„Wertingen ist heute im Landkreis Dillingen hervorragend aufgestellt“ - Wertingens Bürgermeister Willy Lehmeier blickt im Interview auf das Jahr in Wertingen zurück

Willy Lehmeier
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mh bayern: Im Fokus stand dieses Jahr das Wertinger Krankenhaus. Trotz der Schließung der Geburtenstation kann dank der Fertigstellung des zweiten Bauabschnittes überwiegend Erfreuliches über die Klinik berichtet werden. Wie bewerten Sie diese beiden Ereignisse in diesem Jahr und warum ist das Krankenhaus für Wertingen so wichtig?

Willy Lehmeier: Die Schließung der Wertinger Geburtenstation hat uns alle betroffen gemacht. Trotz einer Defizitübernahme von 75% durch die Stadt Wertingen und der Unterstützung des Fördervereins war letztendlich diese Einrichtung nicht mehr zu halten. Zum Glück haben sich die weiteren Abteilungen am Hause in den letzten Jahren hervorragend entwickelt und so erheblich zur Stabilisierung des Kreiskrankenhauses beigetragen. Die Fertigstellung des BA II war wiederum nur möglich, weil u.a. die Stadt neben dem Landkreis Dillingen 2 Millionen Euro Finanzmittel aufgebracht hat. Unsere Bevölkerung braucht in unmit-telbarer Nähe ein Krankenhaus der Grundversorgung mit einem funktionierenden Netz von Haus- und Fachärzten. Deshalb wird die Stadt ihr Kreiskrankenhaus nach besten Kräften weiterhin unterstützen, auch wenn die Kassen ganz gezielt kleinere Häuser der Grundversorgung in ganz Deutschland kaputtmachen wollen.

mh bayern: Anfang des Jahres wurde das neue Jugendhaus feierlich eröffnet. Wie wird dieser neue Treffpunkt von den Jugendlichen angenommen und können Sie eine Bilanz für die ersten Monate ziehen?

Willy Lehmeier: Das Jugendhaus wird sehr gut angenommen. Rund 40 bis 50 Jugendliche besuchen die Einrichtung täglich. Ebenso ist die Sportnacht ein Renner. Unser Stadtjugendpfleger Tobias Kolb trifft den Nerv der Jugendlichen und spricht sie mit seinem vielfältigen Programm an. Zudem haben wir mit dem Familienbüro und in der Zusammenarbeit mit dem Kreisjugendring eine gute Vernetzung geschaffen. Ein Vorzeigebeispiel gelungener Jugendarbeit in Qualität und Größe im gesamten Landkreis Dillingen.

mh bayern: Eine Verspargelung der Landschaft soll vermieden werden, der Stadtrat möchte auf eine Zusammenarbeit mit Meitingen, Biberbach und Laugna setzen. Das ist der Konsens im Wertinger Stadtrat zum Thema Windrad. Wie ist der gegenwärtige Stand der Dinge?

Willy Lehmeier: Wir haben 16 mögliche Flächen ins Rennen geschickt und sowohl die Fachbehörden als auch die Menschen im Zusamtal haben ihre Anregungen und Hinweise sowie ihre Bedenken eingereicht. Diese wurden ausgewertet, fachlich gewürdigt und sind nun in einen Planungsentwurf eingeflossen. Der Planungsentwurf wird noch vor Weihnachten öffentlich vorgestellt und im Stadtrat diskutiert. Am Ende des Verfahrens soll eine Konzentrationsfläche mit einigen wenigen Teilflächen für Windkraftnutzung ausgewiesen werden. Nach wie vor besteht das politische Ziel, in einer interkommunalen Zusammenarbeit mit den Nachbarkommunen die Windkraft und damit die Energiewende beispielhaft in unserer Region voranzubringen.

mh bayern: Der Anbau im Kinderhaus Sonnenschein ist fertig! Wie steht es grundsätzlich um die Kinderbetreuung in Wertingen? Kann der Rechtanspruch, wonach für alle Kinder unter drei Jahren ab August 2013 ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen muss, in räumlicher und personeller Sicht erfüllt werden?

