„Die Politik ist systembedingt unfähig, auch nur ansatzweise nachhaltiges Wirtschaften zu fördern “

Pressemitteilung

„Frontal 21“ und N 3 „Hallo Niedersachsen“ berichteten im Februar in ihren
Sendungen von einem Landwirt, der von Investoren besucht wurde, um als
„Strohmann“ für die Massentierhaltung aufzutreten. Der Landwirt sollte auf
seinem Grund und Boden die Flächen bereit halten, um eine
Massentierhaltungsanlage in einer bisher hier noch nie da gewesenen
Form zu errichten. Die Rede ist von einer Dimension die kaum vorstellbar
ist. Hier im Landkreis Celle sollten Ställe für 400.000 Hühner entstehen.
Die Lieferung der Hühner sollte für den größten Geflügelschlachthof
Europas, der in Wietze entstehen soll, erfolgen. Denn bisher finden sich
nach wie vor nur wenige Landwirte, die in die Massentierhaltung investieren
wollen und ohne den Bau von Massentierhaltungsanlagen ist dieser
Geflügelschlachthof (gefördert mit 6,5 Mio. € Steuergeldern) nicht rentabel.
Die BI-Wietze e.V. möchte diesen Bauboom verhindern und die breite
Öffentlichkeit über die Praktiken des Investors informieren.
Wir haben den Landwirt um das folgende Interview gebeten:
BI-Wietze:
Sie hatten im November 2010 Besuch von einem Planungsbüro, welches
Landwirte für der Bau eines „Mega-Maststalles“ sucht. Würden Sie uns bitte
die Vorschläge/Angebote seitens des Planungsbüros mitteilen?
Landwirt:
Ich sollte für den Bau von 400.000 Hähnchenmastplätzen mit angeschlossener
Biogasanlage ein Baugrundstück zur Verfügung stellen und als Bauherr
fungieren. Die finanzielle Beteiligung wäre zwischen 0 und 100 % frei wählbar
gewesen, da es vorrangig um einen günstigen Standort ging. Durch einen
heimischen Landwirt ist der Widerstand aus der Bevölkerung deutlich geringer
als bei einer Investition durch Kapitalanleger.
BI-Wietze:
Wer hätte das Futter für die 400.000 Hühner geliefert? Wer hätte die Ställe
erbaut? Wer hätte die Küken geliefert? Wer hätte die Biogasanlage gebaut?
Landwirt:
Alles wäre komplett durch die Investoren erfolgt. Die Hähnchen werden mit
Fertigfutter aus firmeneigenen Kraftfutterwerken gemästet, der Ein- und
Verkauf der Tiere sowie der Bau der Ställe und der Biogasanlage. Mir blieb die
Option einer finanziellen Beteiligung bis zu einer Größenordnung von
mehreren Millionen Euro.
BI-Wietze:
Wie viele Arbeitsplätze wären für den Betrieb der Biogasanlage entstanden?
Landwirt:
Es wäre ein Arbeitsplatz entstanden.
BI-Wietze:
Wie viele Arbeitsplätze wären für die Aufzucht von 400.000 Hühnern entstanden ?
Landwirt:
Für die Aufzucht, Fütterung und Pflege von 400.000 Hühnern sind 2-3
Arbeitsplätze nötig.
BI-Wietze:
Wie hoch wäre Ihr Einkommen gewesen, wenn Sie nur Ihr Land zur Verfügung
gestellt hätten, ohne selbst mit Ihrem Kapital in die Biogasanlage und ohne in
die Hühnermast zu investieren?
Landwirt:
Etwa 2000- 3000 Euro/Monat.
BI-Wietze:
Nachhaltigkeit für unsere und kommende Generationen. Wie denken Sie
darüber?
Landwirt:
Die Politik ist systembedingt unfähig, auch nur ansatzweise nachhaltiges
Wirtschaften zu fördern. Zeiträume von 4 Jahren, um nach 2 Jahren schon
wieder in den Vorwahlkampf einzutreten, verhindern jegliches Nachdenken
über längerfristigen Erfolg. Politisch gewollt soll sich die
