"Wertingen hat sich als Kunststadt einen Namen geschaffen": Wie Wirtschaft und Kunst Hand in Hand gehen, erklärt der Vorsitzende der Wirtschaftsvereinigung Wertingen Michael Buhl

Für myheimat stand Michael Buhl Rede und Antwort
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mh bayern: Bei der Jahresversammlung der Wirtschaftsvereinigung beklagten Sie, dass von Seiten der Stadt nichts in Richtung Stadtmarketing getan wird. Was würden Sie sich wünschen?

Michael Buhl: Stadtmarketing liegt nicht nur in der Verantwortung der Wirtschaftsvereinigung, beim Einzelhandel, Gastronomie und Hotelerie und den anderen Wirtschaftszweigen, sondern auch bei der Kommune.
Alle zusammen sind für das Erscheinungsbild der Stadt verantwortlich. Die Wirtschaftsvereinigung kann dies aus eigener Kraft nicht schaffen, sondern alle müssen hier gemeinsam agieren.
Wünschenswert wäre eine Projektgruppe, welche sich in regelmäßiger zeitlicher Folge mit Verantwortlichen der Stadt trifft, um Themen, welche das Stadtmarketing betreffen, zu besprechen und Vorschläge auszuarbeiten, wie z.B. Steigerung der Attraktivität der Stadt als Wirtschaftsstandort, Wohn- und Einkaufsstadt, usw. Dies wird in vielen anderen Kommunen schon lange und sehr erfolgreich praktiziert.

mh bayern: Wenn Sie Wertingen mit anderen Kleinstädten in der Umgebung vergleichen: Was hat Wertingen anderen Städten voraus und was kann Wertingen von anderen Kommunen noch lernen?

Michael Buhl:Ein großes Plus für Wertingen dürfte sicherlich die Infrastruktur, das Einzelhandelsangebot und die Mannigfaltigkeit in der Gastronomie sein.
Weiterhin und ebenfalls wichtig, ist das kulturelle und sportliche Angebot, welches ein breites Spektrum bietet, wie z.B. die über die weißblauen bzw. deutschen Grenzen hinaus bekannte Stadtkapelle, mit ihren unterschiedlichsten Gruppierungen, sei es Folklore, Philharmonie oder jazzigen Präsentationen. Auf dem musealen Sektor verfügen wir über kleinere, aber feine und einmalige Museen, wie auch über eine Artothek, in der Bilder ausgeliehen werden können. Wertingen hat sich als Kunststadt einen Namen geschaffen. Wertingen ist also eine Stadt mit guter Infrastruktur, sehr großer medizinischer Dienstleistung, sehr hohem Kultur- und Sportangebot, hohem Freizeitwert, verbunden mit einem ausgewogenen Arbeitsplatzangebot.

mh bayern: In vielen anderen Kommunen in Schwaben gibt es Rabattaktionen oder Bonussysteme zum Beispiel für Familien. Gibt es in Wertingen ähnliche Pläne, um die Kaufkraft in der Stadt zu halten?

Michael Buhl: Wie haben uns mit Möglichkeiten der Kundenanbindung schon in vergangener Zeit befasst. Einige Geschäfte gewähren ihren Kunden direkte Nachlässe oder Kundenkarten, Münzen etc. an. Bonussysteme werden meiner Kenntnis nur von einigen Betrieben genutzt. Kundenbindungsprogramme, welche von vielen Unternehmen genutzt und getragen werden, sind mir in Wertingen nicht bekannt. Über die Findung eines einheitlichen Bonussystems für den gesamten Wertinger Einzelhandel möchte ich auf die Antwort in meiner ersten Frage verweisen.

mh bayern: Wie steht die Wirtschaftsvereinigung verkaufsoffenen Sonntagen und den immer populärer werdenden Late Night-Shoppings, bei denen die Läden zum Teil bis Mitternacht geöffnet haben gegenüber?