Willy Lehmeier: Die Stadt Wertingen ist Träger von drei Kindertagesstätten. Daneben arbeiten wir sehr eng mit dem Arbeiter-Samariter-Bund und dem Montessori-Elternverein zusammen. Insgesamt werden in allen Einrichtungen 323 Kinder betreut. In der Stadt Wertingen haben wir derzeit einen Versorgungsgrad von rund 40% bei Kindern unter 3 Jahren. Somit erfüllen wir heute bereits die staatlich geforderte Quote von 35% zum 01.08.2013. Als Trend lässt sich erkennen, dass immer jüngere Kinder angemeldet werden. Vor Jahren war es noch unvorstellbar, dass einjährige Kinder angemeldet werden. Heute ist das „ganz normal“. Damit steigen die Herausforderungen für das Personal ungemein an.
Bei den Kindergartenplätzen, also den Kindern von 2,5 bis 6 Jahren, besteht ein Versorgungsgrad von 100%. Eine Schaffung weiterer Kinderbetreuungsplätze ist nicht notwendig.

mh bayern: Der Wochenmarkt findet seit einigen Monaten nun auf dem Stadtmühl-Parkplatz statt. Welche Entwicklung für den Wochenmarkt wünschen Sie sich?

Willy Lehmeier: Der Wochenmarkt soll unser Motto „Wertingen - bunte Vielfalt erleben“ wiedergeben. Deshalb war es vollkommen richtig, den Standort zu wechseln, mehr Platz für Fieranten zu schaffen und interessante Aktionen anzubieten. In einem natürlichen Umfeld mit Wasserrad, viel Grün und der Zusaminsel wird Einkaufen zum Erlebnis. Dabei ist die Qualität der angebotenen Produkte aus der Heimat für die Heimat eine Schwerpunktaufgabe.

mh bayern: Für Wertingen soll ein Rahmenplan aufgestellt werden, in dem Entwick-lungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Laut Ihrer Aussage sollen die Bürger miteinbezogen werden. In welcher Form soll das geschehen?

Willy Lehmeier: Der Rahmenplan soll komplexe Zusammenhänge erfassen und Lösungsvorschläge darstellen. So soll die Weiterentwicklung des Baugebietes am Eisenbach, die städtebauliche und grünordnerische Aufwertung des Ebersberg Ost, die Erweiterung des Gewerbegebietes an der Industriestraße und die Weiterführung der Haupterschließung zur Donauwörther Straße erreicht werden. Bei solch einem umfangreichen Plan, der viel Positives bewirken kann, muss die Öffentlichkeit frühzeitig mit ins Boot geholt werden. Deshalb werden wir zu verschiedenen Entwicklungsstufen Informationsveranstaltungen abhalten.

mh bayern: Zusammen mit anderen Vertretern der Stadt Wertingen nahmen Sie an Workshops zum Stadtmarketing teil. Welche Erkenntnisse nahmen Sie daraus mit und welche Ideen werden 2013 bereits umgesetzt?

Willy Lehmeier: Eine typische schwäbische Mentalität. Vieles wird geleistet. Aber viel zu wenig hierfür geworben. Deshalb haben wir sehr schnell gehandelt. Es hat sich ein Arbeitskreis aus Politik, Wirtschaftsvereinigung und Verwaltung gebildet, der vierteljährlich tagt. Erste Ziele wurden bereits umgesetzt. Das Bürgerinfo ist in seinem Erscheinungsbild komplett überarbeitet worden. Das Logo wurde zeitgemäß in Schrift und Farbe angepasst. Das Magazin RiQ - Region im Quartal - wird durch Presseartikel und Schaltung von Werbung unterstützt. Eine Neubürgerbroschüre wird gerade entwickelt. Zudem konzentrieren wir uns auf die WERTA 2013 und das Jahresprogramm der Wirtschaftsvereinigung. Hierfür soll ebenfalls kräftig Werbung betrieben werden.

mh bayern: Ein NPD-Verbot wird bundesweit immer wieder diskutiert, auch im Wertinger Stadtrat schlug das Thema hohe Wellen. Ganz allgemein gefragt: Wie widersetzt sich die Stadt Wertingen gegen braunes Gedankengut?

