus, und dem Mitarbeiter des Archäologischen Parks Kempten, Herrn Roger Mayrock geführt wurden. Wer heute auf dem Weg durch das Günztal, zwischen Obergünzburg und Ronsberg auf der Bundesstraße ST2012 an der Mühle Liebenthann auf die bewaldete Anhöhe blickt, sieht nichts mehr von der ehemaligen prächtigen Hauptburg des Stiftes Kempten. Nach der Einverleibung des Gebietes durch das Königreich Bayern (1807) während der Säkularisationszeit, wurde das Burggebäude zuerst abgebrochen, 1856/57 denn ebenfalls der bis dahin verbliebene Bauhof, schließlich die noch verbliebene Kapelle. Die Mauersteine als Baumaterial wurden in die Umgebung verkauft, Teile der Einrichtung gingen angeblich ans Kloster Obergünzburg. Heute existiert diese Anlage nur mehr als Bodendenkmal, lediglich Reste von Tuffsteinen, Nagelfluhquadern, Ziegel und Rollsteinquader liegen heute noch unter Laub, Mischwald und Erdhügeln verborgen. Wer jedoch den Weg durch den Wald auf dieses ehemalige Burgareal findet, wird heute noch beeindruckt von den ehemaligen Wallgräben die von der imposanten Größe dieses ehemaligen Bauwerkes künden.
Der Name Liebenthann bedeutet „Tann - Tannenwald des Liubo“. Die gesamte Anlage war eine Burg mit erheblichem Umfang und von bedeutender Wehrkraft des stiftkemptischen Gebietes.

Geschichte der Burg/Schloss Liebenthann:

1245 wird diese Stelle erstmals erwähnt mit den Brüdern Konrad und Heinrich Wolfsattel als Herren der Anlage sowie Volkmar von Ronsberg. Die Sippe der Wolfsattel“ waren anscheinend Gefolgsherren der Stauferdynastie u.a. Friedrich II.

1370 kam der Besitz dann an die Herzöge von Teck, und wurde 1389 im Städtekrieg von Herzog Stefan von Bayern erobert.

1439 wechselte diese dann an Beros von Rechberg, der dann 1442 an Hans Stein zu Ronsberg verkaufte. Im Jahre 1447 erwarb dann das Stift Kempten die Burg und wurde als Sitz der Klostervogteien genutzt.

Ende des 15.Jhdt. wurde die kleine Ministerialenburg von Grund auf zur großen Hauptburg des Stiftes Kempten umgebaut (1479) unter Fürstabt Johann von Wernau.

1480 konnte dann die Burgkapelle eingeweiht werden, die zur Aufnahme von Heiligtümern und Wertsachen des Stiftes zu Kriegszeiten genutzt werden konnte. Sein Nachfolger – Fürstabt Johann-Rudolf von Riedheim vervollständigte dann die Burgfeste mit Feuergeschützen.

1496 erhielt dann die Burg am 12. April sogar Besuch des Kaiser Maximilian I. mit 40 Pferden und 2 Wagen auf einer seiner Jagdreisen.

1491 während des Bauernaufstandes diente die Burg als Zufluchtsort für Fürstabt Johann-Rudolf von Riedheim, sowie ebenso 1525 für Fürstabt Sebastian von Breitenstein. Dieser versuchte zur besseren Verteidigung sogar den Bauhof niederbrennen, mußte aber nach kurzer Belagerung am 10./11. April an die Bauernstände übergeben, die die Burg nach der Belagerung anzündeten.

Nach Behebung der angerichteten Schäden diente die Burg wieder als Aufenthalt der Fürstäbte, und diente 1564 als Zufluchtsort vor der Pest.

1632 wurde die Burg im 30jähreigen Krieg von den Schweden geplündert, und am 16. Februar 1633 niedergebrannt.

1642 löste Fürstabt Roman Giel von Gielsberg die Vogtei Liebenthann auf und funktionierte sie zu einem Pflegeamt um, das aus den Orten Obergünzburg, Untasried, Freien, Immenthal, Sellthürn, Upratsberg und Thal bestand. nach dem Wiederaufbau diente sie Eberhard Schenk von Castell zu Beuren (Pfleger zu Liebenthann) als Wohnsitz später dem Konvent (1645 auf der Flucht vor den Schweden) häufig des Abts, bis nachdem 1668/69 allmählich das neue Stiftsgebäude in Kempten errichtet wurde.

1688 zog der stiftskemptische Pfleger aus Schloss Liebenthann aus und wohnte fortan im Pflegerschloß in Obergünzburg.

1728 erwog man, das Schloß nochmals instandzusetzen, um es wieder als Sitz des Pflegers zu benützen.

1802 nahm dann der Kurfürst Max-Josef von Bayern am 30. November die Fürstabtei samt Schloß Liebenthann in Beschlag. Und 1804 vom bayerischen Staat für 13.281 Gulden verkauft.