Michael Buhl: Wir haben in Wertingen den schon seit vielen Jahren sehr gut etablierten Herbst- und Frühjahrsmarkt, welcher landkreisübergreifend eine Institution ist. An diesen Tagen ist für die Wertinger Geschäfte ein verkaufsoffener Sonntagnachmittag genehmigt. Ein dritter Tag wäre in Kombination mit einem öffentlichen Veranstaltungsprogramm durchaus denkbar, wenn dies vom Gesetz her möglich wäre. Die Kombination „Einkaufen, Konsumieren und Kultur“ in dem erforderlichen Maße bis 24 Uhr können nur große Städte bewerkstelligen, denken Sie an kreisfreie Städte oder an Augsburg. Dies ist bedingt durch bestimmte gesetzliche Vorgaben eingeschränkt.
Wertingen kann diese Vorgaben nicht erfüllen, auch fehlt bei uns das Einkaufsangebot, das bis Mitternacht geöffnet werden kann.
Für einmalige Veranstaltungen wie beispielsweise bei uns das „Einkaufen bei Kerzenlicht“ verbunden mit unseren musealen Einrichtungen würden wir uns wünschen, dass das Genehmigungsverfahren legerer behandelt wird.
In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, dass die Ladenöffnungszeiten zwischen den Bundesländern unterschiedlicher nicht sein könnten, das Ladenschlussgesetz sollte liberalisiert werden. Wir müssen ja nicht rund um die Uhr einkaufen gehen, aber man sollte über Veränderungen ruhig öffentlich nachdenken.

mh bayern: Die Stadt Wertingen darf auf eine höhere Gewerbesteuereinnahme als letztes Jahr hoffen. Können auch Mitglieder der Wirtschaftsgemeinschaft ein positives Fazit ziehen und wie ist aktuell die Stimmung für das kommende Jahr?

Michael Buhl: Ich hoffe und wünsche es nicht nur den Mitgliedern der Wirtschaftsvereinigung von Wertingen, sondern allen gewerbetreibenden Unternehmen, dass auch sie auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken können, nach den schwierigen letzten Jahren müsste eine Erholung eingetreten sein. Die Geschäftslage wird für den Jahresverlauf als gut bewertet, wobei sich das Umsatzverhalten in den letzten Monaten verbessert hat, aber es ist auch in manchen Branchen auf Grund anomaler Wetterlagen zu Einbußen gekommen. Die momentane Stimmung für 2012 dürfte auf Optimismus stehen, man erwartet eine Beibehaltung oder Steigerung des Umsatzes. Kostensteigerungen wie z.B. bei Rohstoffen und Energie sind jedoch teilweise unkalkulierbar und könnten diese stark beeinträchtigen.

mh bayern: Für Diskussion sorgte erneut in diesem Jahr die Pläne für die geplante „Overfly“-Brücke sowie das Vorhaben eine Seniorenresidenz entweder auf dem Stadtmühlgelände oder auf dem Laugna-Parkplatz zu errichten. Wie steht die Wirtschaftsvereinigung beiden Projekten gegenüber? Welche grundsätzlichen Veränderungen - zum Beispiel in baulicher Hinsicht - würden Sie in Wertingen begrüßen?

Michael Buhl: Sicherlich werden Sie verstehen, dass ich nicht ein Statement für die Wirtschaftsvereinigung abgeben kann, denn dann müsste ich eine Befragung vornehmen. Mit knapper Mehrheit haben sich die Bürger für den Bau des Projektes entschieden. Die Regierung hat nun aktuell den Planfeststellungsbeschluss der Stadt erteilt. Sollte dagegen nicht geklagt werden, müsste es zu diesem Projekt kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Brückenbauwerk mit seinen zusätzlichen achsialen Vernetzungen für die Wirtschaftskraft Wertingens etwas bringt, wir werden nur mittel- bzw. längerfristig eine überproportionale Verkehrszunahme insbesondere von LKWs bekommen. Zu hoffen wäre allerdings, dass die eingebundenen Planer auch eine Lösung in der Tasche haben, damit während der Bauphase nicht der Verkehr durch die Stadt läuft. Altersgerechtes Bauen und Wohnen im innerstädtischen Bereich sind durchaus sinnvoll und angebracht, dies sollten auch Treffpunkte und Orte der Kommunikation werden und nicht isolierende Produkte. Dafür braucht es aber städtebauplanerische Vorleistungen, auch sollte eine attraktive Gebäudegestaltung im öffentlichen Raum erfolgen. Vor dem Jahr 2000 gab es einen Ideenwettbewerb für das Stadtmühlgelände, in welchem bereits betreutes Wohnen mit integrierter Sozialstation vorgesehen war, in einer architektonisch interessanten Ansicht. Auch der „Alte Turnplatz“ war schon in großer Diskussion und könnte Möglichkeiten bieten.

mh bayern: Der Fachkräftemangel dürfte auch in Wertingen Thema sein. In welchen Bereichen ist es jetzt schon kritisch bzw. dürfte es die nächsten Jahre kritisch werden? Gibt es von Seiten der Wirtschaftsvereinigung Pläne, um den Mangel gezielt entgegenzuwirken?

