Tröglitzer Ortsbürgermeister meint: "Versammlungsbehörden hätten schärfer und früher gegen rechtsextreme Demos einschreiten müssen...

Bürgerversammlung in Tröglitz.

Es ist schon immer wieder interessant, was die Medien zu berichten wissen. Gerade lese ich bei MDRinfo einen Bericht über die TV-Sendung "Fakt ist ...".
siehe: http://www.mdr.de/sachsen-anhalt/haseloff-willkomm...

In dem Beitrag wird der Ortsbürgermeister Nierth zitiert. Ich kopiere hier den veröffentlichten Radiotext ein:

Nierth hofft auf Ruhe in Tröglitz

Nierth sieht Riss durch Tröglitz.
Der zurückgetretene Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth, sagte bei "Fakt ist...!", der Ort komme nach dem Brandanschlag nur langsam wieder zur Ruhe. Es gehe ein Riss durch die Einwohner. Auf der Stra0e werde über den Anschlag und seine Folgen gestritten. Rückblickend finde er, die Versammlungsbehörden hätten schärfer und früher gegen die Demonstrationen von Rechtsextemen in Tröglitz vorgehen müssen. Außerdem hätten die Behörden schneller auf die Ängste von Einwohnern vor Asylbewerbern reagieren müssen. Weil dies nicht passiert sei, hätten Rechtsextremen das Thema vereinnahmt."

Wenn ich mir diese Zeilen zu den Kopf gehen lasse regt sich in mir der Verdacht, dass Nierth unter zeitweiligem Gedächtnisverlust leidet. Denn auch er wäre in der Pflicht gewesen, die Vorgänge rechtzeitig zu melden. Er hätte eventuell sogar selbst die nicht genehmigten, an Bäumen aufgehängten Einladungen zu den NPD-Lichterspaziergängen abnehmen können. Aber so lange die Märsche nicht an seinem Haus endeten, duldete er diese. Selbst die nicht vom Burgenlandkreis genehmigten „Plakate“ schienen ihn nicht gestört zu haben.

Interessant finde ich auch, dass auf der spontan einberufenen Bürgerversammlung am 4. April ausgerechnet das DDR-Pionierlied "Kleine weiße Friedenstaube" - http://youtu.be/Ax-Anz2as4Q - geträllert wurde.
Voller Begeisterung sang die Gattin des zurückgetretenen Ortsbürgermeisters dieses Lied mit. Es befand sich sogar ein Video im Netz, dass Frau Nierth zeigte, wie sie "Flügel schlagend" - ähnlich eines kleinen Vögelchens, auf dem Podium stand "zwitscherte". Es war schon beeindruckend zu sehen, mit welcher Begeisterung sie vorn auf dem Podium stand und wie eine Kindergartentante vor Kindern zum Takt des Liedes ihre "Flügel" flattern ließ.

Könnte es sich um eine besonderte Strategie halten, Tröglitzer Bürger an alte und vertraute "Gemeinsamkeit der DDR-Vergangenheit" zu erinnern? Auch der Gemeindepfarrer und Oberhaupt der Gemeinde stand dabei und sah dem Geschehen zu. Dies, obwohl gerade Systemkritiker zu DDR-Zeiten, in ihren vom Verfall bedrohten Gotteshäusern, wohl eher Kirchenlieder anstimmten. Frau Nierth, die sich kirchlich engagiert zeigt, hätte zwecks musikalischer Untermalung der Veranstaltung auch ein Kirchenlied anstimmen können. Aber sie tat es nicht, sie wählte ein DDR-Jungpionierlied. Über derartige Kleinigkeiten wundere ich mich dann eben doch, zumal es sich um eine fromme Frau handelt.

Auch wenn alle Politiker behaupten wollen, Tröglitz sei überall. Allein die Gegenveranstaltungen zeigen, dass der in Tröglitz organisierte Widerstand etwas ganz Besonderes und nicht mit anderen Bundesländern vergleichbar ist.

Dort gab es bisher weder zurückgetretene Ortsbürgermeister, noch gesungene Pionierlieder der DDR-Jugend. Zumindest ist mir bisher noch nie etwas zu Ohren gekommen, dass in anderen Bundesländern DDR-Lieder gesungen wurden um "Gemeinsamkeit" zu signalisieren.