Nahrungsmittelproduktion an Weltmarktpreisen orientieren und über
Kollateralschäden wie brandgerodete Regenwaldflächen und Hunger durch
eine verfehlte Exportpolitik der Industriestaaten wird billigend
hinweggesehen.
Mein landwirtschaftlicher Betrieb besteht seit mehr als 600 Jahren und ich
werde mit Sicherheit jede betriebliche Entscheidung vor dem Hintergrund einer
langfristig gesicherten ökonomischen und ökologischen Entwicklung treffen.
BI-Wietze:
Würden Sie uns bitte Ihre Beweggründe nennen, die dazu geführt haben das
Angebot abzulehnen?
Landwirt:
Der Strukturwandel bei der Tierhaltung von landwirtschaftlichen Betrieben läuft
immer schneller. Projekte industrieller Massentierhaltung sind gesellschaftlich
nicht gewollt, bringen für die Umwelt nur Probleme und konzentrieren den
wirtschaftlichen Erfolg, erkauft mit hohen Subventionen, auf Einzelpersonen.
Ich habe einen höheren Anspruch an mich als Unternehmer, als durch die
Annahme von Scheinvergütungen zu profitieren.
BI-Wietze:
Was waren Ihre persönlichen Beweggründe sich an die Öffentlichkeit zu
wenden?
Landwirt:
1. Sorge um das Bild eines Landwirts als skrupellosen Betrügers in der
Öffentlichkeit.
2. Erhalt des §35 für berechtigte Bauvorhaben von Landwirten
3. Öffentlichmachung dieser Umgehungspraxis zur Verhinderung von
scheinbäuerlichen Mastanlagen
BI-Wietze:
Wie könnte Ihrer Meinung nach dem Bau von Megamast - Anlagen entgegen
gewirkt werden?
Landwirt:
Durch die Offenlegung von Kapital- und Warenströmen in der Planungsphase.
BI-Wietze:
Was könnte Ihres Erachtens nach Gründe dafür sein, dass Kollegen in so ein
Projekt investieren?
Landwirt:
Finanznot.
BI-Wietze:
Kennen und unterstützen Sie die Ausführungen der Windhorst-Studie?
Landwirt:
ja.
BI-Wietze:
Der § 35 der für das privilegierte Bauen im Außenbereich verantwortlich
zeichnet, würde dadurch aufgeweicht, dass sich "Strohmänner" finden, die
unter ihrem Namen auf ihrem Grundstück Mastställe bauen. Was sollte sich
Ihrer Meinung nach in dem § 35 ändern?
Landwirt:
Jegliche Form von Massentierhaltung ohne Grundlage der Produktion von
Futter auf betriebseigenen Flächen muss separat genehmigt
werden.
BI-Wietze:
Die BI-Wietze dankt Ihnen für dieses Interview.
Wir sehen uns in unseren Forderungen bestätigt:
Ein politisches Umdenken hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft.
Weg von Subventionen Für die Agrarindustrie.
Keine weiteren Risiken für die heimischen Landwirte.
Schluss mit dem Slogan „Geiz ist Geil“, denn was wenig kostet ist wenig
wert!
Anständige Preise für anständige Produkte aus der Landwirtschaft.
Die wahren Kosten der Massentierhaltung übersteigen die Investitionen noch
um ein Vielfaches. Denn die globalen Auswirkungen, wie das Abholzen des
Regenwaldes zugunsten des Sojaanbaus, dem Klimawandel, der Luft- Bodenund
Wasserverschmutzung sind nicht mitkalkuliert.
Es ist bewiesen, dass Hungerkrisen ursächlich mit dem Export von
subventionierten Lebensmitteln aus den Industrieländern zusammenhängen.
Dabei weiß man, dass Hunger nur „vor Ort“ wirksam und nachhaltig bekämpft
werden kann.

BI-Wietze e.V.
02.03.2011

Bürgerreporter:in:

Horst Kröger aus Walsrode

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