Michael Buhl: Wir haben in unserem Bereich sicherlich keinen gravierenden Fachkräftemangel. Qualifizierte Mitarbeiter sind insbesondere im handwerklichen Sektor gesucht, stellen aber für unseren Standort derzeit sicherlich kein kritisches Moment dar. Hier kann nur der Ansporn da sein, dass Betriebe Ausbildungsbereitschaft signalisieren.

mh bayern: Der von der Wirtschaftsvereinigung veranstaltete Kunsthandwerkermarkt ist mittlerweile weit über die Grenzen hinaus bekannt und beliebt. Warum initiiert die Wirtschaftsvereinigung regelmäßig den Markt und wie passen Wirtschaft und Kultur zusammen?

Michael Buhl: Es freut uns und insbesondere die Organisatoren, dass die vor einigen Jahren initiierte Veranstaltung Interesse findet, auch von geographisch weiter entfernt Wohnenden. Wir wünschen uns ein breitgefächertes und hochwertiges Angebot an selbst handgefertigten Produkten. Als Ausstellung in der Ausstellung präsentieren wir traditionelles und gelebtes Handwerk aus unserer Umgebung. Wirtschaft und Kunst stellen eine Symbiose dar, die Kultur benötigt die Wirtschaft und umgekehrt genauso.

mh bayern: Dieses Jahr war einiges los in Wertingen: Stadtfest, Kunsthandwerkermarkt, Herbstmarkt, Candlelight-Shopping… Welches Fazit ziehen Sie für die Veranstaltungen der Wirtschaftsvereinigung und was kam in diesem Jahr besonders gut an?

Michael Buhl: Alle Veranstaltungen wurden von den Besuchern gut angenommen und wir hatten insgesamt ein großes Glück mit dem Wetter. Das größte Interesse fand das traditionelle Stadtfest, das es schon seit 1983 gibt. Der Kunsthandwerkermarkt litt unter zu heißem Wetter und erbrachte nicht die erwartete Besucherquote. Herbstmarkt ist ebenfalls schon sehr lange etabliert und hatte den erwarteten hohen Besucheranteil. Candlelight-Shopping wurde sehr gut angenommen, hier wurde neu besonders das „Licht erleben“ begrüßt. Neben dem Kerzenlicht gab es von einem ortsansässigen Unternehmen Lichteffekte in kräftigen Farben an disponierten Stellen und Geschäften. Nicht unerwähnt lassen möchte ich das Kirchenkonzert der Bläserphilharmonie der Stadtkapelle in der mit Besuchern vollbesetzten Stadtpfarrkirche, begleitet vom Stadtpfarrer mit besinnlichen Texten. An dieser Stelle danke ich allen ehrenamtlichen Helfern der Wirtschaftsvereinigung, der Stadt Wertingen für ihre Unterstützung, den an den Veranstaltungen Beteiligten und letztlich Ihnen als Besucher der Veranstaltungen.

mh bayern: Sowohl Sie als auch Andreas Klimesch wurden bei der Jahreshauptversammlung in Ihren Ämtern bestätigt. Herzlichen Glückwunsch! Welche Pläne haben Sie für das nächste Jahr?

Michael Buhl: Wir werden auf jeden Fall die etablierten Veranstaltungen aufrecht erhalten. Zur Disposition stehen ein Kinderfest, ein Aktionstag, bei denen sich der Einzelhandel Schulen und Vereine vorstellen, wie auch eine neue Variation zum „Einkaufen bei Kerzenlicht“. Wesentlich wird auch die gemeinsame Vorbereitung mit der Stadt Wertingen für die 2013 stattfindende Landkreisausstellung sein.

mh bayern: Herzlichen Dank für das Interview, Herr Buhl!

myheimat-Team:

Tanja Wurster aus Augsburg

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