Diese Kleinigkeiten sind es, die Tröglitz zu einem besonderen Ort machen. Nicht der Brand des Dachstuhls. Brennende Asylbewerberheime gehören inzwischen zu Deutschland wie die vielen Gedenkveranstaltungen die an die Zerstörung deutscher Städte zu Hitlers Zeiten erinnern. Oder an die Befreiung der KZ-Häftlinge in deutschen Nazi-Vernichtungslagern.

Tröglitz zeichnet sich vielmehr die kleinen und immer wieder widersprüchlichen Geschichten am Rande aus. Durch Geschichten, die sich hinter der ursprünglichen Geschichte oft unbeobachtet von Medien abspielen. Oder vielleicht weil sie von Medien erkannt aber nicht dokumentiert wurden. So richtig schicke Werbung ist es für Tröglitz nicht, dass man DDR-Pionierlieder statt Kirchenlieder singt.

Fakt ist, dass die Redaktion "Fakt ist" einen Mann zu Worte kommen ließ, der mit dem Finger auf die Versammlungsbehörde zeigt und selbst lange Zeit untätig zusah als die Lichterspaziergänger durch Tröglitz zogen.

So trällere ich jetzt einmal als Wessi vor mich hin: "Kleine weiße Friedenstaube ..." und hoffe, dass der Landrat in Tröglitz alsbald mit dem Wiederaufbau der Asylbewerberunterkunft beginnt. Denn Geld steht ihm ja inzwischen ausreichend zur Verfügung.

Wie heißt es im MDRinfobericht zur TV-Sendung Fakt ist ... "Rückblickend finde er, die Versammlungsbehörden hätten schärfer und früher gegen die Demonstrationen von Rechtsextemen in Tröglitz vorgehen müssen. Außerdem hätten die Behörden schneller auf die Ängste von Einwohnern vor Asylbewerbern reagieren müssen. Weil dies nicht passiert sei, hätten Rechtsextremen das Thema vereinnahmt."

Feststellen kann man aber an dieser Stelle: Ihm als Ortsbürgermeister ist es aber auch nicht gelungen, die Ängste seiner Dorfbewohner zu nehmen. Nicht einmal jetzt, da er und seine Frau sich auf die guten alten DDR-Zeiten besannen, in denen man gemeinsam von Frieden sang.

Fakt ist, dass die Redaktion "Fakt ist" einen Mann zu Worte kommen ließ, der mit dem Finger auf die Versammlungsbehörde zeigt und selbst lange Zeit untätig zusah als die Lichterspaziergänger durch Tröglitz zogen.

So trällere ich jetzt einmal als Wessi abschließend vor mich hin: "Kleine weiße Friedenstaube ..." und hoffe, dass der Landrat in Tröglitz alsbald mit dem Wiederaufbau der Asylbewerberunterkunft beginnt. Denn ausreichend Geld steht ihm inzwischen ja auch zur Verfügung.

Da der CDU-Landrat ein Mann der Kirche ist, ebenso wie der zurückgetretene Ortsbürgermeister samt gläubiger Gattin, verweise ich abschließend auf ein Kirchenlied. Der Text stammt von Dietrich Bonhoeffer, der am 9. April 1945 von Nazis ermordet wurde und Mitglied des antinazistischen Widerstandes war. „Von guten Mächten wunderbar geborgen“

"Von guten Mächten wunderbar geborgen

Von guten Mächten treu und still umgeben
Behütet und getröstet wunderbar,
So will ich diese Tage mit euch leben
Und mit euch gehen in ein neues Jahr

Noch will das alte unsre Herzen quälen
Noch drückt uns böser Tage schwere Last
Ach Herr gib unsern aufgeschreckten Seelen
Das Heil, für das du uns geschaffen hast.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
Des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand
So nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
Aus deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
An dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
Dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
Und dann gehört dir unser Leben ganz.

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
Die du in unsre Dunkelheit gebracht
Führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
So lass uns hören jenen vollen Klang
Der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
All deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von guten Mächten wunderbar geborgen
Erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
Und ganz gewiss an jedem neuen Tag."

Bürgerreporter:in:

Kornelia Lück aus Zeitz

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