Bittere Erdbeeren

oder:
das Ende eines sozialen Netzwerkes aus einer etwas anderen Sicht

Ich erfuhr es über das Internet, die Onlineversion eines Nachrichtenmagazins berichtete bereits im März d. J. davon,

das soziale Netzwerk "wer-kennt-wen" (wkw) nach eigenen Angaben "Deine Heimat im Netz" steht vor dem Aus, hieß es da,
doch so recht daran glauben oder wahr haben wollte das kaum einer, weil man ja lt. Reinhard Mey nicht alles glauben soll, was in der Zeitung steht, und weil man ja noch mit Investoren verhandele, und der Hinweis, dass man das Portal Mitte des Jahres schließen werde, sollten die Verhandlungen nicht erfolgreich sein, wurde als Zweckpessimismus abgetan.

Mitte des Jahres ist es noch nicht, doch ab dem 1. Juni 2014 gibt es wkw nicht mehr.
Eine Nachricht, die nicht unbedingt jeden interessiert, doch sind es sicher noch mehrere tausend Menschen in Europa, von denen ich weiß, dass die betroffen, fassungslos und traurig sind, mehr sind von einem großen Freundeskreis nicht übrig geblieben, doch für sie war wkw mehr als eine Internetseite, auf der man, wann immer man wollte, virtuell über Gott und die Welt plaudern konnte,

diese Seite war mit Hoffnungen verbunden, die, so hört man, durchaus ab und zu erfüllt wurden, und dass seit ihrem ersten Erscheinen im Oktober 2006.
Die jungen Gründerväter Fabian Jager und Patrick Ohler wollten ein überschaubares Portal ins Netz stellen, in dem Menschen sich wieder finden können, oder Kontakte knüpfen konnten, um einander zu helfen, sich über gleiche Interessen austauschen, was auch immer, das klappte so gut, das wkw aufgrund von über 9,6 Millionen registrierten Besuchern in die Toppten-Liste der beliebtesten deutschen Websites avancierte,

im September 2010 verließen die beiden Gründer das Unternehmen, die neuen Eigentümer konnten die Erfolge ihrer Vorgänger nicht fortsetzen, auch die im Jahre 2013 eingeführte neue Benutzeroberfläche mit weiteren Möglichkeiten durch die Nutzer konnten den Abwärtstrend nicht stoppen, die Besucherzahlen sanken rapide, neue Nutzer konnten nicht dazu gewonnen werden.

Es gab und gibt andere "soziale Netzwerke", die man besuchen konnte, doch nicht alle, die entstanden sind, existieren noch, manche wurden wieder "fallen gelassen, wie eine heiße Kartoffel", wie es heißt, so wie jetzt wkw, andere ähnliche Internet-Plattformen haben bislang überlebt, als Konkurrenz zu den unbestreitbar übermächtigen Giganten "Facebook" und "Twitter", und das mit einem z.Z. offensichtlich großen Zulauf, denn ich weiß von einem Server der zumindest in den letzten Tagen völlig überfordert war, von "fix" konnte keine Rede sein, eine andere Plattform wird von wkw als Nachfolger direkt empfohlen nach eigenen Angaben ein Forum für die ältere Generation, und diese Seite könnte für viele eine interessante Alternative sein,

auch wkw trat einmal an, um auch diese Zielgruppe zu erreichen,

doch viele wissen noch nicht wo oder wie sie sich letztlich engagieren, und ich wünsche allen bei der Entscheidung, wohin nun, ein gutes Händchen, denn es herrscht offensichtlich Bedarf wieder einen Platz zu finden, an dem man sich wohl fühlen kann, zumal sich Gemeinschaften gebildet haben, die auseinander zu brechen drohen, nicht nur bei der älteren Generation, und viele sind verzweifelt, haben Angst, wieder allein zu sein, viele wollen sich nicht mehr in eine neue Umgebung einbringen, doch die vertraute Umgebung bietet wkw seit der Bekanntgabe vom Aus schon jetzt nicht mehr, es ist, als ginge man noch einmal durch ein fast leeres Haus, in dem man gern zu Gast war, und es dann verlässt, um niemals zurückzukehren, denn das Haus wird abgerissen, ein Haus, das vor ein paar Tagen noch voller Leben war.

Eine Besucherin lehnte sich an ein Vers an, dessen Verfasser mir unbekannt ist, um ihre Verzweiflung über einen Verlust mitzuteilen, von dem ich nur die ersten zwei Zeilen aus Gründen eines möglichen Copyright und auch nur sinngemäß wiedergebe

"Wir werden uns wiedersehen, eines Tages
dort am Ende des Regenbogens....."

doch vielleicht hat sie ja nicht wkw gemeint, oder nicht nur, und irgendwie klingt es ja auch nach Hoffnung.

In dem Roman "Und Jimmy ging zum Regenbogen" aus dem Jahr 1970 von Johannes Mario Simmel gibt es allerdings kein Happyend, denn der Satz "Und Jimmy ging zum Regenbogen" war ein Code der einem Manuel zwar half eine Wahrheit zu erkennen, aber es war eine schreckliche Wahrheit, die kein Glück brachte, weder ihm noch seiner geliebten Irene, denn um sie zu schützen, um ihr Leben zu retten verlässt Manuel seine große Liebe,

doch das kann im realen Leben ja ganz anders sein, deshalb an alle, die traurig sind:
irgendwo geht es weiter, die Welt ist ja nicht unter gegangen, doch ich muss zugeben, so viel Verzweiflung über den Verlust einer Internetseite habe ich nicht vermutet, trotzdem Kopf hoch, man kann sich etwas wünschen, wenn man einen Regenbogen sieht, und warum sollte so ein Wunsch nicht in Erfüllung gehen, denn Wunder soll es ja geben, manchmal,

Zur Erinnerung:
ich spreche hier von einem kommerziell betriebenen "sozialen Netzwerk" dass es nicht mehr gibt

das ist alles, mehr ist nicht passiert, eigentlich nicht wichtig genug, um darüber einen Artikel zu schreiben

es sei denn, man betrachtet das Ende aus einer etwas anderen Sicht

Ein Nachtrag:

"Es ist, als wenn die Erdbeeren bitter geworden sind", sagte mir in diesem Zusammenhang eine Internetbekanntschaft aus der Schweiz, und fügte hinzu
"du hast es gut, du kannst schreiben, und das machst du ja auch in myheimat, und wir lesen die Artikel

sei dankbar dafür"

bin ich liebe Margit,
bin ich

Gerd Szallies

Bürgerreporter:in:

Gerd Szallies aus Laatzen

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