Willy Lehmeier: Aufklärung tut not. Und dabei müssen alle gesellschaftlichen Schichten ein Interesse haben, die leidvollen Erfahrungen des Nationalsozialismus und die Gräueltaten an den Menschen während der beiden Weltkriege immer in Erinnerung zu behalten. Aus diesem schmerzhaften Erinnern und Gedenken heraus muss gegen alle, die die Grundfesten unserer Demokratie angreifen, unmissverständlich mit rechtsstaatlichen Mitteln vorgegangen werden. Deshalb bin ich dankbar, wenn in Schulen die Kinder und Jugendlichen aufgeklärt und informiert werden. Und ich fordere uns alle auf, sich aktiv gegen braunes Gedankengut öffentlich auszusprechen, anzuprangern und sich dagegen zu wehren.

mh bayern: Es ist eine nicht enden wollende Geschichte - der geplante Bau der Dreifeldbrücke. Zuletzt behinderte eine Klage des Bund Naturschutzes das weitere Vorankommen. Da diese Klage nun vom Tisch ist: Wie soll es in den kommenden Monaten weitergehen? Fürchten Sie weitere Probleme, die das Projekt aufhalten können und glauben Sie, dass die Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor hinter den Plänen steht?

Willy Lehmeier: Es ist richtig. Die Klage des Bund Naturschutz wurde in allen Punkten abgewiesen. Zudem hat das Verwaltungsgericht keine weiteren Schutzmaßnahmen in der Urteilsbegründung vom Bauherrn gefordert. Die Berufung des Bund Naturschutz gegen das Urteil ist vom Verwaltungsgericht nicht zugelassen worden. Der Kläger müsste daher zunächst beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof innerhalb von vier Wochen nach Zugang des schriftlichen Urteils die Zulassung der Berufung beantragen.

mh bayern: Bei der Auflösung des Landkreises Wertingen im Zuge der Gebietsreform vor 40 Jahren musste Wertingen zunächst zurückstecken. Fristet Ihrer Meinung nach die Stadt Wertingen als Bestandteil des Landkreises Dillingen immer noch ein Schattendasein? Welche Rolle spielt Wertingen heute im Landkreis?

Willy Lehmeier: Auch nach der schmerzlichen Zerschlagung des Landkreises Wertin-gen im Jahr 1972 und dem Verlust von Landratsamt, Amtsgericht, Gesundheitsamt und Polizeiinspektion wurde weitblickend gehandelt und die Ansiedlung und der Erhalt von Firmen und Behörden bis auf den heutigen Tag zielstrebig verfolgt. Damit ist Wertingen heute im Landkreis Dillingen hervorragend aufgestellt. Als Schulstadt, als Zentrum der medizinischen Grundversorgung mit dem Kreiskrankenhaus, als Grünes Zentrum mit einer Viehvermarkterhalle und als Kunst- und Kulturstadt hat sich die Stadt über Jahrzehnte im Landesentwicklungsplan die Funktion eines Mittelzentrums erworben. Im Landkreis Dillingen nimmt Wertingen im Jahr 2013 bei der Steuerkraft mit 9,6 Millionen den ersten Platz ein.

mh bayern: Im Herbst 2013 findet zum 8. Mal die WERTA statt. Welche Erwartun-gen haben Sie?

Willy Lehmeier: Das Zusamtal verfügt über viele erfolgreiche Firmen, die umfangreiche Dienstleistungen und Produkte anbieten. Das hat der Stadtrat erst kürzlich bei seiner Unternehmertour erleben können. Es war für alle Beteiligten beeindruckend. Diese unternehmerische Vielfalt muss immer wieder überregional beworben werden. Das machen wir sehr gerne und sehen es als unsere Pflichtaufgabe an. Die WERTA 2013 findet zum 8. Mal vom 3. bis 6. Oktober 2013 rund um das Wertinger Schloss statt. Wir erwarten rund 25.000 Messebesucher, 200 Aussteller und ein attraktives Rahmenprogramm für Jung und Alt.

mh bayern: Herr Lehmeier, vielen Dank für das Interview!

Fotos: Stadt Wertingen

myheimat-Team:

Tanja Wurster aus Augsburg

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