1807 wurde dann das Schloss dann im ruinenhaften Zustand zum Abbruch freigegeben. Nur der Bauhof und die Schlosskapelle standen danach noch unversehrt.

1856/57 wurde dann der Bauhof vollständig abgebrochen, und anschließend mit Hochwald aufgeforstet, der heute die Reste der Grundmauern im Boden überdeckt.

Gliederung der Anlage:

Die Hauptburg lag auf dem äußeren Bergsporn, abgetrennt durch einen mächtigen Abschnitts-Graben vom Hintergelände. Die dreieckige Anlage der Hauptburg besaß einen Mauerring mit Ecktürmen. Den Platz der ehemaligen Kapelle kennzeichnet heute ein Schutthügel. Südlich davon liegt auch die eingefriedete Stelle des einstigen Brunnens, der überwölbt und geschlossen wurde.

Ebenso wie die Hauptburg ist auch die innere Vorburg von der Bergseite mit einem zweiten Abschnitts-Graben getrennt. Dieser wurde im Mittelteil aufgefüllt, und später als Keller des erbauten Wohnhauses aufgenommen. Angeblich soll hier auch noch ein unterirdisches Gewölbe mit Tuffquadern im Boden stecken, das auch Anlass zu einer Sage gab, nachdem ein unterirdischer Gang zur Burg Ronsberg geführt haben soll.

Auch dieser Bauabschnitt der Vorburg scheint Wehrtürme gehabt zu haben, man erkennt heute noch entsprechende Vorsprünge an der Grabenwand. Hier stand dann im Süden auch die alte Burgtoranlage, die zur eigentlichen Burg hinanführte, an der heute von der Burgmühle ein entsprechender Fußweg hinaufführt. An das Tor anschließend befanden sich Terrassen und Gräben, die die Grundrisse ehemaliger Gebäude kennzeichnen. Auch ein Wasserweg vom oberen Teil des Burgweges führt den Hang hinunter zu einem in der Tiefe fließenden kleinen Gewässer.

Die äußere Vorburg besaß einen erheblichen Raum und wurde durch einen Hals-Graben geschützt, der zum Gabelpunkt der beiden Straßen jeweils zu den Ortschaften Meuren und Ollarzried verlief, später aber eingefüllt wurde, um mehr Platz für den Bauhof zu gewinnen.

Den Mittelpunkt dieses Areals nahm der Bauhof ein, der aus einem Wohnhaus und einem langen Stadel mit 3 Toreinfahrten bestand. Westlich davon befanden sich die Stallgebäude. Ein Brunnen lag in der Mitte des Hofes. Nahe des erwähnten Straßengabelpunktes lagen dann die dem Bauhof angehörigen Schmiede und andere Werksgebäude.

Archäologische Grabungen:

Im Jahre 2011 wurden im Auftrag des Bayerischen Landesdenkmalamtes für Bodendenkmalpflege Thierhaupten Grabungen unter dem Leiter Peter Pfister (Archäolog. Arbeitskreis für das Allgäu) durchgeführt. Dabei wurden Sondierungsschnitte, Zeichnungs- und Vermessungsarbeiten in detailgenauer Arbeit, um einen Einblick über die ehemalige Anlage zu erhalten. Mittels Hubschrauber wurden Luftaufnahmen im „GeoScan-Verfahren“ gemacht um zentimetergenaue Geländereliefs zu erhalten. Mit modernsten Geräten wurden durch W. Kleinert und seinem Arbeitsteam im Einsatz durch Tachymeter, Nivelliergerät und Theodolit exakte Vermessungen durchgeführt, und das Wissen um die ehemalige Anlage zu erweitern. Dominik Sieber dokumentierte zeichnerisch im Maßstab 1:20 verkleinert, an 11 Grabungsstellen mit Feldpantographen, freigelegtes Rollsteinpflaster.

Maßgeblich beteiligt an den Rekonstruktionsarbeiten, war auch Roger Mayrock (MA des Archäolog. Park Kempten) der den Versuch unternahm, anhand der dadurch gewonnen Informationen die ehemaligen Gebäude in Form von möglichst realitätsnaher graphischer Form umzusetzen.

Die gewonnenen Erkenntnisse werden in den nächsten Jahren noch viele Historiker und Wissenschaftler beschäftigen, um tieferen Einblick in die Bau- und Verteidigungskunst des Mittelalters zu erhalten.

Gez. Alfred Platschka (Webmaster: Lechrain-Geschichte)
Weblinks:
Lechrain-Geschichte (Aktuelles)
Lechrain Geschichte (Reg_OAG_Oberguenzburg_Liebenthann)
Peter Zellers "Burgenwelt im Allgäu"
Historisches Lexikon Bayerns (Artikel 45400)

Quellenverzeichnis:
Der Burgstall Liebenthann“ Chronik: Hermann Epplen

Bürgerreporter:in:

Alfred Platschka aus Igling

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